Lachforschung

Humorverdacht

Der Weise lacht nicht ohne Zittern.

Baudelaire

Ja, da unten in den düstern

Jammersphären der Gesellschaft,

In den niedern Tierweltschichten,

Brütet Elend, Stolz und Groll.

H. Heine, Atta Troll (Kapitel VI)

Als der wieder einmal betrunkene Schauspieler Peter O’Toole wieder einmal von einer alten Vettel auf der Damentoilette mit den Worten „Dies hier ist nur für Damen!“ voller Empörung angefahren wurde, erteilte er, beiläufig zu seiner wässernden Rute hinunter blickend, wieder einmal den Bescheid: „Der hier auch.“

Heute, da der Weg ins Zuchthaus mit guten Scherzen gepflastert ist, würde der Mime für eine solche, eines Rabelais würdige Schelmenhaftigkeit mit strafbewehrten Maßnahmen zu rechnen haben.

Unterm herrschenden Respektdiktat rückte Humor in Delikt- oder Klappsmühlennnähe.

Spaßvögel in bunten Jacken lebten zu allen Zeiten gefährlich; Lachen verheißt Lust- statt Tauschprinzip und steht in der Krise leicht unter Generalverdacht. Defätisten wie Aristophanes, die Marx- Brothers oder Monty Python sind so gut wie unbekannt geworden, Archivalien.

Der Reliktcharakter des Humors ist mittlerweile wahrnehmbar. In der Welt der Lohnabhängigen ist er aus Sicherheitsgründen auf ein infantilisiertes Maß eingeschmolzen oder ganz verpönt. Ein Witz, eine Schlagfertigkeit wird zunächst auf Beleidigungsgehalt überprüft, erst dann auf Komik.

Salonfähig ist wieder der sauertöpfische Lachfeind geworden, dessen Anti- Hedonismus gern für außergewöhnlichen Ernst durchgeht, der dem, der das Leben wieder zu meistern hat, sowieso besser ansteht als lose Reden.

Mit der Austreibung alles Lebendigen aus dem Leben hatte die Moderne alle Hände voll zu tun. Dieser Teil des Zivilisationsprozesses kann als ebenso abgeschlossen gelten wie der ihn beherrschende Geist ubiquitärer Uniformierung.

Der postheroische Schlappschwanz legt dennoch Wert auf Etikette. Sein Knigge ist auf einen zentralen Merksatz, sein Mantra, geschrumpft:

Wer zuletzt lacht, ist nicht bei Sinnen.

Sein Humor ist der Humor des Humorlosen, d.i. der deutsche Humor (Zote, feixen, Häme, Schadenfreude usw.), nicht recht vereinbar mit einem Epikurismus der Heiterkeit und homerischem Gelächter.

Ralf Frodermann II 2013