O, so sei uns gegrüßt! versetzte der Richter; du sollst dich
Oben setzen zu Tisch, wenn sich die Gemeine versammelt,
Sollst im Rate den Platz, den du verdienest erhalten.
Aber hüte dich wohl, dass nicht ein schändlicher Rückfall
Dich zur Arbeit verleite, dass man nicht etwa das Grabscheit
Oder das Ruder bei dir im Hause finde, du wärest
Gleich auf immer verloren und ohne Nahrung und Ehre.
Goethe, Episteln (I)
Utopia Inc. pleite
(Tabakladen, Buchhandlung, Wirtshaus) Requiem, peremptorisch
Scheelen Blickes die Rauchschwade anherrschend, den Gruß
Freilich nicht entbietet der Wirt, erleidet Schiffbruch der Findlingsgast
An dem einstigen Katzentisch der Mümmler und Mucker;
Stammloser Stammtisch trägt den Becher schwerer Asche
Nicht mehr. Urnentod der Werbeträger. Bucht Klageweiber,
Ihr schamlosen Gesundbeter, heilloses Verlautbarungsgesindel!
Von den Kältekammern der Buchbordelle führt kein Weg
In die Wärmestuben der Tabakhöhlen und Bierlachen mehr;
Kein Holz knarrt in des Wirtes verwaistem Haus, nicht eine
Bettfeder reißt sich mehr los zum Verdruss des argen Säufers
Und Hahnreis, den seine Alte der Heimstatt verwies und der
Sein Schicksal verfluchte oder ein Dankopfer darbot im Schank,
Sich und der Runde.
Doch Schankwirt und Stumpenverkäufer, einst mähliche
Gefährten der Bücherwürmer an den Tafelrunden in dieser
Und den paar anderen Welten, sind keine Zuträger länger
Von guten Dingen, sondern Vieh und weniger als Vieh;
Jetzt ist jeder ein Tippler, säuft und knarzt nicht mehr
Mit gekreuzten Beinen, dafür stehend und nörgelnd.
Er grüßt den Weinfleck auf dem alten, vergilbten Band
Aus klingenderen Tagen.
Die waren wohl auch nur eitle Schelle, aus anderem Stoff
Zwar, aber auch den konnten weiterverarbeiten die Narren
Zu ihrem liebsten Produkt, dem Ärger und Unsinn.
Die Ernsten müssen es dulden; eingefasst in den
Stock der Zeit, sinnen sie rauchend, trinkend und lesend
Auf wendige Boote mit Soda und Gin,
Die sie erretten von den Inseln der Seligen.
Ralf Frodermann VIII 2013