Sprachlabor (VEB "Thomas von Erfurt")

10 Thesen zur Mehrsprachigkeit

    1. Früher lernte einer Latein, um sein Deutsch zu verbessern. Heute lernen die Ausländer Deutsch, um sich auch in diesem Idiom ihrer Überflüssigkeit versichern zu können.

    2. Sprechakte eines prekär Arbeitslosen (non working poor) sind komplexer als jene eines prekär Beschäftigten (working poor). Der Deutschunterricht hat dies zu berücksichtigen.

    3. Mehrsprachigkeit bietet den einen Vorteil, nicht den Raum wechseln zu müssen, wenn ich nicht von allen verstanden werden will, sondern nur die Sprache. (B-Sprache, Rotwelsch)

    4. Lingua franca bleibt Englisch. Das Englische zu beherrschen, ist seit über 100 Jahren notwendige Bedingung erfolgreicher Integration in Europa. Der Paria ist stumm: mono-, bi- oder multilingual.

    5. Unter den Prekären ist Sprache behavioristisch geworden: Reiz-Reaktion, Befehl-Ratifizierung. Dem Sprachunterricht bleibt folglich die Einübung des Imperativs sowie des „Ja“ übrig, verbunden mir der ihnen eigenen Phonetik.

    6. Nicht das Aussterben von Sprachen ist zu beklagen, sondern der Tod der Sprache.

    7. Sprachliche Polygamie ist so wenig per se eine Tugend wie sexuelle.

    8. Der innere Monolog ist zum äußeren geworden und bildet heute ein „Gespräch“.

    9. Das Lügen ist bekanntlich, wie das Sprechen, vom Kind zu erlernen. So hat der Lerner einer Fremdsprache im neuen Sprachbad nicht nur das Schwimmen (Sprechen resp. Schweigen) neu zu lernen, sondern auch das Tauchen (Lügen).

    10. Niemand, der spricht, spricht in nur einer Sprache.

März 2010