„Geht’s noch?!“
Innenansicht einer schneidenden Floskel
Auch Floskeln haben zuweilen bessere Tage gesehen. Das teilnehmende „geht’s noch?“ beim Dentisten oder unter der Folter hat seine Tonart von Dur nach Moll verändert und ist damit zum ebenso geläufigen wie universellen Scheltwort der Hämeverliebten geworden.
Die imperative Frage fordert ihren Adressaten unmissverständlich zur unverzüglichen Rückkehr ins Glied des Konsensuellen auf, ein Ultimatum kennt sie nicht, würde sie bei Kenntnis nicht dulden. Ihr Wasserzeichen lautet: Schluss mit lustig! Der angekündigte Ausnahmezustand.
Im Deutschen lebt der Kasernenhof Tür an Tür mit der Studierstube, der Gosse und den anderen fashionablen deutschen Sprechorten. Oft ist Umschluss und die Töne vermischen sich. Keine Schaumgeborene entwindet sich diesem Sprachbad, wohl aber gibt es dem taktlosen Registerbruch Redemittel an die zur Faust geballte Hand.
War das lapidare „Und tschüss“ schon weniger ein Abschiedsgruß als vielmehr ein en passant ausgeteilter Fußtritt, Urteil und Vollstreckung in einem, so nimmt „Geht’s noch?!“ die Verhandlung, die Attacke wieder auf. Längst noch ist der so ‚zur Räson’ zu Bringende nicht entlassen, seine beidrehende Devotion ist notwendige Bedingung seiner weiteren diskursiven Satisfaktionsfähigkeit. Alles hängt von ihr ab. An die Festen der Konvention legt niemand ungestraft Hand an.
Selbst unter illegalen Verbrechern wird unprofessionelles Vorgehen (Zögern, Mitleid etc.) mit einem wutschnaubenden „Geht’s noch?!“ geahndet. Wer solche Quittung je erhält, kann auf weitere Rechnungsstellung pfeifen. Der vorsätzliche Hilfeentzug hat alle Nebentüren, durch welche Zuneigung noch diskret zum Gegenüber schlüpfen konnte, sei es zur Erholung, sei es zur Konsolidierung gemeinsamer Kräfte, vermauert.
„Geht’s noch?!“ ist sein Fanal.