MINT / Kognition / Kybernetik / Künstliche Dummheit

„Es gehört zu den ersten und wesentlichen Einsichten der kritischen Philosophie, dass die Gegenstände nicht fertig und starr, in ihrem nackten An-sich, dem Bewusstsein ‚gegeben’ werden sondern dass die Beziehung der Vorstellung auf den Gegenstand einen selbständigen spontanen Akt der Bewusstseins voraussetzt.“

Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen

Schwaches Denken / Eine dichte Beschreibung (ohne Vattimo, Rovatti und Kollegen)

Im jovialen Ton des schlechterdings Unerschütterbaren gibt sich zuweilen die Trottelhaftigkeit ganz unzaghaft ein Stelldichein mit akademischer Bescheidwisserei oder methodischem Freelancertum. Da wird nun tüchtig gehobelt und es fallen auch Späne. Ins Auge.

In Ausgabe 14/2012 des Periodikums VALERIO, der Heftreihe der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, das sich dem Thema „Fachsprachen und Normalsprache“ annimmt, schließt sich der Linguist Wolfgang Klein, die Forke des gesunden Menschenverstands in Händen, dem großen Trupp jener Ausmister an, denen der philosophische Augiasstall, insbesondere dessen dialektische Ecke, schon seit einigen hundert Jahren ein Dorn im Auge ist und für dessen endgültige Schließung sie gut gelaunt und stets gemütlich plädieren.

Positivisten solchen Schlages bevölkern, eingeklemmt zwischen Saturiertheit, Infarktangst und Nervosität, die traditionellen Insel der Seligen, d.h. Universitäten, andere Denkfabriken, Institute, ideologische Clusterkloaken, Lobbybuden, usw.

Klein versieht seinen Beitrag „Die Sprache der Denker“ mit einem Motto Karl Kraus’, mit dem schon alles gesagt ist, entschieden aber das, was Klein daran anschließend noch zu sagen weiß. „Wer wird denn umständlich in einer Zeile ausdrücken, was man bequem in hundert Seiten sagen kann?“ heißt es bei Kraus. Wolfgang Klein vielleicht nicht, denn der drückt sich noch ohne Umstände in zwölf Seiten aus, wiewohl es mit dem erwähnten Kraus-Zitat, das seinem Text als Wasserzeichen dient, sein Bewenden bequem hätte haben können.

Kleins Auslassungen sind nicht weiter referierenswert, enthalten sie doch kaum mehr als die allerallgemeinsten Gemeinplätze gegen philosophische Terminologie der Hegel-Schule, vermutlich eine anachronistische Deckerinnerung, die die Frankfurter vergessen machen soll, Drolligkeiten aus den akademischen Lehr- und Heldenjahren sowie eine sophistische Dienstanweisung unter der Überschrift „Ein Aufgabe, die Sprache der Denker betreffend“, mit welcher Kleins Schmonzette schließt.

Denken heißt für ihn jäten, sortieren, magazinieren, identifizieren; das verdinglichte Bewusstsein des Eindimensionalen ist hier ganz bei sich, im Garten als Gärtner: „...dann bliebe die Aufgabe, das Brauchbare vom Gestrüpp zu trennen, und selbst wenn nur wenig oder nichts Brauchbares übrig bliebe, so wäre man doch durch die Lösung der Aufgabe selbst belehrt.“ (S.60) Wer wollte vor so viel gewinnendem Utilitarismus nicht sein Haupt schütteln und mit Georg Lukacs ausrufen: „Die Rohheit und Begriffslosigkeit solcher Reflexionszusammenhänge besteht vor allem darin, dass durch sie der geschichtliche, der vorübergehende Charakter der kapitalistischen Gesellschaft verdunkelt wird und diese Bestimmungen als zeitlose, ewige, allen gesellschaftlichen Formen gemeinsame Kategorien erscheinen.“ (Geschichte und Klassenbewusstsein)

Wolfgang Klein wohl eher nicht! Der Linguist gibt seinem Text noch ein zweites Motto mit auf den Weg, das nun endgültig Denken auf eine Art noetisches Mitwippen, ähnlich des Mitwippens des Fußes beim Swing, zusammenschnurren lässt: „Jai dit au long fruit d’or: Mais tu n’es qu’une poire!“ (Victor Hugo) Die Wahrheit ist also Birnensalat mit Goldborte und daher nicht essbar.

Ralf Frodermann VI 2012

PS:

In der historischen Fakultät ist wieder Debattenzeit. Jörg Baberowsky hat entdeckt, dass

Stalin ein Soziopath war, wie Tony Soprano und andere mobster. Seine Kollegen im

historischen Hühnerstall haben ob dieser Einsicht einige kritische Eier ins Nest der

Zeitschrift OSTEUROPA (Heft 4 / 2012) gelegt. Die kann B. jetzt färben.