Versessay 2016

Beitrag zum Essay-Wettbewerb 2015/2016 der Klaus und Renate Heinrich-Stiftung /

„Brauchen wir noch Gedichte im digitalen Zeitalter? Tragen sie noch etwas zum Selbstverständnis der Gattung bei?“ / Ein Versessay und consilium abeundi; u.a. betreffs Ann Cottens Mumpitz Verbannt! Versepos. (2016)

Vorbemerkung

Karl Shapiros Essay on Rime aus dem Jahr

1945 - ein seltener Wurf seiner Art in neuerer Zeit -

machte noch einmal dem Genre des Versessay Ehre;

zu beider Gedenken wollen auch wir, heikel

genug, den Versuch in hebender Weise, auch

fallender wohl wagen.

As poems have testified for centuries,

we become lyrical when we suffer, when we love.

James Longenbach, Lyric Knowledge.in:

„POETRY“ February 2016. Vorher noch

ist als Gewähsrfrau zu nenen: Renate Homann

und ihre Theorie der Lyrik (1999); freilich auch

'Die vier Zeilen

Nun muss ich gar

Um dein aug und haar

Alle tage

In sehnen leben,

die ich zu dem Unwiderstehlichsten zähle,

was jemals deutscher Lyrik beschieden war'

(Adorno, der zum Unwiderstehlichsten

sich zählen lassen muss, was

je deutscher Selbstverständigung

beschieden war)

Nicht wider Gedichte.

Ein Versessay

A little learning is a dangerous thing;

Drink deep, or taste not the Pierian spring.

Alexander Pope, An essay on criticism

I.

Im Bild bleiben

In gebundener Rede, hohem Ton spricht kein

Mensch sich mehr aus, ein Gesang weder tröstet

Noch weckt ihn, den Wachsamen. Schweigend

Stößt das rhythmische Wort den Schädel sich

Ein im Sarg seines Selbstgesprächs. Am Anfang

war das Brot und das Brot war bei Gott.

Der wusste, wo Barthel den Scotch holt.

Der Dichter spricht nicht mehr, er feixt:

Ein kluges Hirn hat aufgehört zu denken,

Man wird sich lang noch seine Bücher schenken.

Man wird sich lange seiner rühmen,

dem feinen Herrn, dem Ungestümen.

Im selben Licht wie einmal fabelhaft

Beschworen:

Sie gehn umher, entwürdigt durch die Müh,

sinnlosen Dingen ohne Mut zu dienen,

Brauchen wir noch Brot im Zeitalter

Der Brotfabriken? Oder Autos

In jenem der Verkehrsunfälle?

Oder Emanzipation im Konkurrenten-

Laden?

Der Geist der Kioske schwebt über

Den Pfützen, sinnend blickt in den

Abgrund vor ihnen ein Durchschnitts-

Narziss, küsst seine Wasserbrauen

Und schlierenden Atem, innehaltend,

nicht sich ereifernd in den digitalen

Wunderkammern.

Jene nicht, die eminente Textbausteine

Verlöten in Vertrag und Verabredung,

Verbauen in die Wiederkehr des Immer-

Gleichen, gleich Unbezahlbaren.

Jene Eiferer eifern nicht.

Gesetzt, du hörtest im Hörsaal,

Im übervoll besetzten, im Omnibus

Voller ängstlich erpichter Jonasse,

Im Aeroplan, einen Psalm Davids,

Goethes, einen Blutsturz

Trakls, ein Gerinnsel Celans?

Spricht der Gott binär?

Das kümmert kaum noch die

Unhappy few –

Sorgen wie diese, muß, gern oder nicht, in der Seele

Tragen ein Sänger und oft, aber die anderen nicht.

Im mokanten Ton des Klugscheißers, die stiften,

Was bleibt, und eintunkend den Schnabel in den

Aviation-Cocktail, sprach blubbernd der Dichter also:

Lieb-, Natur- und Dinggedicht,

Einfalts- und Gedankenlyrik,

Dies und jen’s erfreut mich nicht,

Ist auch nicht genügend schwierig.

Meine Feder ist mein Finger

Und mein Arsch das Tintenfass,

Spiel’ damit den Überbringer,

Mache jede Jungfrau nass;

Bilde selten Zwergobst aus,

Und mir darauf gar nicht ein,

Dozenturen kommen mir ins Haus,

Schon mal sag’ ich dazu „NEIN!“.

Wollte einer sich bedünken,

Mich zu schelten einen Lump,

Müsste ich vor Scham versinken

Und fortan besteh’n auf Pump.

Wer wollte nicht die Lippen kosen,

Die solches sprechen, twittern,

posten, mailen und versenden!

Gedichte auf Kalenderblättern, in Poesiealben

Der Betschwestern, in Traueranzeigen,

Geburtsanzeigen, Hochzeitsanzeigen, Bekanntschafts-

Anzeigen, andern Sehnsuchtsorten, in

Anthologien, den blödsinnigsten Programmen,

Immer schielend aufs Geld, zugeschneidert

( „Schneegedichte“, „Hundegedichte“, „Blumen-

Gedichte“, Abtrittsgedichte“, „Fickgedichte“,

„Für-jede-Gelegenheit - Gedichte“,

„Fuck-Gedichte – Gedichte“)

Und nicht klingend, nicht atmend, Müll,

Wording, wordingmüllwording, WMW,

Da ist keine Saite mehr, da ist kein Boden

Für Resonanzen, Leere und Raum und Horizont,

Da ist keine Saite mehr, kein Auge trocken

mehr, da ist des Gesanges Bleibens nicht mehr.

