Neuer Kohl mit altem Klump / Eine Wiederholung

Was kann ein Lehnstuhl aus Sammet helfen, wenn die übrige Umgebung nicht dazu paßt, das wäre ja, als wolle ein Mann nackt mit einem Zweispitz herumlaufen.

Sören Kierkegaard, Die Wiederholung

"Wir brauchen keine Revolution; ein kleines Glück, das reicht uns schon: Genau darum geht es bei dieser Musik. Sie ist der warme Tee für das gefrorene Meer in uns."

So weit Julia Bähr, Nachfolgeschmock der notorischen Antonia Baum, in einem Beitrag über deutsche Schlagerheinis dieser Zeit in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 19. Februar 2017.

"Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen" (2013, mit Christian Böhm), "Sei mein Frosch" (2015), und "Liebe mich, wer kann" (2016), die Romane Frau Bährs, können wohl als das gefrorene Meer in ihr gelten, das der Tee der Konterrevolution zum Schmelzen bringen soll.

Der Romankunst - und Haltung! - solcher Schmocks entspricht die lyrische Produktion deutscher Professorenlyriker vom Schlage der Deterings, Petersdorffs und Roehnerts. Auch in dieser Sphäre fiel die Rezeption längst mit der Produktion zusammen, ja ist identisch geworden.

1995 hatten Andrea Parr und Claudius Seidl mit ihrem Teebeutel "Gnadenlos glücklich. Das süße Leben Leben um die 30" (dtv Oktober 1995) die Rolemodels - und die Haltung! - von Zeitungsromancierexitsenzen a la Frau Bähr geschaffen.

Frau Bähr und die ihren betreiben dessen Aufguss ad nauseam. Kafka dürften sie dabei ganz selbstverständlich für einen Kollegen halten, der nur das Pech hatte, für sein gefrorenes Meer in ihm keinen Teebeutel zur Hand zu haben.

Ralf Frodermann Februar 2017