Institut für Begradigung

Vorfrühlingsdepression (Wallace Stevens)

Der Hahn kräht,

Doch erhebt sich keine Königin.

Das Haar meiner Blonden

Blendet mich.

Wie der Speichel von Kühen,

Der im Wind Fäden bildet.

Ho! Ho!

Doch das Ki-ki-ri-ki

Bringt kein Ru-ku mit,

Kein Ru-ku-ku.

Und keine Königin erscheint

Mit grünen Pantoffeln.

Bei Marvin brennt noch Licht / Campusskizze, denotatorisch

Nachdem ihn seine Alte rausgeschmissen hatte, war Marvin in seinen Wohnwagen gezogen. Er parkte ihn unmittelbar vor der Universität, um einen kurzen Arbeitsweg zu seinem Institut haben, obwohl er nicht faul war oder ein ungeübter Spaziergänger. Manchmal klopften noch spät in der Nacht Studenten ans Beifahrerfenster – warum immer ans Beifahrerfenster?-, weil sie eine Frage oder ein Dosenbier für ihn übrig hatten. Marvin hatte ein faible für das, was er, und mit ihm bald auch seine Studenten, „enge Semantik“ nannte. In seinem Wagen war nicht viel Platz, weshalb seine unberufenen Gäste immer draußen blieben, während er von innen dozierte oder sich wusch. Niemals aber beschwerte er sich wegen der etwa zu späten Besuchsstunde oder darüber, dass ein Gast keine Getränke mitführte. Als akademischer Hobo mehr geschätzt als geduldet, außer er parkte einmal versehentlich in Reichweite der Rektoren-, Dekans- oder Frauenparkplätze, hatte er zwar keine Gönner oder lautstarken Anhänger seiner Auffassungen, dennoch war um ihn eine Gloriole aus Beliebtheit, deutlich von allem Mitleid geschieden, die ihn in dem Glauben wiegte, seine Frau könnte es noch einmal gut mit ihm meinen und kommen und ihn auf den Schwingen ihres Vertrauens in die Glücksprovinzen entführen, die er so schmerzlich zu missen meinte, die er aber, wie er wohl ahnte, niemals mehr als auf Sichtweite verlassen hatte. Selten sah man einen Getrösteteren als ihn.

Ralf Frodermann IV 2013