Auch nicht der Serpentine Schwung, welcher

Enjambement genannt wird, nicht der Fußvers

Aus Akzent und Beat, der Takt und Rhythmus

Bindet zu Strophe und Gegenstrophe,

Schließlich zur Deklamation und rhapsodischem

Vortrag. Und war einst auch der Sänger

Bescheiden und ein Heros der Muße, –

Und wirklich, ganz zufrieden wäre ich mein Leben lang,

selbst wenn ich wenig hätte für den täglichen Bedarf. –

So drängte bald es ihn, neben den maudit,

Die ganze Palette der Lumpen zu geben;

Auszusingen auch schwarzen Gesang, lyrische

Ontologie, denn kam nicht die Sprache zur Welt,

Sich und ihr sich auszusprechen?

Die ganze Liga der Schweigsamen zu geben,

In Prosa, Gedicht und Prosagedicht,

Und immer nur kohldampfend zu bleiben,

Mein Hunger, der an keiner dieser Früchte hier sich stillt,

Er trifft in ihrem angestrebten Fehlen gleiche Würze.

Die Ohren der Filet-Stroganoff – Fresser, in

Ihrer angestrebten Völle, hören den Ton nicht,

Sind sie gleich getroffen von seiner Samtigkeit:

Brauchen wir noch Fragen in fraglosen

Zeiten? Außer den pragmatischen nach

Zeit und Geld, nach den Enden der Diagnosen

Und den andern Enden. Das Gedicht ist

Nicht die Frage, es weiß die Antwort

Nicht,es klatscht, der Welle gleich, gegen

Das Riff, / lest nicht die Fahrpäne, lest die WhatsApps! /

Gegen den Splint, gegen die tote Tür, gegen

Das blinde Fenster, gegen die Mühelosigkeit.

Doch ist das Lied nicht der ideelle Gesamt-

Therapeut, wie Gott einst, vielmehr ist's das

Diebische Vergnügen in diese Welt, denen

Der Kriminalist nichts anhaben kann. Brauchen

Wir noch Verbrechen in kriminellen Zeitaltern?

Oder Villen in Baden Baden? (s. Benns Annonce

Und das BRENNERS-Gedicht in Wort_Zone

Heft 3 2016) Respekt bleibt Teil der Grund-

Ausstattung wie sein Vergessen:

(Und es verzeihen sogar gelegentlich die Frauen,

Wenn man mit Anstand den Respekt vergißt.

FAUST P a r a l i p o m e n a)

Braucht des Gedicht noch uns? Hält der Schein,

Bricht der Bann? Darf man nach R. D. Brinkmann

Noch schlechte Gedichte schreiben? Und den

Humaniora, nach ihrer Geschlechtsumwandlung

Mit Digital Humanities anzusprechen, zumuten,

Den eminenten Texten nachzuspüren? Unabweisbares

Ward abweisbar, Leere Fülle, Wahrheit Ding,

Glut Formel, Blick Scharfblick, Angst Alltag, X U.

War am Anfang das Wort? Am ephemeren Anfang.

Das Gebet, abgerutscht, das Gedicht, lehrerlecker,

Expertenwissenschaft Verslehre, überkommen, hüte

Den Garten für spätere Zeiten, trostvollere.

Graffito 1

„Bevor der Delinquent verbrennt,

Auf ihn noch ein Gedicht verschwend!“

Pathos aus Zinnober und Nebelkrähigkeit,

Reizsucht und Tineff, Lügen und Lüge,

Haben sie alle nicht bessre Tage gesehen?

Kommt die Rede aufs Eingemachte,

Ist Sein Peinlich-Berührt-Sein.

Nutzloser Singsang, lästiges Gesumme

Der eitlen Polierer und Federmelker.

Graffito 2

„Widerlicher als dein ‚Du’

Ist dein dummer Senf dazu.“

Antiquitäten, Mensch und Gedicht, leiden

Das Schubfach, die Aufbewahrung in der

Pfandleihe; wer mag sie auslösen?

Seine Zeit in Gedanken fasst das Gedicht

Nicht mehr. Wohl die Affekte von Narren

Und Närrinnen, die aus ihren Bauchnabeln

Mit Schnabeltässchen ihren Ichsud saufen.

Denn wer, verdammt, möchte nicht auffliegen,

Mit den Zugvögeln fort!

Deine Brüste an meiner Brust.

Die Seelen öffnen ihr Grab.

In den Gängen (Musuem für moderne Poesie),

Den Fluren und Paternostern, herrscht

Keine Aufregung; Geschäfstberichte, hexametrisch,

„Ihr Klingelton? Pentatonisch?“ Dass ich nicht lache!

Intermezzo „Das Andienen“

gedichte andienen, jim morrisons gedichte

andienen, beatniks andienen, hoffnungloses

lehrergetue, leere geste, in den wind schießen,

bedeutend himmelwärts lugen, beten, pauken,

statt „gib mir das geld“ sagen. bob dylans

lyrics andienen, flugblätter abwerfen, über

den köpfen der eiskalten. sendungsbewusste

zusteller – „Erwachet!“ – „ich leg’s Ihnen ins

traumfach.“ nach dem essen träumte mir

vom essen, nach dem trinken, vom trank.

(vgl. Poetisches Transitivitätsgesetz: wer Dylan

mag, mag dann Mörike, Ovid und die anderen

Sackpfeifer irgendwann, Jesus on the Rock usw.)

Das Wort, ’das Herzen mächtig bindet`,

ist schal geworden, und sinister jene

Herzen, denen es war zugedacht.

