Berghe von Trips- Institut (im Aufbau)

Unser Elend soll schöner werden

Ein Tautropfen

“,let us see all there may remain to be seen.“

Joyce, Finnegans Wake

“So gründlich hat die Gegenwartsliteratur diese heroische Moderne (sc. Djuna Barnes, Hanns-Henny Jahnn) vergessen, dass sie nur wie ein Gespenst am Rande des Literaturbetriebs noch sichtbar werden darf – würde sie beachtet, sie würde die einträgliche und einträchtige Gemütlichkeit kleinbürgerlicher Liebesprobleme banalisieren, die sich leicht erzählen und leicht verstehen lassen.“

Hannelore Schlaffer in, NZZ 22.IX.2012

„Gar nicht erst hoffen, lieben und glauben!“

Wem dieser asphaltierte Imperativ zur zweiten Natur geworden war, schrieb vor zwanzig Jahren im eben wieder zusammen genähten Zwilling Deutschland West und Deutschland Ost Romane, Theaterversatzstücke und Gedichte etc., die heute sämtlich vergessen sind.

Danach fing die deutsche Literaturgeschichte multimedial von vorn an. So wurde aus Sturm und Drang und Expressionismus endgültig Seelenwurstebrei, aus Sendungsbewusstsein schales Prophetentum der mit Literaturpreisen Gesalbten, aus Migräne, Muckertum und Impotenz Befindlichkeitsschrifttum, mit einem Wort: aus Borniertheit wurde Klassik.

Alles in allem waren es zahlloses Variationen auf die melodramatische Molkerei „Warte nur, balde, blutest du auch.“

Die Komödie, in Deutschland seit jeher ein Stiefkind, überlebte im Film mehr schlecht als recht und fristete dort, von hier und da gepäppelt, ein Almosenleben.

Allzeit entladungsbereit waren:

    1. Flamboyante Betriebsnudeln mit zynischem Federkiel.

    2. Larmoyante ICH- AG’s ohne Arg.

    3. Ernste Zeilenschinder mit und ohne Vorschuss.

    4. Pornokraten mit TÜV und Taufschein und andere Gottsucher.

    5. Zweitverwerter, gerissene Abschreiber, Kopieresel und Auf- den- Leim-Geher.

    6. Schließlich Zeremonienmeister, Betschwestern, Götzendiener sowie digitale Demente.

Das Salbadertum war wieder zu höchsten Ehren gelangt. Wer auf sich hält, verharrt etwa vor alten Meistern, die den Gekreuzigten darstellen, und strullt von dort („leise, wie eine Maus ins Taschentuch“ SOPRANOS) die Kulturseiten der ambitionierten Tageszeitungen gerührt voll.

Höchste Literaturauszeichnungen gehen an Grass und Müller, nicht an DeLillo oder Pynchon;

als solche Gewinner und ihre Werke noch besser aussahen, gingen sie immerhin an Mann und Hesse, nicht an Joyce und Nabokov.

Wären deutsche Schriftsteller Bankräuber, dann wären sie mit dem Überfall und der Räumung einer Bank so überfordert, wie veritable DDR-Bankräuber im Ruhestand ab 1990 mit dem Überfall einer westdeutschen Bank überfordert waren und es also meistens gleich unterließen.

Wo Dummheit goldenen Boden hat und Schweigen noch nie Gold war, ist Berufsehre nicht jedermanns Sache. Tonlos pfeifen das die Spatzen vom deutschen Dach.

Ralf Frodermann IX 2012