"Der ganze Körper bellt nach Arbeit"

Ich denke nicht, Hegesias, dass ein Mensch einen so besonderen Mut, oder so heroische Bescheidenheit, vonnöten habe, wie die meisten vorauszusetzen scheinen, um einem anderen Menschen zu gestehen, dass er nichts mehr als ein Mensch sei.“

Ch. M. Wieland, Agathodämon (2. Buch)

Deutscher Neid oder:

Auf Sarkasmus, also Defätismus, steht die Todesstrafe

Den ums Materielle unbesorgten Müßiggänger trifft wieder blanker Hass; ist einer nur in Lohn und Brot, so neidet’s man ihm nur. Kein Grund, ihn gleich totzuschlagen.

„In Buchenwald war es ein Lieblingsspiel der Wachen, Gefangene nach ihrem Beruf zu fragen. Dann folgten Fragen nach Bankguthaben, Pensionen, Wohnungen usw. Je mehr Bildung und Geld vorhanden war, desto brutaler war die Reaktion. Ein Häftling wurde totgeschlagen, nachdem er als Beruf sarkastisch ‚Millionär’ angegeben hatte.“ (Alan E. Steinweis, Kristallnacht 1938. Ein deutscher Pogrom. dt. Stuttgart, 2011 S. 114)

Neid deutscher Provenienz ist Neid auf bezahlte Arbeit. Den Müßiggang neidet man dem Unbeschwerten und Sorglosen nicht, vielmehr schmiert man ihm den als unpassend auf sein Brot, wie wohlhabend er auch sein mag.

Umgekehrt gehen auch viele derer, die objektiv vom Arbeitszwang als befreit zu gelten hätten, irgendeiner „Beschäftigung“ nach. Keinesfalls wollen sie sich dem Verdacht ausgesetzt sehen, etwa aufs Arbeiten verzichten zu können , d.h. nicht zu arbeiten und stattdessen bloß dem Müßiggang, für den es kein Alibi, keine Ausrede und keine Entschuldigung gibt, zu frönen.

Wo man aber dem Tellerwäscher noch die Teller neidet, unentwegt das Lob der Tüchtigkeit den Untüchtigen singt und noch den Hausierer seines kolossalen Durchhaltewillens wegen rühmt, an dem man sich ein Beispiel nehmen könne, bleibt den happy few nur anzuraten, da zu bleiben, wo Bartel den Most holt.

Ralf Frodermann XI 2013