Vivisektionen

Stoff, Form, Weib:

Ontisch verbrämte Misogynie Eine historische Visite

Es ist keine List über Frauenlist.

Sirach 25,18

Taci, e trema al mio furore! (Sei still! Hüte dich vor meinem Zorn!)

Mozart, Don Giovanni (1.Akt)

In der Volkskultur ist die “Beißzange” ein fest im Ensemble praktizierter Heimtücke, gelebten Hasses und leutseliger Häme verankertes, sprachliches Element: ein Schimpfwort eher minderen Ranges und minderer Sprengkraft, aber ein Schimpfwort. Ist diese sogenannte „vagina dentata“ erst im Anflug, heißt es hinter vorgehaltener Männerhand: „Beißzangen, die bellen, beißen auch!“

Philosophiehistorisch ist die Kennzeichnung der Weiblichkeit als defizienter Seinsmodus im Kontext der aristotelischen Stoff/Form- Diskussion einzuordnen.

Die Vorstellung, wonach der Stoff, die Materie weiblich und eine minderwertige Seinsweise gegenüber der Form, dem männlichen Prinzip sei, scheint aber platonischen Ursprungs.

In Giordano Brunos im Jahr 1584 erschienenen Abhandlung „Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen“ wird im vierten Dialog dies antike Konzept in flamboyanter Rhetorik vollbildlich entfaltet:

„Et os vulvae nunquam dicit:sufficit. Dass hiesset, nämlich, natürlich, sintemalen, so zu sagen, die Materie – denn diese ist darunter zu subintelligiren – ersättiget sich niemalen durch Recipirung von Formen. ... In meinem kleinen Museum studierend, bin ich auf jene Stelle des Aristoteles gestoßen, libro primo Physicorum, in calce, wo er klar machen will, was die materia prima sei, und zum Spiegel das weibliche Geschlecht nimmt, ich meine dieses widerspenstige, gebrechliche, unbeständige, weichliche, kindische, schändliche, verächtliche, gemeine, verworfene, verkümmerte, unwürdige, verruchte, träge, widerliche, garstige, undankbare, verstümmelte, verderbte, unvollkommene, unvollendete, unzureichende, verpfuschte, kümmerliche, unerquickliche Geschlecht, diesen Mehltau, diese Nessel, dies Unkraut, diese Pest, diese Seuche, diesen Tod:

Von der Natur und Gottes Rächerhand

Als schwere Last und Strafe uns gesandt.“

Der eruptive Ausbruch des Nolaners versammelt an dieser Stelle bereits alle Stereotypen montierten Frauenhasses der Moderne bis hin zu Schopenhauers und Weiningers pathologischen Depotenzierungen des Weiblichen.

Derartige Obsessionen sind freilich sorgfältig zu unterscheiden vom Arsenal weiblicher Schiessbudenfiguren auf der Theaterbühne; Frau Marthe Schwerdtlein etwa taugt als Schutzpatronin der Kupplerinnen mehr denn als Heilige postmoderne Suffragette on deconstruction stage oder von Berufsblaustrümpfen.

Und wenn Marlene Dietrich über nichtrauchende Männer sagte, diese seien ihr verdächtig, so dürfte ihr eine solche Äußerung auch innerhalb einer der Stutenbeißerei unverdächtigen Damenwelt heute wenig Beifall eintragen. Denn auch die Welt der Damen ist längst aufgegangen in die Welt politische Korrektheiten, in welcher schon ein mokantes Räuspern, ein kritisches Naserümpfen oder eine diskrete Aufforderung zur Versuchung einen irreversiblen Platzverweis garantiert.

Von anderen, der allgemeinen Aufmerksamkeit entfernteren Geschlechterwelten, die es mittlerweile auch geben soll, zu schweigen.

Wenig weiterführende Literatur:

    • Czapla, Ralf G. [Hrsg.]; Burkard, Georg [Hrsg.]; Burkard, Georg [Übers.]: Disputatio nova contra mulieres, qua probatur eas homines non esse / Acidalius, Valens. (Neue Disputation gegen die Frauen zum Erweis, dass sie keine Menschen sind). Heidelberg 2006

Ralf Frodermann V 2013