Jetzt wogte zwischen beiden Kämpfern der Streit, wie zwei Sturmwinde einander begegnen, wie zwei Gewitterwolken, ihre Blitze einander zusendend, sich treffen, und, ohne sich zu vermischen, unter dem Gekrach häufiger Donner, getürmt umeinander herumschweben.
Heinrich von Kleist, Der Zweikampf
Piano- und Pennäler- Battle: Klavierstunde als PR-Hahnenkampf im Berliner Szenesumpf ordinären Kassemachens unter den New Girls und New Boys
Man muss die Leute da abholen, wo sie sind, mit dem Treppenlift zum Beispiel das immer greiser werdende Publikum klassischer Klaviermusik in Konzertambiente.
Die allerorten ganz uneigentlich sich gebenden Jüngeren bedürfen des Wettkampfs, der naturhaften Folie ihres Berufslebens, des konkurrierenden Wettspiels und viagraähnlicher Verstärker, um überhaupt noch den Weg zum Flügel zu finden. Denn klassische Klaviermusik ist nicht nur tot, sondern hat auch längst aufgehört komisch zu riechen.
Da sitzen an zwei Flügeln zwei geckenhafte Gladiatoren in Anzug und mit Ambition und buhlen um die Gunst ihrer zahlreichen Zuschauerhörerschaft. Einmal hießen solche Entertainer Bach & Marchand, Marek & Vacek, Lolek & Bolek, Count Basie versus Chick Webb, Liberace, Glenn Gould und Victor Borge. Sie boten allesamt muntere Unterhaltung an einem oder zwei Klavierflügeln, ohne sich verbissen zum Affen zu machen oder denen Zucker zu geben, die sich selber zu Affen machen.
In der deutschen Gegenwart dieser Zeit sitzen stattdessen zwei cool-verbissene Klaviervirtuosen vom Konservatorium, Typ Schwiegermuttters Liebling, sehen einander mit grimmigen Minen an und gaukeln dem Publikum vor, Duellanten zu sein, die in wenigen Minuten Spiel mir das Lied vom Durchfall aufzuführen gedenken.
Der musikalische Platzzpatronenulk, umrahmt vom linkischen Krakeel seiner Protagonisten, gipfelt in der Aufforderung ans Publikum zu liken, seine ästhetischen Bitcoins zu bezahlen und die beiden Pianodummies mit erhobenen oder gesenkten Daumen a la Caesar zu bedenken.
Wer einmal Count Basie und Oscar Peterson an zwei Klavieren Slow Blues hat spielen hören und sehen, der wird sich von den beiden Berliner Profiteuren der allgemein herrschenden Mediokrität -hier im Bereich kulturindustrieller Bückware Berliner Provenienz - kaum Hören und Sehen vergällen, will sagen ins Bockshorn jagen lassen.
Ralf Frodermann März 2016