Intermezzo 2 „Das höhnische Verdammen“

gedichte höhnisch verdammen. in gedichtform

die sau rauslassen, gelehrtes einfärben

immenser dummheiten,

‚mach aus dem transitiven verb

die scherb’, die g’reimte scherb!’

komm in den totgesagten vers und lausch.

nur noch der gauch, der sich für

einen dichter hält, braucht das gedicht.

wer, wäre er nicht, postulierte noch

den kram, proklamierte noch den alten,

ewig aufgewärmten seim.

(nicht die kost eines dr. strabismus, gar nicht!)

„sind nicht die gedichte ausgegangen,

wie die arbeit ausging?

erzähl mir doch davon,

heinz von enchiridion!“

„ich bin der enchiridion heinz,

und dichte wie sonst keins!

bisweilen wird das herz mir schwer,

dann schreib ich dichtung für und für;

dann stürmt übers blatt der federkiel,

nichts ist zu mager oder mir zu viel,

was ich nicht halte mit dem stift,

im geist des dichters rattengift.

dir mag die arbeit ausgeh’n wohl,

mein geschäft ficht das nicht an,

mir welkt dahin kein lebenskohl,

was ich nicht fühl, ich halt mich dran,

was ich nicht seh, ich’s zieh es näher,

vom wort die haut ab, bin ein bläher.“

Brauchen wir noch die abgelaufenen

Lebensmittel? Die Konserven, sie

Bleiben haltbar zwar, doch nähren

Sie dich? Schotten sie dich ab

Von Hunger und Durst? Du machst weiter

Den Grenzwächter, den Wärter,

Auf deiner Ichlinie, dem Niemandsland

Zwischen Sattheit und Hunger, von

Wo der Grenzgänger einmal sichtbar war,

Der die Träume dir echote,

Und dein Erleben erlebbar dir machte.

Als das Wort bei dir war, Parole

Fürs Paradies, d.i. von der Suche nach

Erlösung erlöst.

Von der Suche nach Erlösung erlöst

Nicht die Suche nach Erlösung. Und

Von der Suche nach dem wahren Wort

Nicht die Suche nach dem wahren Wort.

Das Korn, das du gefunden, ist nur das

Auge deines Mithuhns, kein Korn.

Woran aber hat das Wort noch seine

Wahrheit, geht der Wechselkurs des

Wortes gegen Null? Und der Wortschöpfer

Über zu den Irrlehrern? Und der Hörer

Zu den tauben Gläubigen, denen alles

Nichts ist und dies Nichts ihr Geschäft,

Ihr hohler Wohlklang, in ewiger Emsigkeit

Und emsiger Ewigkeit, mit Vorbehalt

Amen.

Aus dem lyrischen Periodensystem

Entschwanden die Elemente. Eloge

Und Elegie, seit dem Ernst der Kampf

Angesagt, ist euer Klang ein Missklang.

Und wie der Revolver spricht:

„Ohne den Schuss kann ich nicht sein“,

Spricht der Gedichtfreund:

“Ohne Gedicht bin ich ungern allein.“

(Das Bewerbungsgedicht

Geboren bin ich wohl einmal,

Diplome zahllos auch an Zahl

Stecken hinterm Spiegel mir,

Zu finden leicht im Anhang hier.

Erfahrungs- und erfindungsreich.

Abkömmlich leicht von jetzt auf gleich;

Bin ich die Fachkraft, die Sie suchen,

Falls Sie nicht Profit verfluchen

Und die selt’nen Expertisen,

Welche macht aus Mäusen Riesen

Welche oftmals nur übel klafft

Zwischen können und gekonnt;

Diese hab ich mir verschafft,

In dieser mich so lang gesonnt,

Dass ich Konkurrenten blende,

Mich für meinen Job verwende,

Und mit klarem, sichrem Tritt

Arbeit leiste, Schritt für Schritt.)

Brauchen wir noch mehr Afterlyrik?

„Gar nicht erst diskriminieren!

Brauchen wir dringender als

’ne Kuh ’ne Zuckerzange!“

Verlorener Posten ward markiert:

Ich kämpfte ohne Hoffnung, dass ich singe.

Vers, den meine Tage suchten, ist der Mitternacht geglückt,

Sternbild unter Sternbilder hat er feiernd mich entrückt!

II.

Lyrischer Overkill

Lyrische Regression ist gesteuerte Regression,

Du kennst das Land, wo die Sublimationen blüh’n?

Andernfalls nimmst du einen Reiseführer zur Hand,

Sagen wir Scaliger, sagen wir Brecht oder Horaz,

Ronsard oder andere Ladenhüter ohne Laden.

Sind denn Gedichte nötiger als die UdSSR?

Weißt du nicht, dass Gedichte schön sind

Und manchem noch von Nutzen? Des Trostes

Bedürfen wir allzumal. In den Zeiten, da nicht

Nur die Gletscher zu schmelzen begonnen haben,

Sondern längst auch die hinfällig gewordenen

Höhenzüge vergangener Zeiten, als da wären

Petrarca und sein Chor, William Blake, Esq.

Und die anmutigen Anderen; Hinterslichtführer,

Byronisten, Atemspender, Herren im Damensitz

Und vice versa, alles voller Schimmel,

Voller Gestank, alter Knackerfuß (der alte Menzel

Hat seinen gemalt), schwarzer Ausfluss und

Grüner Schleim, gelb-grüner.

Nicht zu allen Zeiten deines Lebens liest du das

Gedicht; Jahresringe würgen, und das Wort ist

Ohne Magie doch nur ein Wort.

