quid hoc ad me!
Ein Mensch, der sich für Mohammed hielt, kam stolz und aufgeblasen nach dem Irrenhaus, verlangte Huldigung, fällte täglich eine Menge Verbannungs- und Todesurteile und tobte auf eine souveräne Weise. Obgleich man nun seinem Wahne nicht widersprach, so untersagte man ihm doch das Toben als etwas Unschickliches, sperrte ihn, da er nicht gehorchte, ein und machte ihm über sein Betragen Vorstellungen. Er versprach, sich zu bessern, wurde losgelassen, verfiel aber wieder in Tobsucht. Jetzt fuhr man diesen Mohammed heftig an, sperrte ihn von neuem ein und erklärte ihm, daß er kein Erbarmen mehr zu hoffen habe. Abgeredetermaßen ließ sich jedoch die Frau des Aufsehers von ihm durch sein flehentliches Bitten um Freiheit erweichen, forderte von ihm das feste Versprechen, seine Freihet nicht durch Toben zu mißbrauchen, weil er dadurch Unannehmlichkeiten verursachen würde, und machte ihn los, nachdem er jenes Versprechen geleistet hatte. Von diesem Augenblick an betrug er sich gut. Bekam er noch einen Anfall von Wut, so war ein Blick der Aufseherin hinreichend, ihn in seine Kammer zu treiben, um dort sein Toben zu verbergen. Diese seine Achtung vor jener Frau und sein Wille, über seine Tobsucht zu siegen, stellten ihn in sechs Monaten wieder her.
Hegel, Enzyklöpädie der philosophischen Wissenschaften §407
Wer oder was mag aber den denksüchtigen FAZ-Schmock Jürgen Kaube wiederherstellen, der im Hegel-Special der Zeitschrift für Ideengeschichte (Heft XIV / 2 Sommer 2020 S.15 ff. Logik eines Satzes) über Hegels Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig vernünftelt, geistreichelt, pedantisiert, abwest, um schließlich ganz abzuschmieren.
Kaubes Taschenspielertrick, aus Hegel eine Mischung aus Karl Rahner und Karl Marx zu machen, also den Karl Löwith der Weltgeschichte und Heilsgeschehen von 1949 fürs Feuilletonparkett aufzubrühen, klappt nur um den Preis eines Seminaristen-Fauxpas:
"Das Ende der Geschichte, die wahre Revolution und die Verwirklichung der Vernunft haben für ihn (sc. Hegel RF) zwischen 30 und 50 n. Chr. mit dem Gedanken begonnen, dass eine Religion auftritt, die in ihren Grundgedanken das Diesseits nicht entwertet." (ibid.)
Diese Religion war bekanntlich mit dem Judentum längst aufgetreten und man wird nicht erst an Nietzsches Der Antichrist erinnern müssen, um Kaubes Jubiläumseinlassungen, die in fauler Pfaffenphrase gipfelt, als das zu qualifizieren, was sie sind: orchestrierter Wortwind.
Hatte Marx Hegel von den Füßen auf den Kopf gestellt, so Kaube Hegel vom Kopf auf die Seite gelegt, getreu der Logik eines andere Satzes:
Was journalistisch ist, das ist dämlich; und was dämlich ist, das ist journalistisch.
Ralf Frodermann Mai 2020