Nülle und Gläserne Decken

„Die Ideologen der Differenz treffen bestimmte Aussagen über etwas, worüber sie ihren eigenen Setzungen gemäß gar nichts Essentielles aussagen könnten: die als jedem Denken entzogen und jeder Konstitution vorausgehend postulierte vor-ontologische Struktur, weswegen sie – dies offen aussprechend (etwa Badiou) oder eher stillschweigend voraussetzend (etwa Butler) – davon ausgehen müssen, dass die Einsicht in die Alterität quasi wie eine Offenbarung über das Bewusstsein kommt.“

A. Gruber, P. Lenhard (Hrsg.): Gegenaufklärung. Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft. Freiburg i. Br., 2011 S. 189/190

Über Gequirltes und aktuelle Irrtumskompetenz / Ein saure Diskurssahne

Manche Publikationen scheinen nur einem Zweck zu dienen, nämlich dem, auf vorbildliche Weise verrissen zu werden, vergl. aktuell Joachim Rohloffs Erledigung Frank Schirrmachers in: MERKUR, März 2013.

Um ein Mittel zu solchem Zweck handelt es sich zweifellos bei dem hier anzuzeigenden Kolloqiumsband mit einem faible für name- dropping aus Köln:

H.-J. Roth, H. Tergart, Ch. Anastasopoulos (Hrsg.): Sprache und Sprechen im Kontext von Migration. Worüber man sprechen kann und worüber man (nicht) sprechen soll. Wiesbaden, 2013.

Der postmoderne Jargon, der seit geraumer Zeit auch in die letzten quasselindustriellen Zellen der Migrationssoziologie eingesickert ist, war seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit der geisteswissenschaftlichen Intelligenz an akademischen Instituten und deren ideologischen Bedarfen bestens kompatibel.

Das flächendeckende, poststrukturalistische Begriffsbombardement richtete intellektuelle Verheerungen und Schäden an, die man seit Heideggers post-metaphysischen Salbadereien nicht mehr erlebt hatte.

Hier einige in unseren Zusammenhang gerissene Proben aus dem Kölner Band:

Gouvernantalisierung?: „Im letzen Drittel des Textes arbeitet die Gouvernante aktiv an der Entwicklung einer ‚Beheimatungsstrategie’“ (S. 116)

Adorno?: Für die genauere Differenzierung zur engagierten Kunst beziehe ich mich auf Theodor W. Adorno, für den Engagement in der Kunst eine höhere Reflexionsstufe ist, die auf Veränderungen der Bedingungen von Zuständen zielt.“ (S. 139)

Falsch verbunden?: Es ist möglich, von Diskreditierung betroffen zu sein, weil auch die Identitäten des Menschen der Sprache nicht vorgängig sind.“

Floh im Ohr?: „...und beschreibt ein Monument, dass (sic !) mit der Zukunft spricht und eine Zukunft (!) die Ohren hat.“ (S. 139)

Kuppeln, schalten, Gas?: „Auch in der Dekonstruktion von Ideologie lauert stets die dialektische Volte der Konstruktion ihres Zuhandenseins.“ S: 36)

Sepsis aus Skepsis?: „Dies ist zweifellos ein zentraler Aspekt der Rahmung des Ereignens.“

Etc. etc., ad nauseam.

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Die Autoren nennen ihr Tun u.a. „qualitative Migrationsforschung“. De facto handelt es sich aber offensichtlich nur um ein weiteres Element diskurstheoretischer Sedimentierungsprozesse. Überdies empfiehlt sich die empirische Sozialwissenschaft mit derartigen Publikationen wiederholt zum Endlager ideologischer Brennstäbe, denn ihre wahre Aufgabe scheint überwiegend in der Grabpflege postmodernen Diskursmülls zu bestehen.

Ralf Frodermann II 2013