O, du bleischwerer Echtermeyer, du Riesenrad Conrady,

Allein mit unserer Verrücktheit und Lieblingsblume

wissen wir, dass nichts wirklich bleibt, über das man noch schreiben könnte.

Also sprach John Ashbery in Spätes Echo.

Wenn alle einsam sind, ist der Dichter kein

Einsamer mehr. So viele Tropfen, die keinen

Stein höhlen, so viele Blitze, die keinen Baum

Spalten, so viele Winde, die kein Segel blähen.

In den neuen Gartenlauben dichten die Dichterinnen

Und Dichter, fabelnd übers Gespür für das Diese

Und das Meine, ewige Raupen, vom Schmetterling,

Seinen Farben farblos träumend.

Ein Antwort ist eine Frage, durch die ich habe gehen

Können.

Aber durch ein Nein kann ich kaum gehen.

„Nein, wir brauchen keine Gedichte im digitalen

Zeitlater. Odi profanum vulgus et arceo

Hin oder her.“ Auch ein neuer Beweis

Der schäumend-überschäumenden

Phantasie, der hässlichen Magd der

Marketingerinnen und Marketinger, ist

Wohl uns entbehrlich –

Notice Neptune, though,

Taming a sea horse, though a rarity, -

Wer wollte mit Gründen es leugnen!

Verklebt sind die Verse und falsch ist alles,

Was ihnen gleichen will, Kunstspringen,

Schielend auf Haltungsnoten und Preisgelder,

Oder das Schildern des Kiebitz bei der

Mauser eines Kollegen. Lass doch, lass doch.

damnosa quid non inminuit dies ?

Als Ulk und Schabernack, Zeitvertreib und

Allotria, Taschenspielerei, auch wohl

Neunmalkluge, Kitzelkram und köstlicher

Tick, als Trick und Knittelvers und bunte

Jacke aus dem Hausiererfundus mag das

Verselöten weiter gehe. Einen Strom aber

Leitet das morsche Material nicht mehr.

„Doch das Dunkel fragt“ (Ernst Meister)

Wer knackt Witwen noch mit Gedichten?

Wer noch bezwingt den Widerstand junger Weiber

Mit priapeischem Lied und überredendem Gesang?

Wen tröstet ein Wort und wer wüsste eines?

Wem diente das Andenken? Wer führte es aus?

Distant thinking?

Wessen Misstrauen schürt das Gedicht?

Gedichte stoßen dich ab, was aber lenkte

Auf sie den Hass? Den Hass nicht bloß der

Kretins, den Hass auch der Eiseskälte.

Wehe den Verwundbaren!

Appendix / Ein Gedicht

Concetto

gebildeter Ignorant, gepanzerter Nackter,

stummer Sprecher, reicher Bettler,

beglückender Irrtum, gesuchter Schmerz

Giambattista Marino

IN GEORGETOWN

Holiday Inn, Washington, D.C.

This is not where the rich and famous pursue their lifestyles.

This is exactly like the Holiday Inn in Troy, N.Y. where I stayed recently.

It is near enough to exactly like the Holiday Inn where I stayed in Tucson,

In Casper, in Chillicothe, in Opelika, in Portsmouth, in Bellingham, etc.

A mirror in a fake gilt frame, brass bed-lamps attached to the walls by hinges.

“Fax Your Urgent Documents To or From This Holiday Inn Hotel.”

From time to time the smoke alarm goes off for no reason. Eeeeeeeeeee!

Thumps on the door, an anxious black lady. “Are you all right in there, sir?”

I climb up on a brocaded chair and disconnect the smoke alarm ruthlessly.

Meanwhile the rich and famous are pursuing their lifestyles two blocks away

In their cute four-story federal brick houses with porticoes and flagstone steps.

Fucking each other’s wives in the dens and laundry rooms and pantries.

This is called a party. Some are Democrats, some Republicans, all are fuckers.

They are emboldened by bourbon and vodka and the anticipation of power,

Tomorrow they will arise hungover and wield the resources of the nation.

Sweetheart, it’s a long way from home, miles and miles from your warm bed.

Melodiously at the door: “Are you all right, sir? Are you all right in there?”

No literature, whatever that is. A mess of words analogous to a mess of feeling.

Hayden Carruth an Jane Kenyon 29. April 1994

500 Verse für Gaspara Stampa (1523 - 2023)

1 - 50

Der kommende Aufstand der Anständigen

ist im Nebenzimmer - pfff - abgefurzt worden,

Schwefeltapeten bezeugen die Abfuhr und alles,

was Nasen trägt, erbricht sich erschüttert.

Flucht in den Unmut; Umweg über R. Alberti

oder Saint-John Perse (Name von der Red.

geändert?), TARDIS hilf! Nicht nur in

den Rauhnächten, nein, droht der

Scheidebecher, TARDIS hilf! Hilf auch der

Monroe gegen die Tiere aus Camelot!

Gertrudis Gomez de Avellaneda singe

ihr ein Schlaflied, singe nur ihren Namen,

A V E L L A N E D A. Steht nicht, wiederhole:

nicht! im catalogus professorum anywhere.

(vom stoffwechel zum stupor)

so war doch das, was meine Mühsal

vermehrte, daß ich mit meiner ganzen

Selle nicht finden konnte, wovon

freizuwerden ich mich sehnte.

Seine Exzellenz John Bunyan in seiner

Selberlebensbeschreibung, aus welcher zu zitieren

Mr. M. Lowry für angezeigt hielt, alas,

oder nicht, d. i. Gott sei Dank. Pijökel, (halbe

Flasche), Noilly Prat (halbe Flasche) und

Eiswürfel, das ist die heilige Kommunion.

