Peter-Luder-Kapelle / Georg-Saiko-Turm

Privatissimum antisemiticum:

Schmitts „Glossarium“ (1991) und Heideggers „Schwarze Hefte“ (2014)

„Was ich indessen für eine allgemeine Entgleisung halte, der auch Sie zum Opfer gefallen sind, ist dieser absolute Irrationalismus, mit dem Sie enden, im Namen des Labyrinthes und von Paris als modernem Mythos - allerdings glaube ich, dass ihr alle gegenwärtig solche Opfer seid, wahrscheinlich unter dem Einfluss von Heidegger, einem im Hitlerismus steckenden, verspäteten Bergsonianer, der den in den Irrationalismus vernarrten Hitlerismus rechtfertigt -,

Marcel Mauss in einem Brief an Roger Caillois 22. Juni 1938 (dt. in : NEUE RUNDSCHAU 1991 / 3 S.106)

Walter Benjamins um Gunstwerbung bemühter Brief an Carl Schmitt vom 9. Dezember 1930, halb Huldigung, halb Hinweis in eigener Sache ( er kündigte Schmitt darin die Übersendung seines „Trauerspiel“ - Buches mit getrennter Verlagspost an), war, trotz seiner Betonung theoretischer Konvergenzen, doch keine Taubenpost.

Schmitt sollte der Brief des bald ins Pariser Exil flüchtenden Juden Benjamin zeitlebens als Persilschein eines akademisch zwar verunglückten, doch philosophisch satisfaktionsfähigen Schriftgelehrten dienen.

Noch Jacob Taubes zitiert ihn vollständig anlässlich eines „Streitgesprächs um Carl Schmitt“, das am 18. März 1986 im Pariser Maison Heinrich Heine mit dem Historiker Helmut Berding und dem Politologen Kurt Sontheimer stattfand. (J. Taubes: Ad Carl Schmitt. Gegenstrebige Fügungen. Berlin, 1987 S. 63/64)

56 Jahre nach Benjamins vieldiskutiertem Schreiben an den Nichtkollegen hielt es Taubes für angezeigt, sich als Mitunterzeichner des stellungslosen, um seine bürgerliche Existenz in Deutschland Bangenden zu halluzinieren: „Sie können meinen Namen auch darunter setzen.“ (op. cit. S.64)

Taubes höchste ambivalente Schmitt- Rezeption geriet in den Verdacht der Exkulpation, die sich nicht selten schnoddrig gab - ein in der Nachfolge der 68er bewährter rhetorischer Kniff, den Skandalonzündstoff einer Aussage, garniert mit den damals kaum unüblichen anti- akademischen Seitenhieben-, um etwaige Kontroversen a priori kontrovers abzumildern:

„Da wird ein demokratisches ABC abgehört, und jeder Privatdozent in der Politologie muss natürlich einen Tritt in den Arsch von Carl Schmitt geben, dass Freund/Feind nicht die richtige Kategorie sei.“ (ibid. S. 76)

Jacob Taubes starb 1987 in Berlin.

Vier Jahre später erschienen Schmitts „Aufzeichnungen der Jahre 1947 1951“ dort unter dem kassiberverdächtigen Titel „Glossarium“, im wesentlichen eine einzige Entfaltung antisemitischen Ressentiments im Tonfall des Ausbruchs.

Den verdienten Arschtritt dafür hätte selbst Taubes sich schwerlich versagen können.

Man darf gespannt sein, wer in Sachen „Schwarze Hefte“ den traurigen Ritter Gurnemanz Taubes geben wird und schon jetzt mutmaßen, dass es kein akademisch bestallter Querdenker mehr sein kann.

Auch unter denen hat es sich längst herumgesprochen, dass nur ein Erzjude wie Taubes so gedanken-, taktlos und wenig piekfein sein konnte, einen Mann in Schutz nehmen zu wollen, der nie Schutzes oder Fürsprache bedurfte, und noch am allerwenigsten von unberufener, d.h. jüdischer Seite.

Benjamins Brief blieb unbeantwortet.

April 2014