„Von jeher gingen Hartleibigkeit und Schwermut zusammen. Seit aber im sozialen Körper die Säfte stocken, schlägt Dumpfheit uns auf Schritt und Tritt entgegen.“ (Benjamin)
Bokowskis Sätze machen die Luft nicht besser: Neue Spaßkanone geladen
Der Humor der Humorlosen ist bekanntlich seit 1945 in deutscher Sprache heimisch; scheint doch keine geeigneter, dem Willen zum kraftlosen Witz, zur zumutenden Zote, zur schalen Wortspielerei usw. Ausdruck zu geben.
In Berlin und anderen deutsche Städten sitzen seit etlichen Jahren Autoren von putzigen bis stutzig machenden Alltagsimpressionen zwischen allen möglichen Stühlen und Bühnen und sorgen da, gleichsam als moderne Bänkelsänger und Spielmannsepiker, für Spaß und gute Laune. Sie sind zwar nicht ganz oben bei den Schneiders, Schmidts und Schramms, aber auch nicht ganz unten bei denen, die man zum Lachen in den Keller begleiten muss.
Protagonisten dieser Lesebühnenszenen sind oft gute Mimen und Mimetiker, treffsicher im Pointenhoch- und Tiefbau, souveräne Agenten ihres Genres, einer in Deutschland ewig jungen Mischung aus Jovialität und Fallbeil, Häme und Hallodri, Ignoranz und Einsicht, selten über sich hinausweisend und oftmals rustikaler Herkunft (Offizierscasino, Mannschaftsumkleide, Pfadfinder, Tupper- Party, etc.)
Als neueste Entdeckung in dieser Liga firmiert seit kurzem Paul Bokowski, dessen Buch HAUPTSACHE NICHTS MIT MENSCHEN dieser Tage erscheint. Einen Vorgeschmack seines Könnens gibt die Berliner Zeitschrift JUNGLE WOLRD in ihrer Ausgabe 6/2012, in dem sie einige KURZE GESCHICHTEN Bokowskis vorab druckt.
Unter den Kleinkarierten ist der Großkarierte König; nach dieser bewährten Kriegslist der Kleingeldvernunft fällt es Bokowski nicht schwer, sich in seinen Texten als eine Art Woody aus Wedding zu positionieren: „...aber weil die neue Anna- Lena jeden ihrer Sätze mit ‚Meiner Meinung nach’ anfängt und dann aber doch nur DIE ZEIT von vorgestern rezitiert, werde ich auch mit ihr nicht richtig warm und nippe beharrlich an meinem Bier.“ (aus, Das Ding aus einer anderen Welt) Stilisierter dropout und Partyreporter Bokowski sind eins; Erfindung und Realität ebenfalls, keinen kümmert es tatsächlich noch, dass DIE ZEIT etwa ein Wochenblatt ist und kaum im wortwörtlichen Sinn „von vorgestern“ sein kann; keinen kümmert mehr die Differenz von „zitieren“ und „rezitieren“, in der für Karl Kraus noch mindestens eine Welt lag.
„Nach ein paar Minuten sieht man vor lauter Leuten den eigenen Verstand nicht mehr vor Augen“ (ebd.), vor lauter Blüten dieser Machart, dem angestrengten Bemühen um den grotesken Fund im absurden Alltag, nebst seiner ausladenden Präsentation, vor all dieser losen Langeweile und ihrer bestürzenden Drauflosschwadroniererei sieht man gut den feisten Engel Capote vor Augen. Truman, erhöre unsere Gebete! Du einziger Partygott, bestrafe die Ungläubigen! Segne die, welche ohne alle Prätention und durstig sind! Dein Spin- off- Wille geschehe, und DEIN Engel Jack Kosinski spricht zu uns also:
Wenn ich einer von ihnen werden könnte. Wenn ich mich nur von meiner Sprache trennen könnte, von allen meinen Gewohnheiten, von meinem Besitz.
Einer von Deinen Gästen, Truman, auf der Black& White Party in Ewigkeit. Vanity Fair. Mr. Desmond, der allzu schüchterne Verehrer Miss Hepburns; Barry Lyndon, so viele, die gar keinen Schneid und noch weniger Talent hatten, aber gar nicht davon redeten. Die Hinnahme der Nullität ist ja schon was. Etwas. Fast etwas. – Sind sie eingeladen?
Und Truman sprach: Männer in Führungspersonen wirken oft weibisch, Frauen frigide.
Geht und findet heraus, warum. – Partyzone: „ich unterrichte mobbing“ / schwangere Dame: „möchte ich unbedingt Modul belegen, Plätze frei?“ -
rf II 2012