Fozzo.Das Herbstinterview 2013.

Fozzo. Das Herbstinterview 2013.

Fozzo, das Unterhaltungsscheusal aus dem Nordschwarzwald, führte in den Jahren 2001 bis 2006 in der 20 km südlich von Pforzheim gelegenen Kur- und Wellnessruine Bad Wildbad seinen „Längsten Wahlkampf der Republik – 5 Dauerwahlkampf um das Bürgermeisteramt im Wildbad“ durch.

Erwartungsgemäß gewann im Jahr 2006 nicht Fozzo die Wahl in der Kurruine Wildbad, sondern der aus der Nachbarruine Enzklösterle angereiste Berufsbürgermeister Klaus Mack.

In Enzklösterle war der Bürgermeisterjob zum Ehrenamt erklärt worden, so dass dem dortigen Amtsinhaber Mack Mittellosigkeit drohte. Die Wahl im Wildbad kam da gerade recht. Aus der Kurruine Wildbad im nördlichen Schwarzwald wurde die Mack -Ruine.

Wir treffen Fozzo an der Bar des Hotel Pullmann in Berlin.

Wildbader Badeblatt: Werden Sie im nächsten Jahr wieder zur Bürgermeisterwahl in Bad

Wildbad antreten?

Fozzo: Das hängt von meinen Sponsoren ab. Das Hotelleben hier in Berlin und in Baden

Baden ist sehr kostspielig. In Wildbad kann man ja beim besten Willen nicht mehr

wohnen, nicht mal im Wahlkampf.

WB: Welchen Eindruck haben Sie von der gegenwärtigen Lage bei uns?

Fozzo: Eure Lage ist natürlich scheiße. Ein neues Gutachten, das die IHK Pforzheim bei einer

Stuttgarter Beratungsklitsche in Auftrag gab, kommt hinsichtlich Wildbads wie des

gesamten Nordschwarzwalds zu niederschmetternden Ergebnissen, was nicht anders

zu erwarten war. Wildbads Lage ist die Lage aller überflüssigen Kurorte.

WB: Die Studie wird nicht veröffentlicht.

Fozzo: Seit wann werden Totenscheine publiziert! Ich bitte Sie!

WB: Die Wildbaderinnen und Wildbader haben ohnehin andere Sorgen.

Fozzo: Das kann man wohl sagen. Hartz IV ist kein Spaß und Armut vertuschen kostet auch

viel Kraft.

WB: Welches sind Ihrer Ansicht nach heute die größten Negativposten in Bad Wildbad?

Fozzo: Von Gemeinderat, Verwaltung, Bürgermeister und genereller Unvermarktbarkeit

Wildbads abgesehen, sicher die hohe öffentliche wie private Verschuldung, die

zunehmende Kriminalität, der Vandalismus und die Apathie der Leute. Altlasten wie

eine Giftmüllhalde im Wildbad runden das desaströse Bild zum Bild einer Stadt ohne

Zukunft nur noch ab. Mack schindet Zeit durch Gutachterquatsch. Das ist Politik heut.

WB: Sie meinen die Giftmüllhalde auf dem Gebiet der sog. Tannmühle. Aber das ist doch

alles sehr umstritten.

Fozzo: Die dortigen Todesfälle sind nicht umstritten. Im Übrigen beteilige ich mich nicht an

Streitereien, die keine sind, sondern nur dem Zweck gemütvoller Desinformation

bei Linsen und Spätzle dienen.

WB: Wildbad ist überall, haben Sie immer gesagt; ist es dabei geblieben?

Fozzo: Freilich! Je mehr Krise, desto mehr Wildbad. Wildbadfeeling, besser gesagt. Der

kalte Schneidezahn der Missgunst nagt an den Leuten. Immer mehr Lebenskonzepte

gehen nicht auf, weshalb die Lebenslügen handfester werden müssen. Tragfähig

oder, wie man heute gern sagt, nachhaltig lügen, das ist das Gebot der Stunde. Nicht

nur in Wildbad. Wildbad ist nur am Boden des Eisbergs.

WB: Aber ist das alles denn nicht unverzeihlich?

Fozzo: Sicher! Das kümmert aber niemanden. „Wir sagen von manchen Dingen, dass sie

unverzeihlich sind, oder dass wir sie uns nie verzeihen werden. Aber wir tun es – wir

tun es immerfort.“ So die Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro in ihrer Erzählung

Dear Life. Ist ja weiß Gott auch nichts Neues!

WB: Was sind Ihre Pläne hinsichtlich der Wildbader Bürgermeisterwahl 2014?

Fozzo: Der jetzige Bürgermeister Mack ist verbrannt wie sein Vorgänger, der unvergessene

Joker, das alte Lügenholz. Man wird irgendeinen neuen Mack aus dem Hut zaubern.

Um Mack abzusägen, braucht man mich nicht. Das schaffen die Wildbader allein.

WB: Viele im Wildbad wollen dennoch wissen, ob Sie wieder antreten.

Fozzo: Ich heiße nicht Tebartz- van Elst und lege mein Schicksal nicht in irgendwelche

Papsthände, so viel ist sicher. Wenn ich nächstes Jahr Lust und Geld, habe, ist

eine kleine Bürgermeisterwahlshow nicht ausgeschlossen. Leider sind die

schwäbischen Frauen sehr hässlich und sprechen einen ordinären Dialekt.

(zur Barfrau gewandt: Das gilt nicht für dich, Schatz! Bring uns noch vier

Doppelkorn und ’ne Molle, bitte.)

WB: Fozzo, wir danken Ihnen für das Gespräch und die Getränke.

Ralf Frodermann X 2013