Oder der Elena-Ferrante-Cocktail, wohlsein.

(Freundlichst hatte ich mir ausbedungen

- an der Wiege war's mir nicht gesungen! -,

Lust mit Lust nur zu vergelten,

wenn ich unter Himmelszelten

frönte froh der Fleischeslust;

ach, wie ward mir oft bewußt,

daß mir wieder nur beschieden

Heuchelei einer Frigiden.) stylus phantasticus,

kein Fernruf, kein Mobile, wenn's

beliebt, Beleibter. Ist dein Kritisches

Wäldchen schon abgeholzt? Applaus

vernehmbar, na, auf offener Bühne,

noch vor dem Vorhang? Alter

Steißtrommler, Eiszapfen und Eisarsch

und Eiterbeutel, Schabrackengünstling!

Wer hielte dich auf? Kat exochen eine Nixe,

die, aus Kot geboren, dir deinen Aal poliert,

dass der Sud aus allen Augen trieft.

Wer hat, der hat, du glattes Aas.

Belaqua Guten Tag wünschen, die Küste

anlocken, die Muße nicht verwünschen;

Vergil und Merlin, verdinge sich keiner

als Unterweltführer! konkav, konvex,

dir sagt's die Hex', sagt's der Fex.

51 - 100

Grinden, Mann, lass uns grinden,

Im Januar. Zu hören bis zum Ural.

Und Fritz Kochers Neue Aufsätze

im Ranzen sind nützlich, wer weiss.

Für semantische Mülltrennung und

gegen Faulgase der Denkfaulheit, wie

man sagen könnte im Blick auf das

verschimmelte Zwergobst der Mandarine.

Happiness is a Cigar called Hamlet.

Eddi und Marlene,

die haben gut gespeist,

ich w ar ja mitten unter ihnen,

denn ich war nicht verreist.

Happiness is a Cigar called Hamlet.

Who'll try my sweet prime lavendula

I cry my introit in a Dirige-time

Come buy for summer's weeds, threnodic stalks

For in Jane's ditch Jack soon shall white his earliest rime

(Lady of the Pool -Section of THE ANATHEMATA

by David Jones, Euer Hochwürden, gar

glänzend, glänzende Abseitigkeit, doch

verworfen gar nicht. Kommetar heranziehen:

Was Gegenwart und Vergangenheit

gemeinsam haben, ist wesentlicher als

jede für sich allein.

Mr. Beckett considers accurately.

"Tenorieren, ja, Kollega, das ist die

hohe Kunst, die Schamteile der Dinge,

Pudels Kern, fragen Sie Pontano!"

Giovanni Pontano, immer für eine Maskerade

zu haben:

Transe: Bin ich endlich ein Mann,

eins

wird sich nie ändern.

Was?

Mein Weiberhass. die nachweldt

beckomt nicht in hundert Jahren

wider ein solch Talent. Haydn aus

London Dezember 10 1791. Mozart

gestorben, wie ist das möglich!

Den Riechfläschchenverkäufern und

den Theaterschauspielern (A Game of Chess,

by Thomas Middleton, ich bin der Bauer, du

ein König und sage: 'hoffentlich ist morgen

Weltuntergang, dann muss ich nicht

arbeiten und du nicht regieren')

Betrugsberatung, Mobbingberatung,

Abteibungsberatung, Berater beraten,

'gebe dir einen Rat' sagte

Mühlstein zum Weizen.

(Da sie ihr Herz umgibt mit starrer Rinde,

Und ringsumher aus Eis ein Bollwerk baut,

Und mich nur liebt um meiner Lieder Laut, -

Wie kommt's daß ich mich ihrer nicht entwinde?

Was frommt's, daß ich den stolzen Namen künde,

Was nützt mir dieser Name hold und traut?

Herrin, noch ist mein Haar nicht so ergraut,

Daß ich für dich nicht eine and're finde,

Amor ist wie ein Kind und redet wahr:

Du bist weder so schön, noch sonst so wunderbar,

Um eines Herzens Treue zu verschmähen.

Längst welkte meiner Jugend Frühlingskranz,

Doch liebst du meines Haars herbstlichen Glanz,

Wird gleiches dir von mir in deinem Herbst geschehen!

Pierre de Ronsard / Übs. Irene Kafka)

101 - 150

Klopstock, alter Trouveur, du predigest

nicht das Ammenmärchen, das miese, das

jene, die in Seinsobhut da pfeifen

und singen "Tod gehört zum Leben",

Denn die Stunde, die uns traurig umwölkt, gehört

Zu den Stunden des Lebens nicht.

Empfindsamer Screwballer, wie liebe

ich dich, pflücke ich und pflanze

Dein Wort in den scheuen Schädel mir.

Unter uns: da soll's welche geben

mit so geringem Vetrauen, dass sie nur

mit Sicherheitsnadeln in den Lidern

zu Bett gehen, Worte amputieren,

Haplologe - Gegenteil von Philologe.

Gesang/Gebell: Kleines Intermezzo mit

salvatorischer Klausel? (Römische Elegie XVIII

Manche Töne sind mir Verdruß, doch bleibet am meisten

Hundegebell mir verhaßt; kläffend zerreißt es mein Ohr.)

"Köter, lieber Köter, wo hast du gesteckt?

Bock, lieber Bock, wer hat mich geweckt?

Das Blöken und Bellen, ich hab's nicht vernommen,

warum ruft ihr mich nicht, ich wäre gekommen."

