Der gute Flageolettton
Über Widmung und Danksagung als akademische Usance
Für Ulrich Hübner in Gießen
Unter den Ehrbezeugungen rangieren jene innerhalb des akademischen Schrifttums heute im unteren Mittelfeld des allgemeinen Interesses.
Dienten sie ohnehin, Sentimentalitäten wie Familiärem etc. an dieser Stelle beiseite lassend, von jeher vornehmlich dem strategischen Zweck der eigenen Karriereförderung und -stabilisierung (Liebedienerei; Gunstwerbung) oder der akademischen Initiation Dritter (Protege), so wurden sie allmählich als bloßes „name- dropping“ denunziert und werden bis heute als solches geringgeschätzt. Vornehmlich freilich von unerwähnt Gebliebenen.
Widmung wie Danksagung sind zwischen Festschrift und Erwähnung (Zitat) zu verorten.
Ihre katalysatorischen, karrierefördernden Effekte sind allerdings weithin ebenso umstritten wie ihr vielbeschworenes Vermögen, Neid und Missgunst zu erzeugen. (vgl. Beispiel 1)
Als unumstritten kann freilich gelten, dass es sich bei ihnen um eine Art ’Taufe des Namenlosen zu namhafter, besser benamster Namenlosigkeit’ handelt.
Niemand kann schlechterdings mehr von der bloßen Erwähnung seines Namens coram publico erwarten.
Die Zurücknahme einer präpotenten Widmung – ihr Urbild stellt Beethovens Revokation seiner Eroica- Widmung an Napoleon dar – ist ein Sonderfall nicht- akademischer Dedikation und bleibt einer eigenen Abhandlung vorbehalten.
Selbst- und hyperbolische Widmungen („Für Alle und Keinen“) können unerwähnt bleiben
Gleiches gilt für Widmungen und Danksagungen moderner Dichter.
Der Sonderfall der abgelehnten Widmung, wie auch die bloß anekündigte oder beabsichtigte Widmung (Adornos "Ästhetische Theorie" an Samuel Beckett) harren eigener Spezialstudien.
Widmungen an Verstorbene, Natur, Dinge,Vorgänge etc. dito.
Die antiken Autoren kannten dergleichen hypertrophe Kommunikationsinhalte nicht.
Servile, kratzfüßige, verfluchende oder verwünschende Widmungen (vgl. Beispiel 2)
harren ebenfalls noch gesonderter Behandlung.
Widmungscorpora (Zueignungsschreiben, Widmungscarmina) dito.
Zur Problematik des toten bzw. verstorbenen Widmungsträgers wie zur gesamten „in memoriam“- Kommunikation dies- und jenseits der Gräber, wie überdies zum Vorgang der „Um-/Entwidmung“ liegt Verwertbares noch überhaupt nicht vor.
Ralf Frodermann April 2014
Walter Kühn: Von Hesiod bis Brecht. Eine Literaturgeschichte der Widmung. Trier, 2021
Rezension in: MONATSHEFTE Vol. 117 Issue 1 Spring 2025