Pestalozzi-Bau

Over-caring, „Herr der Fliegen“ und Zeit-ist-Geld-Kindheit / Pädagogisches Enrichment

Der Schulmann von heute sieht sich zunehmend der unangenehmen Aufgabe gegenüber, Zähne zu ziehen, und zwar die elterlichen seiner Klientel. Dafür ist er zwar gar nicht ausgebildet, lernt aber in aller Regel diesbezüglich rascher dazu, als es jenen fürsorgenden Eltern oft lieb ist.

Einer von ihnen ist der Gymnasiallehrer Josef Zellner, der in der FAZ vom 20. November 2013 seiner Leserschaft im salbadernden, immerzu um Verständnis heischenden Ton des Berufspädagogen erläutert, weshalb aus Nieten selten Leuchten werden: „Gerade in Zeiten offensiv-aggressiver, weil in unheiliger (sic!) innerer Symbiose mit ihrem Kind lebender Eltern aber droht die Vernunft phasen- und schubweise nach Schulaufgaben, ja nach jeder Leistungsmessung suspendiert zu werden.“ (ibd.)

Dass der kausale Nebensatz auch unter Gymnasiallehrern nur noch als nominaler Stumpf überlebt wie die Partizipialkonstruktion des Präsens als Karikatur – „weil in unheiliger innerer Symbiose mit ihren Kind lebender Eltern“-, mag hingehen. Dass aber seit Siegfried Bernfelds „Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung“ von 1925 die allermeisten pädagogischen Fragen als erledigt anzusehen und wissenschaftlich abgearbeitet sind, sollte sich allmählich bis zu den Stammtischen und Fitnessbuden bestallter Schulmänner und – frauen rumgesprochen haben.

Bildung ist bekanntlich eine Ware, und so schicken qualitätsorientierte, solvente Eltern ihren auszubildenden Nachwuchs längst wieder auf private Institute zwischen Salem und Torgelow, in der sicheren Gewissheit, damit ihren Kindern, in Zeiten pädagogischer Mangelwirtschaft das unter den gegebenen Umständen einzig Vernünftige zu ermöglichen: Erziehung durch Bildung.

Josef Zellner dagegen wärmt die schale Lebensweisheit wieder auf, wonach Erfolg doch auch nicht glücklich mache und Scheitern kein Problem sei. Diesen Mumpitz obendrein mit einem Buber-Zitat schmackhaft zu machen – „Erfolg ist kein Name Gottes.“ -, grenzt an Irreführung der Schulbehörden.

Ralf Frodermann XI 2013