„Wir denken wie wir denken hauptsächlich, weil andere so denken.“
Samuel Butler
„Integration“ unter den gegebenen Umständen bedeutet Kaufkraftpartizipation, Mitglied sein im Racket der Kaufkräftigen. Mit anderen Worten: 2.000€ netto, pro Person und Monat. Ich zum Beispiel bin Opfer vieler Vorurteile, aber selbstverständlich im beschriebenen Sinne integriert, obwohl dreimal geschieden und Ex- Bahai.
Prof. em. Bobby Holunder, Universität Bockwurst
"Migration sorgt für eine Neuprofilierung der Klassengesellschaft, nicht für Vollbeschäftigung, "Buntheit" (diversity) oder andere, illusionäre Zustände."
Dr. Trüb- Ungefähr, Universität Bockwurst (Dekanat XI Ketzergeschichte)
Präventive Exkulpationen und öde Kollisionen im deutschen Integrationsbetrieb
Über „Kritik und Gewalt. Sarazzin- Debatte, ‚Islamkritik’ und Terror in der Einwanderungsdebatte“ von Klaus J. Bade (erscheint im kommenden März im Wochenschau Verlag)*
Diskurstopographische Koordinaten, tentativ
Das fragwürdige Verfahren, Diskurse zu modellieren, um erwünschten ideologischen Mehrwert abzuschöpfen, ist in Deutschland längst zur hohen Kunst avanciert, in der alles zu einer Frage montierter Konstellationen geltender bzw. außer Kraft gesetzter Sprachregelungen zu werden bestimmt ist.
Insbesondere im weiteren Kontext einer im Windschatten der eskalierenden Wirtschaftskrise geführten deutschen Migrationsdebatte platzt dabei dem ein oder anderen denn doch einmal die Hutschnur. So weiß etwa der Bayreuther Islamwissenschaftler Hans- Thomas Tillschneider in der FAZ (1.Februar 2013) seinen Überdruss an konfessionellen Usurpationsversuchen seines universitären Beritts in klamme Worte der Kritik zu kleiden: „...; wir dürfen die Islamische Theologie von all den Prozeduren, die über unsere eigene Tradition hinweggegangen sind, nicht verschonen.“ Will sagen: islamische Theologie, wie jeder andere religiöse Mummenschanz und Schabernack vor und nach ihr auch, gehört in die überquellende Mottenkiste substanzlos gewordenen Geistes, statt auf die Lehrpläne deutscher Universitäten.
Äquidistante think tanks wie die Bonner Friedrich- Ebert- Stiftung möchten das gern anders sehen und geben im Rahmen ihrer kultursensiblen Lobbyarbeit Fingerzeige fürs politisch Korrekte. (N. Foroutan: „Muslimbilder in Deutschland. Wahrnehmungen und Ausgrenzungen in der Integrationsdebatte.“ FES Bonn, November 2012. Vergl. auch: D. Saunders: „Mythos Überfremdung. Eine Abrechnung.“ München, 2012. Hierzu s. a. unsere Rezension Special appearance).
Andere, wie der Hamburger Sozialwissenschaftler Vassilis Tsianos, offensichtlich ein Franz Fanon redividus mit den nicht mehr ganz neuen, immerhin noch halbwegs gängigen up dates der Quasselindustrie unserer Tage, hat als Zauberwort nicht nur „die Subalternen“ für sich und sein akademisches Süppchen entdeckt, sondern auch, dass es sich fein salzen lässt mit Anbiederung beim Imam und kessem nonsense aus Dunkelmännerhausen: „Emanzipationsdenken ist historisch nicht identisch gewesen mit Religionskritik.“ (KONKRET 2/2013 S. 31)
Thilo Sarazzin und Heinz Buschkowsky, hier und da abgestempelt als eine Art Abott und Costello der deutschen Integrationsdebatten, gaben dem Integrationsaffen Zucker und sorgten für dessen main- streaming.
Alle Versuche, sie zu obskuren Wirrköpfen zu erklären und gesellschaftlich zu degradieren, müssen einstweilen als gescheitert gelten, vgl. FAZ 29. Januar 2013. Die angemessene Kritik Sarazzins erfolgte einzig aus dem Umkreis des Freiburger Internationalen Sozialistischen Forums (ISF) bzw. der Zeitschrift BAHAMAS.