Idyllenabsahner sucht Landsitz:

Oft würd' ich bey sanftem Mondschein bis

zur Mitternacht wandeln, in einsamen frohen

Betrachtungen, über den harmonischen Weltbau,

wenn unzählbare Welten und Sonnen über mir leuchten.

Du bist, was Tausenden genommen

ist. Haste gewusst, haste entstaltet.

"also findet kein Stillstand statt,

bis nicht die ganze Unmenschlichkeit

des Menschen sich offenbart hat." (B.B.)

Ein Erweckungserlebnis noch nicht, keine

'Nacht von Genua', keine Pozzi! Da

sitz man deine Zeit auf dem Wasserblatt

ab, du oller Frosch. In deinen Laichgrund

laicht auch der Herr Professor ab, in den

Jahrbüchern und den Akten, den Bulletins

und periodica preziosa, den Fibeln und

Revuen, den Börsenkurs und Stellenwert

seiner Däumlingskarriere auf die Sprünge

helfen; den anderen Damen und Herren und

Nix am Zeug flicken immerzu, peer review seit

Jesu Geburt. Schon hebt der Froschgesang

an! IchsehedichintausendBlättern.

Um ewig anzuheben, niemals zu fallen,

zu zittern wohl im Schilfigen,

im Knick fast brechend, doch ewig

Linderung suchend im 'seit ein Gespräch

wir sind'. Robert aber dachte: Nein!

151 - 200

Das muß draußen herrlich sein!

Draußen, wo die alten Freunde

immer noch spielen,

daz sie sich niht enrachen

und niemer kein wort gesprachen.

(Der Stricker, Daniel von dem

Blühenden Tal 5595/5596),

krabbelt unter seinen Stein,

wer einen gemietet bzw. gekauft.

Von mageren Zehrpfennigen,

Hypotheken lenkend wie

andere früher Gäule, ganz

früher andere ein Schicksal.

Wie Hesiod:

Jetzt ist ein Tag stiefmütterlich, jetzt ein anderer Mutter.

Glücklich aber und selig der Mann, der alles dies

wissend, so sich verhält, vor Göttern, unsterblichen, schuldlos,

Fleißig die Vögel beachtet und fremd bleibt jedem Vergehen!

Im Freudenhaus sterben, wie Höldelins Sinclair einst,

Als Reblaus sterben, wie du einst:

Wen, der dich hasste, tröstete

das nicht? Wen, der deine Abfahrt

ins Schattenreich zu fördern suchte

mit Handlangern und Geiwssenlosen

und Schubiaks und Beutelschneidern

schmierte nicht den Gang der

Dinge, dich zu malträtieren,

zu waschen den Schädel, den

stumm schreiend gehassten! Das

muss herrlich sein!

Oder wie der Narr:

Herrsche! Verwerte! Vernichte!

So geht deutsche Geschichte.

Und weil es für alle was gibt,

Ist sie bei allen beliebt.

201 - 250

Kleiner Exkurs zur Engelssprache

nach P. Lombardus ist jetzt un-

verzichtbar.

Aber zuvor Zeit und Geld her

für :

Die Missoni-Klamotten bleiben im Schrank,

die Engel auf den Nadelköpfen, den

wartenden Narren gefällig aufwartend,

indem sie aus Cititzen Kanes Gedichtband

Angenehmes Ableben die Rosinen

picken oder aus Quarber Merkur die

gottverdammte Zukunft. Boudicca!

Je künstlicher, je wurzel- und

heimatloser, um-so-dessto besser so.

Zunächst mit Madame Glyne zu Tisch, der fabelhaften

Elinor, dem Engel, der noch wusste, dass

Müssiggang aller Freuden Anfang ist.

Potz Blitz Brause! Prosimetrum hin,

Sündenfall der Engel her, wen mag das

noch reuen? Zwei Engel gegen eine Hure?

Das ist die Logik des Petrus Ramus,

nicht meine, da passen wir doch lieber.

Und halten ab von der Gemeinde

zwei der ärgsten Menschenfeinde:

Tod und Arbeit. Arbeit, Tod zum Teufel!

Mag das der alte Czepko in neuen

Monodisticha aussingen. delire

de toucher. Mein Haus ist dein Haus,

solange mein Haus mein Haus ist,

und du kein Kind von Traurigkeit,

meine schöne, überhitzte Sabinerin.

Ihr Hund, ein lieblich-scheuer Setter,

schrieb in sein Tagebuch: Ich kann sagen,

seit gestern fühle ich, daß ich

ein Hund bin. Mein Engel, seit

gestern nicht erst fühle ich, daß ich ein

Hund bin, so ungetröstet ohne dich

und dein Geld und deine hochgesteckten

Haare, liebe mich jäh! Den Mietschreiber

/Innen aber schieben wird ihren Stock

tiefer in die wurmigen Ärsche. Die

Reitvorschrift für eine Geliebte hast

du dir wohl vorgenommen? Hast du mich

doch nur ein Weniges unter die Engel

gestellt. Ohne Sittenzeugnis, ohne lex

specialis wollem wir uns einquartieren

im Hotel der Engel, Hunde willkommen,

Hundesöhne aber nicht.

Da fährt eine Farbe in den Morgen,

da fährt ein Glück in mich.

251 - 300

Fromme Lügen zum Nachtisch,

sperr mich ins Sterbezimmer,

da kann ich jeden Tag

Knöpfe sortieren

von Asche bis Puttel,

bis die Themroc-Schnauze

voll ist und ich freiwillig

kündige mit den Worten

Ich kündige freiwillig.

