„Die Verknüpfung zweier Sprachsphären, welche gleichtönen, wobey aber eine bestimmte Betrachtung der Bedeutung beider vorkommt, heißt ein Wortspiel, und dieses ist die Fundamentalfigur aller übrigen musikalischpoetischen Sprachfiguren. Das Wortspiel ist der Witz der Sprache, und an seiner Vortrefflichkeit kann nur der zweifeln, der überhaupt damit unbekannt ist, was der Witz sey und bedeute, und vielleicht den ärmlichen Begriff mit sich herumträgt: daß er nur ein Zeitvertreib, und die untergeordnete, unbedeutendere, heitere Wahrheit sey. Allein weit entfernt diese geringe Gattung des Witzes für sein Wesen zu halten: muß man vielmehr die Sache geradezu umkehren, und das Wesen der Wahrheit darin setzen, daß sie Witz sey. Denn alle Wissenschaft ist Witz des Verstandes, alle Kunst, Witz der Fantasie, und jeder einzelne witzige Einfall wird nur dadurch zu einem solchen, daß er an den Witz der Wahrheit überhaupt erinnert. Damit man aber diese Stelle über den Witz nicht etwa für witzelnd, sondern weil sie Wahrheit enthält, auch für witzig halte: so überlege man folgendes. Die Wissenschaft auf ihrem höchsten Standpunkte lehrt eine absolute Einheit, eine unbedingte Identität alles mit allem. An diese ewige Consonanz des Weltalls, an diese heterogene Homogeneität, erinnert jede ernste und heitere, jede erhabene und burleske Stimmung, der Witz ist der Blitz, welcher eine einzelne Stelle in dem großen Ganzen erleuchtet, und diese Identität im Einzelnen heraustreten läßt, und daher ist ein jeder Witz, indem er an das Höchste erinnert, erhaben. Je kleiner freilich die erleuchtete Stelle ist, je flüchtiger und vorübergehender der Eindruck, und der gesellige Witz ist mehrentheils nur ein Wetterleuchten, wel202ches das Daseyn einer Region anzeigt, in welcher ein Blitz möglich wäre. Der ächte nnd große Witz wohnt in der Wissenschaft, in der Kunst, und im Leben; und da nun die Sprache das Organ von allen diesem ist, so sieht man leicht ein, daß durch das Wortspiel, wie es zum Beispiel Shakspeare gebraucht, oder Aristophanes, Andeutungen können hervorgebracht, Effecte erregt, Empfindungen angeschlagen werden, die nur durch dieses Medium möglich sind, welche sich wie die Musik körperlich durch das Ohr in den Geist ergießen.“
aus: A. F. Bernhardi: Sprachlehre. " 2 Bände Berlin, 1801 und 1803