Offener Brief an Herrn Dr. Andreas Ruppert,
Stadtarchivar zu Detmold
Sehr geehrter Herr Dr. Ruppert,
vor wenigen Tagen wurde mir Ihr Beitrag „’Otto Künne spaltet die Stadt’ – Zu einer Bad Salzufler Kontroverse“ zur Kenntnis gebracht; in Ihrem Text, jüngst erschienen in dem lokalhistorischen Periodikum ROSENLAND / ZEITSCHRIFT FÜR LIPPISCHE GESCHICHTE, resümieren Sie die im Frühjahr in Bad Salzuflen stattgehabte öffentliche Diskussion um die Person und das Wirken Otto Künnes in der Zeit des Nationalsozialismus.
In diesem Zusammenhang tun Sie auch meines verstorbenen Gatten, Prof. em. Albert B. Verweyen, Erwähnung, welcher sich seinerzeit beherzt in die Diskussion eingeschaltet hatte.
Anstatt sich aber mit den sachlichen Einlassungen meines Mannes in angemessenem Tonfall des Gelehrten zu befassen, anstatt sich seinen Argumenten zu stellen, anstatt sie zu entkräften, sie ad absurdum zu führen etc., läuft Ihre Rückschau auf den „Salzufler Historikerstreit en miniature“, wie mein Gatte die Lokalposse, von der er denn doch nolens volens auch wohl ein Teil war, scherzhaft zu benennen pflegte, grosso modo auf eine unsägliche, ressentimentgeladene Denunziation Albert B. Verweyens hinaus. Dagegen muss ich mich, nicht allein als seine Witwe, sondern auch als seine langjährige Mitarbeiterin und Nachlassverwalterin, mit Entschiedenheit verwahren!
Archivare taugen nur selten zum Detektivberuf und es nimmt daher nicht Wunder, dass Sie uns in unserer Ferienresidenz hier in Gstaad nicht aufspürten. Mein seliger Mann wusste akademische Zudringlichkeit immer in die Schranken zu weisen und nahm gegen Ende seines Lebens Ehrenwürden, sogar Ehrenpromotionen, nur noch unter der für manche befremdlichen Bedingung an, keine öffentliche Dankesrede halten zu müssen. Seine Freunde und Kollegen haben seine Öffentlichkeitsscheu freilich stets taktvoll respektiert und seine Privatsphäre nach Kräften geschützt.
Nun, da er gegangen ist, „ad patres gegangen“ wie er selbst wohl gesagt hätte, nun, da auch meine Kräfte schwinden und sich auch mein Leben neigt, bleiben mir Plagegeister wie Sie, Dr. Ruppert, nicht erspart. Als „Seifenblasen der Geschwätzigkeit“ titulieren Sie die Notate Verweyens zur Künne-Kontroverse; gleichwohl möchte „man“ (?) „solche Stellungnahmen ernst nehmen und auch darauf reagieren“. Warum nur sollte man auf „Seifenblasen der Geschwätzigkeit“ reagieren? Und wenn Sie schon reagieren, warum reagieren Sie dann nicht inhaltlich?! Warum gelten Ihre bedauerlichen Invektiven einem seine Zurückgezogenheit kultivierenden Privatier, nicht aber seinen einschlägigen Textbeiträgen?
Auch Ihr Humor ist windschief, denn wie anders sollte man Ihre gesuchten Pennälerscherzchen gegen Ende Ihres o.a. Beitrags wohl bezeichnen? Sie nennen Verweyen „Alberich“ – er war alles andere als ein Zwerg, Sie nennen ihn „Geist von Spiez“ - mein Gatte war mit Herrn Herberger recht gut bekannt, aber Herberger sprach ihn nie mit „Geist von Spiez“ an.
Wie leicht in Deutschland dürftiger Humor in unfreiwilligen Ernst umschlägt machen Sie schließlich deutlich, indem Sie Ihren unsäglichen Ausbruch darin münden lassen, Verweyen einen „Heckenschützen“ zu nennen, den „man (sic!) vielleicht gar nicht kennen möchte“. Ob Verweyen umgekehrt das Verlangen hatte oder gehabt hätte Sie kennenzulernen, scheinen Sie sich niemals gefragt zu haben. –
Zum Schluss bleibt mir noch, die verdiente Lippische Landeszeitung gegen Ihre ehrenrührige Erklärung in Schutz zu nehmen, wonach Misstrauen gegenüber „dem Forum der Leserbriefseite der Landes- Zeitung“ (gemeint ist wohl „Leserforum der Landeszeitung“) geboten sei.
Misstrauen ist nicht gegenüber einer Zeitung geboten, die ihren Lesern ein Diskussionsforum bietet, Misstrauen ist vielmehr jenem gegenüber angezeigt, der einer historisch - politischen Auseinandersetzung wie jener in Bad Salzuflen mit dem anachronistischen Hinweis auf mangelnde Satisfaktionsfähigkeit eines der Diskutanten ausweicht.
Ob die Künne – Kontroverse damit beendet ist? – Wir wissen es nicht.
Eine Verweyen- Kontroverse möge der Himmel verhüten!
Mit freundlichen und verbindlichen Grüssen,
Xenia Richildis Verweyen (verw. seit dem 31. März 2008)
z. Zt. Gstaad urschr. 8. Juli 2008
(Die Bad Salzufler Ärztin meines verstorbenen Gatten ist befugt, vorliegendes Dokument der Lippischen Landeszeitung zum gefl. Abdruck zu überlassen.)