Mit einem Vers:

Solche Gedichte, meine braune Geliebte,

könnt' ich dir noch viertausend und einige dichten

an Einem Nachmittag,

und die würden meine vielen verehrten

neuen deutschen und neuesten jüdischdeutschen

lyrischen Brüder sicher furchtbar rühmen –

aber du bist mir zu lieb dazu.

An deinem Arbeitslosenplatz sitzt

ein neuer, nägelkauender Pfeilstorch,

der der Lesbierinnenkollegenschaft

freundlich verkündet:

'Kommt zurück zu den Schwänzen!

Frauen sind scheiße!'

Ihr Name ist ...? Mein Name war Nezval.

Gestatten, Hobellied. Schicksal, alle

gleich hobeln und so weiter, kennt man,

wegen Formalbeleidigung trotzdem

Anzeige. Von wegen, wo gehobelt wird,

fallen Hüllen, bohnern ist auch tabu.

Kann man Schlepper und Schleuser ja

auch Fremdenführer und Guides heissen!

Dummfick, refraktärer! Die Wahrheit zunächst

lernen, dann drillen, memorieren, Denkform

bestimmern, aber nur in geringen Dosen,

empfindlich wie Kalbsbries, det janze,

darum bleibt Vorsicht geboten, darum

BIC und IBAN bereit halten, darum nicht

schicklicher als andere sein. Und Schilder

verkaufen mit der Aufschrift SUCHE ARBEIT

GERN ÜBERALL UND NIRGENDS

HAUPTSACHE KEINE BEZAHLUNG,

in Emaille und auf Pappe! (0,99€).

Expertise, Kompetenzen sind zu

kompilieren, zu adressieren an:

Weihnachtsmannbüro

3 1 1 3 7 H i m m e l s t h ü r.

"ich verfluche die kommentatorische

Wissenschaft". Hund Kafka. Nahm

die Schweißfährte auf, die er sich selbst

ausgearbeitet hatte, so förmlich.

301 - 350

Im Reitstall brummt der Pegasus:

Mich trifft der Schlag, was soll der Stuss.

"leuten, die stipendien und literaturpreise bekommen,

sollte man nahelegen, das schreiben zu unterlassen."

(heiko e. dohrendorf dixit.) Da

sieht er rot, der Bolustod. Dem

auch du einmal auf die short-list

rutschen wirst, dem oder einem

von den andern. Legen hier

einen Hapax legomenon als solchen

nieder. Wer Aufschneider sagt,

muss auch Beutelschneider sagen.

Verfluchter Treppensturz! Die Mutter,

die Haskil, der Tenor. Auf, geh

doch nach Elmina, Vettel Sorge!

Deute die Alpträume

der Greisinnen dort, und sind

sie weniger grausam als

die hiesigen derer, die den Falten-,

den Quallenarsch bald zukneifen

müssen, flöße ihnen dein Gift

ein! Seitenthema der Smartwatch:

"6 Uhr 58 entstuhlt." Vermerken die

Akten der vergessenen Synode.

Weiter heisst es darin: Wer für

niemanden mehr spricht, warum

dichtet er? (Hugo Friedrich, Die

Struktur der modernen Lyrik/Anm.

des hochmütigen Studenten in seinem

Handexemplar: 'zuweilen hausbacken,

oberlerherhaft; der große Schwung fehlt,

aber auch die große Geste, lehrreich

und - für akademische Verhältnisse -

frei und anregend.') Das Fabeltier zu

erwecken? Wohlan, wohl nicht.

Die Alltagsmythen sickern aus der

Etymachia längst nicht mehr, das Tier

ist Bild im Bild geworden, belanglos

fremd, gleich allem Fremden. Nimm

nur M A R A M B A. Oder "Glück ohne

Konto" (Klarholz 1959-1995. War

kein Störer der Poesie, wusste von vielen/m.)

Eine aber schwingt sich täglich

zu immer neuer Präsenz auf mit einer

anderen: Krise und Ausnahmezustand,

zwei der ärgsten Menschenfeinde,

hält niemand ab von der Gemeinde,

macht nur Platz da, seid doch verloren.

"Was soll ich aber von jenen sagen,die mir

immer am verdrießlichsten gefallen und die

351 - 400

meiste Langeweile erregt haben?"

cultura animi ausverkauft! Du stehst doch

in der Tuntenkartei! Im Liber vagatorum!

Elender! Bettler! Leutbetrüger! Lyrikologe!

Intermission - Sain -

Im Stich gelassen - Sein

Sieh doch, die Lebhaften,

Mit ihren Namen auf den

Lebkuchenherzen, kostend

von der Modersüße,

klingendes Marzipan,

schlafend um Schlaf bettelnd.

Verlass nicht mein Gebiet,

unbeschuhter Karmelit! The Wire?

No! Aber auch hier gilt gern:

money talks, bullshit walks. Kein

fauler Zauber könnte konsistenter

sein. sapientia prima est stultita caruisse.

Und von den subluminal wirkenden

Riesenmöpsen Russ Meyers (sapienti sat!).

Willst du nicht eingehen in deinem

Cholesterintempel, deiner Klimakteriumskoppel,

du altes, schreckliches Gesicht, in

das du starren magst so lange du willst,

entdeckst doch nichts Schönes mehr darin,

Einsicht in Falte, müden Hohn,

Brackwasser aus Träne und Speichel,

Warzen und Runzeln und Pickel, überall

eine Teufelei aus Zipperlein und

Großraumdrohungen, im Arsch, aber

immer rüstig. Abbitte, wo ist dein Arsch,

dass ich ihn lecken kann? In meinem

steckt ein Stachel tief,

den niemals noch ich kommen rief.

