Neuer Pangloß

Rudolf Steinberg:

Kopftuch und Burka. Laizität, Toleranz und relogiöse Homogenität in Deutschland und Frankreich

Baden Baden, 2015

Pangloß lehrte die Metaphysico-thologico-cosmologie. Er wies in vortrefflicher Weise nach, daß es keine Wirkung ohne Ursache gäbe.

Voltaire, Candide

Rudolf Steinberg, seines Zeichens eine Varietät des Typus Wolfgang Benz innerhalb der akademischen Jurisprudenz, hat das aequidistante Intergrationsschrifttum gehörig verdaut, repetiert und in seinem hier anzuzeigenden Buch um einige Flageolettetöne und Flatulenzen erweitert.

Nach Art solcher Gelehrter finden die einschlägigen Arbeiten kritischer Provenienz keine Beachtung und so bleiben für eine angemessene Dimensionierung der Gesamtdebatte „europäischer Alltagsislam“ höchst wichtige Interventionen, etwa von Thomas Maul („Das Kopftuchverbot für Schülerinnen - Die feministische und antirassistische Konsequenz gescheiterter Integration“ in: T.M., Die Macht der Mullahs. 2006), Robert S. Wistrich („Muslimischer Antisemitismus“ dt. 2013) und Hartmut Krauss („Der Islam als grund- und menschrechtswidrige Weltanschauung. Ein analytischer Leitfaden.“ 2013), erwartungsgemäß außen vor.

In sechs Kapiteln diskutiert Steinberg stattdessen, so immanent wie teilweise unerträglich redundant, die Gefahren, die der französischen und deutschen Gesellschaft durch Islamophobie, mangelnde Integrationswilligkeit, Segregation, soziale Schieflagen, Arbeitslosigkeit, Respektverweigerung usw. usf. drohen.

Dabei legt er seiner Vorstellung gemäß dar, was ihm klare Sache dünkt:

„Die muslimischen Immigranten – und mit ihnen die Sinti und Roma – haben in Frankreich die Juden als Sündenbock abgelöst.“ (Kopftuch und Burka S.116)

Steinberg verabschiedet den Begriff eines homogenen Gemeinswesens, vulgo Volksgemeinschaft, vergisst nicht das morsche Zauberwort Diversität und hebt an zum Loblied auf den seit der erfolgten Habermasdämmerung in Vergessenheit geratenen Verfassungspatriotimus der Verfassungspatrioten und Verfassungspatriotinnen.

„Begrenzung“ und „Ausschluss“ lehnt der Staatsrechtler ab:

„Stattdessen müssen wir anerkennen, mit anderen zusammen zu sein und unsere Existenz in der Differenz mit anderen zu definieren.“ (op. cit. S.250)

Tiefsinnger vermag kein Pangloß zur Wahrheit einer post-migrantischen Gesellschaft vorzudringen.

Ralf Frodermann Januar 2016