Wiederum herrschte Stille; einige sahen einander an und blickten dann verlegen zur Erde.
Berthold Auerbach: Befehlerles (1842)
Täterlob
Eine transitive Dorfsauerei im Wildbad anno 2014
Die Kurruine Bad Wildbad an der Enz im nördlichen Schwarzwald – mancher mag sie noch unter ihrem Mädchennamen „Wildbad“ erinnern – ist seit langem ein Ort des Schreckens und der Trostlosigkeit.
Jüngst gab in ihr einer eine neuerliche Probe abgefeimter Niedertracht, wie sie an jenem Ort zur Freude des Satans gedeiht und immerzu wächst.
Einem Gastwirt, den die Stadtoberen vom Pachtzins seiner Klitsche befreit hielten, weil ohnehin in dem Gaunerort kein Heller mehr zu verdienen und also an die Errichtung eines Mietzinses gar nicht zu denken war, gleichwohl ein Schein, wie allerorten, von Betriebsamkeit, Kauf und Verkauf, ehrbarem Kaufmannstum, Einnahmen und Ausgaben, den Segnungen der Buchführung und allerlei ähnlichem Unsinn gewahrt werden sollte, einem Gastwirt also – wenige Tage erst sind seitdem ins schwäbische Land gezogen – waren die Pferde seines eifersüchtigen Temperaments wohl durchgegangen und er hatte versucht, seinem Ehegespons, das schon von einem anderen in gesegnete Umstände versetzt worden und eigentlich schon gar nicht mehr die Seine war, den kurzen Prozess mittels Verbrennung zu machen.
Sein Ansinnen schlug zum Glück fehl und nun hockt der Kerl in Knast und Ketten, denn auch in Schwaben darf heute keiner sein Weibsbild einfach anzünden, mag er noch so gute Gründe für die Fackelei haben.
Doch viele im Wildbad, der Moral und des Mitgefühls längst entwöhnt, sind an der Seite des rohen Täters, klopfen ihm im Geiste auf die Schultern und addieren ihn und sich unterm Strich zum höchsten Gut.
Das düstere Pack verhält sich unbotmäßig, paktiert mit einem Mordlüsternen eher als mit einer Schwangeren und gibt sich einmal mehr als selbstgerechter Enz- Behemoth im Schweinekoben zu erkennen.
Wo auf diese Weise Hexenjagd und Selbstjustiz Urstände feiern, ist der Ausnahmezustand selten weit.
Freilich ist auch die Ehe einer, doch welche Eheleute bleiben schon der Worte des unsterblichen Ambrose Bierce eingedenk:
„Ehe, die
Zustand oder Befindlichkeit einer Gemeinschaft, die aus einem Herren, einer Herrin und zwei Sklaven besteht, insgesamt also aus zwei Personen.“ (Wörterbuch des Teufels)
Immerhin mögen die Richter des Wildbader Saukerls dieser Worte eingedenk bleiben, indem sie denselben doppelt verurteilen und vierfach züchtigen.
Ralf Frodermann
September 2014