Dem shit storm gegen Buschkowsky widersetzte sich vehement u.a. der Autor und Verleger Hartmut Krauss, Herausgeber des der verstorbenen Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig gewidmeten Aufsatzbandes „Feindbild Islamkritik. Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden.“ Osnabrück, 2010.
Das fatale, nahezu komplizenhafte Einverständnis deutscher Integrationsverwalter mit der alltäglichen, frauenverachtenden Praxis innerhalb muslimisch und anders geprägter communities kritisierte jüngst eindringlich der Psychologe Ahmad Mansour, FAZ 2.Februar 2013.
Islamisch inspirierter Antisemitismus, eher Anathema in vielen einschlägigen Debatten, ist u.a. Gegenstand der eben erschienenen Studie des Berliner Historikers Clemens Heni: Antisemitism: A Specific Phenomenon. Holocaust Trivialization- Islamism- Post-colonial and Cosmopolitan anti-Zionism. Berlin, 2013.
So situiert zwischen immunisierender Panikmache, pauschaler Selbstviktimisierung und routinierter Abwiegelei, Bigotterie und Schutzbehauptungen, diskursiven Landnahme- und Delegitimationsstrategien aller Art, droht die Integrationsdebatte einzufrieren. Schon jetzt sollen allerlei Esel in Richtung stipulierter Eisfläche unterwegs sein.
Gäbe es ein Sprachspiel, das nach seinem Ende absurder Weise fortgesetzt würde, die bundesdeutsche Integrationsdebatte wäre dieses Spiel.
Bades Beschwerden
Migration ist ein zu ernstes Thema, es Migrationsforschern allein zu überlassen. Für einen ihrer bekanntesten Vertreter und doch verhinderten praeceptor germaniae in diesen Dingen, Klaus J. Bade, kommt dieser Befund freilich einer Zumutung gleich.
In Distanz und Indigniertheit anzeigenden Anführungsstrichen befasst er sich in seinem neuen Buch etwa mit ‚Islamkritik’ und insinuiert bereits in seinem Titel „Kritik und Gewalt“ einen konsekutiven Verlauf, ein Kausalverhältnis.
Bades Pamphlet ist zu einem erheblichen Teil nichts weiter als ein neuerlicher Beitrag dazu, Kritik in toto in Verruf zu bringen.
Die Diskreditierung der Kritik aus Prinzip ist gelebtes Luthertum, mehr oder weniger diskret befeuert durch einen ihm eigenen Antisemitismus.
Die Ausblendung antisemitischer Aspekte muslimische Couleur in weiten Teilen der deutschen Integrationsdebatten ist nicht untypisch. So wird etwa in einer 2012 erschienenen Broschüre einer „Bundeskoordination Schule ohne Rassismus- Schule mit Courage“, die den Titel „Islam & Ich“ trägt, der bekennende Antisemit und Führer der amerikanischen „Nation of Islam“, Louis Farrakhan, kurzerhand zum popislamischen master of ceremony idolisiert.
‚Islam’ bedeutet bekanntlich Unterwerfung; dieses malum vergessen zu machen, ist eine publizistische Phalanx angetreten, zu welcher neben Bade auch der Religionspädagoge Mouhanad Khorchide zählt, dessen Buch „Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion“ aus dem Jahr 2012 andere als despotische Akzente innerhalb des Islam zu setzen sucht und offenbar nicht zuletzt als mundgerechte Werbung in eigener Sache verstanden werden will.
‚Bekenntnis statt Kritik’ scheint das Gebot auch des migrationspolitischen Zeitgeistes, dem die Stunde, wie die Dinge liegen, so schnell nicht schlagen wird. Unter solchen Umständen hat man sich inzwischen daran gewöhnt, die Abschaffung der Kritik als Aufklärung zu identifizieren. In diesem Sinn ist Bade ein veritabler Aufklärer und kompromissloser Mythenkiller, auf dessen Ungehaltenheit, die er als Wissenschaft ausgibt und andient, auch weiterhin Verlass sein wird.
Ralf Frodermann II 2013
* Wir bieten im nachfolgenden eine rhapsodische Vorabbesprechung des Buches von Bade, ohne es allerdings bereits zu kennen, und geben damit unserer Auffassung Ausdruck, wonach zur Kritik des einschlägigen Schrifttums auf dem Gebiet der sogenannten Migrationsforschung die detaillierte Kenntnis jenes Schrifttums aktuell kaum mehr vonnöten scheint. Zugleich führen wir damit- cum grano salis- ein kritisches Analogon zum Luftgitarrenspiel ins Rezensionswesen ein.