Institut für Mineralogie

Schnödigkeit

Schnödigkeit ist formaliter lakonische Unmoral, ein Attribut autoritären Charakters. Die brüske, implizite Zurückweisung moralischer Standards dient dabei weniger der Verächtlichmachung von Moralität, vielmehr sowohl der formellen Markierung ihrer Überflüssigkeit wie der Meta- Markierung solchen Markierens als noch weitaus überflüssiger.

Wer daran gewöhnt ist, sich abspeisen zu lassen, nimmt bereitwillig noch den Ukas für bare Dialogmünze, bemerkt sogleich, wenn eine an ihn gerichtete Frage gar keine Antwort heischt, ohne doch bloß rhetorisch gewesen zu sein, und verlangt nie mehr, als die sozialen Katzentische seiner Familie, Arbeitgeber und peer groups an Krediten ihm stillschweigend zu gewähren bereit sind.

Der Sinn für die Krume aber macht noch nicht schäbig: gibt es kein Spielzeug, aber immerhin Brot, können Krümel Kindern zu Wimmelbildern werden.

Erst nachdem viele von ihnen die Entwicklungsarbeiten in den Fotolaboren ihrer Kindheit durch unsachgemäße Belichtungen („Solarisation“) abbrechen mussten und abgebrochen haben, kann sich der hassgerechte und dem durchschnittlichen Erwachsenen damit allzeit angemessene Habitus zuverlässig ausbilden: die unempfindliche Schnödigkeit. Sie darf heute überall mit nicht übertriebener Billigung rechnen, wie alle empfundene Schmach.

Ralf Frodermann V 2013