„Hören möchten wir am liebsten, was wir gar nicht
glauben können;“
FAUST II, 3
Offener Brief an den Direktor des Instituts für Romanistik und Direktor des Ibero -Amerikanischen und des Frankophonen Forschungsseminars in Leipzig, Professor Dr. Alfonso de Toro
Sehr geehrter Herr Kollege de Toro,
ob die in den Worten des französischen Grammatologen Derrida „bedingungslose Universität“ der „letzte Ort eines kritischen Widerstands“ , „Ort der Aufklärung“ – was immer diese hohlste aller entkernten Festredenmetaphern noch bedeuten mag –sei und
ob das deutsche Berufsbeamtentum wirklich eingeführt wurde, „damit wir jederzeit unsere Meinung äußern können“, wie Sie in Ihrem FAZ- Beitrag „Abenddämmerung der Universität“ vom 8. Mai 2014 im Tonfall ehrfürchtiger Überzeugung bemerken, sei einmal dahingestellt; dass es mit den Geisteswissenschaften, für deren Fortexistenz man Sie flammend in der FAZ einstehen lässt, in Deutschland hinsichtlich ihrer finanziellen Ausstattung nicht mehr weit her ist, ist unbestritten. Und dass man vor lauter vergossenen Krokodilstränen sich gern ein X für ein U vormachen lässt, ist denen um so weniger zu verargen, die im akademischen Zirkus nur noch Ladenhüter und sauer Bier zu verwalten und anzubieten haben und auf Besserung ihrer Lage so lange noch hoffen und warten können, bis im Himmel wieder mal Jahrmarkt ist oder Godzillas Hamster bohnert, mit anderen Worten: deren Entsorgung beschlossene Sache ist.
Statt aber nun den alten Tee von der angeblichen Notwendigkeit der Geisteswissenschaften „und Philologien“ wieder und wieder in alten Socken aufzubrühen, sollten wir uns an einem auf Effektivität bedachten Manager dieser Zeit aufrichten und ein Beispiel nehmen.
Wir meinen den neuen Siemens- Chef Joe Kaeser, der große Teile des Unternehmens nach Orlando, Florida auszugliedern plant (dito FAZ 8. Mai).
Auf unsere, immer prekärer werdenden Verhältnisse angewendet: mittelfristig Schließung der Geisteswissenschaften in der Bundesrepublik und Überweisung großer Teile der dadurch frei werdenden Mittel an die einschlägigem Fakultäten amerikanischer Elite-Hochschulen.
Danach Umbenennung der bisherigen sog. „Naturwissenschaften“ in „Geisteswissenschaften“ an allen deutschen Universitäten.
Arbeitslose Ex-Geisteswissenschaftler können vor der Einführung von „Null-Stunden-Verträgen“, wie sie in England* seit langem üblich sind (dito FAZ 8. Mai), nicht in die Produktion, d. h. Überproduktion geschickt werden. Nach deren wünschenswerter Einführung auch in der Bundesrepublik Deutschland jedoch, steht der Übernahme überflüssig gewordener Geisteswissenschaftler „und Philologen“ dorthin oder in die allgemeine, biopolitische Elendsverwaltung wenigstens organisatorisch nichts mehr im Weg.
Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt solcher Maßnahmen läge darin, den riesigen Berg des Beamtenpöbels nicht unerheblich abzutragen, der hier und da noch herrschenden Illusion von „Bildung und Kultur“ einen wirksamen Riegel vorzuschieben und das lästige Legitimationskarussell, das sich - mal langsamer, mal schneller! - um die dröge, überdies ausschließlich Geisteswissenschaftler noch elektrisierende Frage dreht „Wozu brauchen wir Geisteswissenschaften?“ (Sören Kjörup: Humanities* Geisteswissenschaften* Sciences humaines Eine Einführung. Stuttgart, Weimar, 2001 S.49 dän. Original Roskilde, 1996) endgültig aus betriebtechnischen Gründen verschrotten zu können.
„Bildung von aufgeklärten Persönlichkeiten“, Gestaltung eines demokratischen Gemeinwesens“, „Erlangung von am globalen Markt dringende benötigten Fertigkeiten“ und was dergleichen Phraseologien, munterer Wortklaubereien und ausgedienter Texthülsen mehr sind, können Sie getrost, sehr geehrter Herr de Toro, den Dreschflegeln unserer ebenso kritischen wie widerständigen Universität Bockwurst überlassen.
Einer unter ihnen, ihr Rektor nämlich, grüßt Sie ergebenst, indem er Ihnen für Ihre Intervention hiermit seinen herzlichen Dank auszusprechen nicht ansteht, sich zu beehren.
Mit kollegialen Grüßen,
Ihr
Prof. Dr. Bobby Holunder 8. Mai 2014 Rektorat Universität Bockwurst (ohne Siegel)
(Rektor Universität Bockwurst)
*„Das Prophezeien ist nirgends so leicht als gerade in England, weil hier alles so klar und scharf in der Gesellschaft entwickelt ist.“
F. Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England. Nach eigener
Anschauung und authentischen Quellen. Leipzig, 1845
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