Banausische Gunstwerbung / Notizen zu Wilhelm Raabes kleinbürgerlicher Radikalität (1)
(keywords: toter Humorist, digressistischer Stil)
In der maßgeblichen Raabe-Biographie von Werner Fuld (München, 1993) zitiert der Autor Walter Benjamin, der im Blick auf Gottfried Keller geschrieben hatte:
„Man hat aber noch jedesmal erlebt, daß man zu einem großen Autor sich den Zugang verbaut, wenn man davon ausgeht, er sei Humorist.“
Die Raabe-Rapporte (ed. Sigrid Thielking 2002) schmückten sich mit einem Botho-Strauß - Zitat zwecks unfeierlicher Exhumierung Raabes und seiner Maulwurfsarchäologie.
Auch den Münsteraner Germanisten Moritz Baßler drängt es (FAZ 15. August 2015), den mottenzerfressenen Raabe aufzuwärmen und einem imaginären Lesepublikum – als gäb's dergleichen noch! - anzudienen. Die abgenütztesten Epitheta müssen herhalten: spannend, komplex, zu Tänen rühren, großartig, ein Roman wie eine Folge spanischer Kadenzen (sic!) usw. Raabes Pfisters Mühle wird das Label Öko-Roman angehängt, der poetische Realist selber als Jean-Paul-Fan apostrophiert und den Akten des Vogelsangs ein sog. Soundtrack aufgehalst. (Baßler, offenbar von berufsjugendlichem Furor erfüllt, erwähnt die Neighborhood-Songs vom ersten Album Funeral der Band Arcade Fire aus dem Jahr 2004.)
Apodiktik mit Rufzeichen zwischen zwei Gedankenstrichen („hier hat Thomas Mann das gelernt!“) nebst ehrfurchtgebietendem Superlativ („der schwärzeste Schluss, den die deutsche Literatur bis dahin kennt.“) und gelehrtem Unfug ( „Dumpf wird es immer nur dann, wenn sich doch ein positiver Code ( sc. Antisemitismus. RF) durchsetzt, wie zumindest scheinbar (sic) in Raabes ungeliebtem Erfolgsroman 'Der Hungerpastor'“) weisen den Baßler als das aus, was er gewiß am wenigsten sein möchte: ein akademischer Schmock und anerkannter Hoflieferant (en gros & en detail) konfektionierter Kurzwaren und kalorienarmer Häppchen im quasselindustriellen Sortimentwarenhandel und Strukturvertrieb, Abtlg. Scharteke, Schwarte, Buch.
Ralf Frodermann 18. August 2015