Wildbader Weihnachtsandacht und Neujahrspredigt 2015/16

Liebe Brüder und Schwestern,

also spricht der Herr:

„Der Effekt der Deindustrialisierung mit der Überalterung, Bevölkerungsschrumpfung, Arbeitslosigkeit, Verrohung und Verblödung, beschränkt sich keineswegs auf Ostdeutschland jenseits der Leuchttürme, sondern wirkt auch in den bayerischen Grenzregionen zu Tschechien, in der norddeutschen Ödnis fernab von Bremen und Hamburg oder im Duisburger Stadtteil Hochfeld, dem ehemaligen ‚Herzstück der deutschen Montanindustrie’“.

(BAHAMAS Nr. 72 Winter 2015 / 16 S.38)

Ja, und auch hier bei uns in der Kurruine Wildbad, im nördlichen Schwarzwald, wirkt jener unheilvolle Effekt. Die Zeiten der Bäder sind Geschichte, und wir, die wir noch in ihnen dahin leben, sind es auch, Gott sei’s geklagt. Aus der ersten Liga der Stümper.

Ist denn einer unter euch, der nicht im Arsch ist und der Sünde und dem Bösen nicht huldigt?

Ist denn nur ein Gerechter unter euch, der seine Alte nicht betrügt in Worten und Taten?

Ein Weibsbild, das seinen Alten von ganzem Herzen liebt, nicht bloß seinen Geldfluss, dem nur recht bald der Schlagfluss nachfolgten möge!

Junge Dirnen, junge Hunde, die kein Pöbel wären und ihren armen Eltern nicht ihr schales Leben noch schaler machten!

Nein, nur Bürovieh sehe ich, Kleingläubige und Kriecher und Katzbuckler! Vorteilsfresser und Säulenheilige allerlei After- und Aberglaubens! Miese Muscheln der Weltensee. Taube Nüsse in Gottes Garten, in welchem ewiger Frühling ist, wie es ewiger Winter ist in euren Herzen.

Die Hölle und ihr Feuer ist zu schade für euch, ihr baut euch ja auch alle Tage eine eigene.

Niemand ist furchtbarer und unseliger im Arsch als wir hier an dem Flusse Enz! Amen.

Der Baumeister des Himmels sei mit euch.

Wir singen:

Es machet sich auch auff der krumgebogne Greiß

Mit seiner Himmelbraut, und wandert nach geheiß

Auf Bethlems Mauren zu.

(Johann Klaj, Freudengedichte der seligmachenden Geburt Jesu Christi)

Vergiftet ist unser Heilbad, verhext von Lügen und immer neuen Lügen, welche die alten decken, Decklügen, Zwecklügen, Kotlügen.

Wahrlich, ihr Untoten, ich sage euch: ein giftiges Gericht ist aber auch über euer Heil- und Grundwasser gekommen, wie es euch unser Calmbacher Bruder Tack und der Wildbader Klosterabt Fozzo einst aus Gründen und mit vielem Ernste darlegten. Verdreckt sind eure Fluren und Böden. Und ihr könnt es nicht ausbessern, ihr Putzwichtel und Zuhälter des Geistes. Eure Hütten und Paläste sind aus Unrat und Fäule gemacht. Zahllose Hintertüren und Notausgänge habt ihr in ihnen gebaut, schauderhafte Lebensversicherungen in ihnen ausbaldowert, Beutelschneidereien aller Art erwogen. Büßen werdet ihr dafür, was ihr wohl wisst, doch nicht glauben könnt.

Eine Ewigkeit werdet ihr Staub sein, Schafsstaub und Abhub des Bösen. Sonderlinge allzumal und freches Gelichter von übergroßer Abgefeimtheit, immerfort schielend nach Indulgenz und indulgenten Richtern. Aber euer GOtt ist nicht gekommen, zu bringen den Ablass euch und den Freibrief, euer GOtt ist die Waage des Lebens, auf der er wiegen wird den lebendigen wie den toten Staub. Wehe euch, wehe dem Wurm!

Gehet hin nun und lernet zu glauben der Spaltung, denn ihrer ist alle Versöhnung!

Also aber spricht der Herr seinen Segen:

„Für das postbürgerliche Subjekt spaltet sich die Welt in verzichtsvolle Arbeit und triebenthemmte Freizeit.“

(BAHAMAS ibid. S.10)

Ralf Frodermann Weihnachten 2015 / Neujahr 2016 Kurruine Wildbad / Watzum