Flur- und Ortsnamen (Dr. habil. Werner Bremse)

Klitoris, Kitzler, Brosche:

Notizen über Kosenamen

Was sich liebt, benamt sich: Ich habe Dich bei deinem Kosenamen genannt, Du bist mein. Selten fällt der Gebrauch eines Kosenamens in die Zeit des Beginns einer Liebesaffäre. Er ist ihre sprachliche Frucht, nicht ihr Same. Ein Ort sprachlicher Liebkosung ist das Diminutiv. Die Milderung, welche noch eine Obszönität durch die kosende Worttaufe erfährt, ist dem Kompliment verwandt, das unterm Bann des Erhabenen unwillkürlich dem Gebannten entfährt.

Die hymnische Namensgebung stellte die lauterste Form der Bewunderung dar. Ihr Gegenstand konnte Anmut, ein Schenkel oder eine Sommersprosse sein. Die elegante Bewegung eines Fingers, war sie nicht nur mit dem sicheren Gebrauch des Enjambements zu vergleichen?

Wird der Kosename zum Spitznamen, ist Liebe lächerlich geworden in den Augen der Liebenden. Auf dem umgekehrten Weg kommt das rohe Bewusstsein des Wüstlings zu sich.

Wie alle Namen, so hat er auch der Kosename ein Echo, das niemals verklingt. Es rührt noch die Tauben, die Alten, es hallt zurück noch von den Toten.

Im Kosenamen ist der Eigenname eingeschlossen wie die fossile Biene im Bernstein.

Der Kosename ist weniger Kennzeichnung als Huldigung.

Ralf Frodermann VI 2012