Schmähnotizen II (Ohne Ambitus)

Schmähnotizen II

Er führ' euch mit Genuss und Gunst

Durch alle Wunder seiner Kunst.

Wilhelm Busch, Der Virtuos

Das Quasselpiano des Imbroglio:

Keith Jarrett und Joachim Kühn für meine Schwester

Das festlich-rituelle Bedeutungshubern am Klavier haben Jarrett und Kühn nicht erfunden, nur für ihre Zwecke aufgekocht.

Schier überwältigt von ihrem Tun und einzig sich selbst affektioniert, zelebrieren sie ihren pianistischen Narzissmus, indem sie jenen ihrer Hörerschaft gegenübertragen und vice versa.

Ihr Konzerte sind profane Gottesdienste und erhabene Zeremonien des musikalischen Vates, mit eigener Liturgie und Zweitverwertung im ECM-Mausoleum usw.

Ihr Ehrgeiz geht keineswegs auf eine bunte Jacke; eher schon auf ein Lisztsches Abbé – Habit.

„Aberglauben an den Ernst“ (Max Horkheimer) in musicis ist Geschäftsgrundlage solcher Tonkünstler. Ihre affektierte Pseudo-Sakralität ist die angemessne Form, die sie ihren musikalischen Ideenfluchten, die weniger vom Jazz, als vielmehr von einem spezifischen Konservatoriumsgeist des vorgeblich Gediegenen inspiriert zu sein scheint, zu geben imstande sind.

Zwischen ernster Askese und nervöser Sorgenfalte gedeiht der Nimbus der Eremiten am Klavier. Zarathustras Dithyramben sind kleine Fische gegen die endlosen Gesänge jener vom dinoysischen Dämon besessenen Rhapsoden mit Nero-Blick, Grimassen- und Seufzzwang.

Dieser notorischen Klimperei des infantil-autoritären Charakters mit Dompteurhintergrund ist, wie dem Redefluss des Neurotikers, nicht leicht beizukommen, denn seine Aura diffundiert nur Akklamation – bedingungsloses Einverständnis ist deren Zahlungsmittel -, keine Kritik.

Daher bleibt nur, solch garbarekenden Poseurern achselzuckend in die Erinnerung zu rufen, was jedermann bereits weiß:

Man kann also ohne Begleitung eines Clavierinstruments sein Stück gut aufführen.

Carl Philipp Emmanuel Bach, Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen (2. Teil 1762):

Talmi-Jazz / Appendix zu J. Kühn 2.0: Michael Wollny

Der Pianist Michael Wollny, den das beste deutsche Feuilleton zum „besten deutschen Jazzpianisten“ (FAS 11. 12. 2016) erklärt, hat die Klimperei – musikalisches Korrelat des Plapperns - zum Stimittel erhoben.

Erhaben über Robert Schumanns eindringliche Aufforderung Klimpere nie!, gibt Wollny bereitwillig den Till Brönner am Klavier.

Wer einmal Gonzalo Rubalcabas Version von Gillespies Con Alma (auf Rubalcabas Album diz) in sich aufgenommen hat, wird den sentimentalen Wollnybrei aus der Kühn-Küche von gültiger Innervation zu scheiden wissen.

Ralf Frodermann März 2018