Drittmittellounge (intern)

Ekphrasis des Plagiators

Eine defensive Ehrenrettung Strategiepapier Universität Bockwurst WS 2012/ 13

(Sonderforschungsbereich „Buchmacher Doktorvater“/ förderfähig bis 2023)

Die Wiederholung genießt im Umkreis geistiger Gebilde allenfalls in der Musik Ansehen; dort ist ihr sogar ein eigenes Notationszeichen vorbehalten.

Sonst ist es eher übel um sie bestellt und noch übler um den, der sich bemerkbar wiederholt, wird er doch alsbald für einen Einfaltspinsel oder gleich für dement angesehen.

Eine Sonderform bilden jene Nervensägen, die gern Witze mit langen Bärten erzählen ( zum Beispiel den vom Übersetzungsfehler aus dem arabischen Koran, wonach nicht 72 Jungfrauen auf den Djihadisten im Paradies warten, sondern eine 72jährige Jungfrau, der andererseits ohne Zweifel verdient, wiederholt vorgetragen zu werden, weniger aus Gründen der Unterhaltung als aus Gründen aufklärender Gewaltprophylaxe) und sich nicht genug darauf zugute halten können, wie witzig die, trotz aller erschöpfenden Wiederholungen, doch blieben, und wie wiederum das witzig sei.

Nur der Anfänger im Lernen und Denken bedarf der Wiederholung ständig, so dass Drill und Pauken, wie pädagogisch je nach Zeitgeist auch immer camoufliert, nach wie vor den nervus rerum des Primarunterrichts bilden, bilden sollten.

Am Ende der akademischen Lehrzeit, des Studiums, stehen die Examina. Für einen lukrativen Brotberuf gilt die Promotion immer noch als notwendige Bedingung prospektiven Erfolgs. Doch Textproduktion in illiteraten Zeiten kommt der Quadratur des Kreises gleich, wer schreiben kann, liest viel und schreibt wenig. Wer aber schreiben muss, wie alle im akademischen Fitnessstudio, tut sich oft schwer und delegiert diese Aufgabe gern an zuständige Dienstleister, d.h. ghost writer. Dies hat zu Irritationen geführt, die auf das Selbstverständnis weiter Kreisen universitärer Würdenträger ungute Wirkung taten. Dort ist nämlich die Ansicht vorherrschend, dass eine wissenschaftliche Arbeit, eine Promotionsschrift etwa, gewissen Kriterien von Originalität, Erkenntniszugewinn etc. zu genügen habe, deren Ignorieren zwangsläufig als eine Art Leistungsverweigerung zu werten und daher zu sanktionieren sei.

Als das Abschreiben unter mönchischen Kopisten des Mittelalters noch als große Kunstfertigkeit und Ausweis kontemplativen Lebens galt, mag man die Dinge anders gesehen haben, heute ist das Kopieren automatisiert, wie im Prinzip auch vieles Denken, und ist bar jeder Dignität.

In vielen, insbesondere sog. geisteswissenschaftlichen Fächern, sind die großen Würfe, auch unter alten Hasen und Igeln, selten geworden. Den dort antichambrierenden Doktoranden blieb oft nichts übrig, als nach neuen Konstellationen alter Problem zu fahnden und nach Art des kompositorischen Formats „Thema mit Variationen“ alten Wein in neue Schläuche zu gießen, wollten sie überhaupt auf eine ansehnliche Seitenzahl ihres Textkorpus kommen. Manches Zünglein an der Waage nun hatte seinen Geschmack auf der Zunge behalten und Klagen nahmen ihren Lauf.

Unter Nieten, nicht nur akademischen, ist stillschweigendes Einvernehmen bezüglich ihrer reziproken Nietenhaftigkeit nichts außergewöhnliches, vielmehr Geschäftsgrundlage und Bonitätsnachweis. Da sie immer wissen, wovon sie reden, wenn sie von nichts reden, halten sie sich mit überführten Plagiatoren und ihren dämlichen oder klugen Wiederholungen nicht auf, sondern wiederholen kurz das kaiserliche Urteil: Daumen runter; dann kühlen sie ihr Mütchen in Gedanken an den Struwwelpeter, an das Scherflein im Trockenen oder an die Sonne der Sieger, denen nur der wiederholte Gewinn Gewinn ist.

Ralf Frodermann Januar 2013