Aus der pädagogischen Alltagsprovinz

Für die Zuverlässigkeit des Befundes, wonach unter gymnasialen Oberschülern das ironische Empfinden im Abnehmen begriffen ist, spricht die folgende Zuschrift einer verzweifelten Philologin im Schuldienst an den Rektor unserer Universität Bockwurst, ihrem Doktorvater und Seelenverwandten Bobby Holunder.

„Sehr geehrter Herr Professor Holunder,

bitte gestatten Sie, dass ich mich heute in aller Kürze noch einmal an Sie wende.

Nach Ihrem Vortrag „Erich Ponto und Oskar Werner sprechen Goethe“ haben mich einige Schüler des Abiturjahrgangs angesprochen und vorgeschlagen, den Zehnten Gesang des Reineke Fuchs, über den Sie die Güte hatten zu sprechen, mit ihnen durchzugehen.

Endlich kamen wir an die in Ihrem Vortrag so überaus eindringlich vorgetragene, bemerkenswerte Stelle X, 65 –72:

Nun vom Kamme zu reden. Zu diesem hatte der Künstler

Pantherknochen genommen, die Reste des edlen Geschöpfes,

Zwischen Indien wohnt es und zwischen dem Paradiese.

Allerlei Farben zieren sein Fell, und süße Gerüche

Breiten sich aus, wohin es sich wendet, darum auch die

Tiere

Seine Fährte so gern auf allen Wegen verfolgen;

Denn sie werden gesund von diesem Geruche, das fühlen

Und bekennen sie alle.

Nicht nur mit ungläubigem Staunen, nein, mit durchaus glaubhafter Abscheu nahmen Schülerinnen und Schüler den kolossalen Schabernack Reinekes hier zur Kenntnis, will sagen Unkenntnis, und auch meine Freude über den dichterischen Spaß machte mich in ihren Augen nur hassenswerter; jedenfalls schien es mir so.

Sie sagten doch immer, eine geknackte Nuss sei noch keine Erkenntnis, aber unsereins muss ja schon froh sein, wenn’s eine taube findet.

Mit freundlichen und verbindlichen Grüßen,

Ihre alte Elfriede Olbrich (geb. Lüztow!)“

Mai 2014