Auf nach Arqua Petrarca, dem Liebenden

und seiner Tochter aufzuwarten, durch

wenig Zeit, die einen Brief leicht

trägt oder wenigstens seinen Flaum

und Hauch, nur getrennt von einem

anderen Ufer der Zeit, ohne Ebbe,

ohne Flut, stimmt er die Zeit.

Olive, Fisch, Brot, Wein. Atem.

Nach der Pause dann kehren wir

zurück in den Saal, in den Sesseln

versinkend, gleich dem Licht in

dem Dunkel, mit dem Versprechen

versehen, einmal, präzise: nach der

Vosrstellung, den elastischen

Knochensalat via Hirnplastizität

zu koordinieren und nach Hause zu schleppen,

401 -450

wo dann er, gereinigt oder nicht gereinigt,

seine Bettstatt aufsucht und den wechselvollen

Schlaf des Unterhaltungskarnivoren und

Inselbegabten. Oder Der Garten Allahs aus

dem Jahr 1936 in seinen Kopf flutet, die

Lüsterklemme sueigbügelt oder trauriger

ist als sein Arzt erlaubt, der gar keine

Verzweiflung kennt, nur Synapsenkegel

schiebt und fromm den Unfrommen gibt,

hütend sich vor der Kaltabreise. In

seiner Todesanzeigen tobt sich noch

der Dünkel aus und gibt sich mit falscher

Demut ein Stelldichein: nemini parcetur.

Unterdessen hält an die Arbeitskritik, in Wort

(Sendschreiben gegen die Arbeit) und Tat,

'Es geht nicht darum, die MEnschen entweder gefügig

oder glücklich zu machen; es geht darum,

niemanden zu zwingen, sich zu erniedrigen.'

Simone Weil, Fabriktagebuch. Findest

du in den Händen der Heilgen, siehe

Predella. Sieh' hin! Die Heilige war

keine Doppelagentin wie Sydney Bristow,

sie passte ins Epos, fragt nur Arthur T. Hatto!

"Ich bin ja in seinem Alter." Leiser: "Oder

ein wenig älter." Wieder lauter: "Und

wahrhaftig, ohne höhnisch erscheinen

zu wollen, verdankten doch meine Lehrer

und ihr Unterricht mir unvergleichlich

mehr als umgekehrt." "Wie die Bilder

dem Ikonologen (Heckscher?) mehr

verdanken als dem Maler?" Nuts.

Das Milchkalb, verkrachte Symbolistin:

Und nicht das Lebensdunkel klären,

Womit dein Körper sich umgibt,

Wie das Erdzeichen verstehen -

Damit der Schneetraum weiterlebt. (A. Blok)

Und unsere Asperger_Ehe, die

längst aufgehört hat ein Heilmittel

gegen die Leiden des Weibes zu sein.

Erzähl mir vom Allerwichtigsten!

Wovon das Genügen zeugt,

die Wiederbelebung, die wie Himmlisches

in dir nistet, aber nur

Trittbrett ist, seifig und abschüssig,

ein Knüppelpfad für Behende.

An diesem, woran dem Geiste

genügt, ist die Größe seines

Verlustes zu ermessen. Ich wünschte,

es wäre Weihnachten, und der

Diensthabende käme.

451 - 500

All in! de arte nihil

credendi. in der wirklichkeit

an die wirklichkeit zum Exempel,

an die Kettenmorde im Schweine-

schlachthaus. denk mal! Punny

Logic, da denk mal dran. Ja, es

gibt Frauen, deren Liebhaber

noch fragwürdiger sind als

ihre Ehemämmer. Sollt' man nicht

denken! Dass die B R D D R ein

Naherholungsgebiet des National-

Sozialismus ist/war, auch nicht.

Interpoliertes Gedicht (Morgenstern-Morphing):

Das flüssige Reh

Ein Reh war überstürzt entfloh'n,

Es war des Lehrers, selig, Sohn;

Es nahm viel Geld mit auf die Reise,

Und fand noch mehr in einer Schneise.

Jetzt war es zwar sehr heimatlos,

Doch jeder Mühe schier enthoben;

Wohl versorgt mit Kies und Moos,

Stieg es immerfort gen Oben.

Andre nun neidhammeln bissig:

"Du dummes Reh bist immer flüssig!"

Volkserotik und Pflanzenwelt und

Götternamen a la Usener und du

bist verjüngt, altes Gleichnis:

"Nur wer mit Toten vom Mohn

aß, von dem ihren,

wird nicht den leisesten Ton

wieder verlieren."

Fünf Klassiker für Abitur und

China, das reicht allemal, BRAVE

NEW WORLD als Supplement,

dann auf Flügeln des Gesanges

bestehen, in der Prüfung

Irrgänge. Aufsitzen, losreiten,

über diese und jene ursprüngliche

Einsicht sich einsichtig äussern,

gefiederte Worte collagieren,

souverän lässliche Sünden

begehen, sakrosankte aber meiden.

Royal Flash nach dem Jüngsten

Gericht, Satans 12. Brief von der Erde,

ein Spielbericht, na, ich danke! Wer ist der

Teufelsbote? Ernie Höllerhagen?

Der leere Tisch, der leere Stuhl,

wer hat nicht von meinem

Teller gegessen? mit meiner Gabel nicht,

und nicht mit meinem Messer?

Ralf Frodermann Juli 2016