Riemer's Beinhaus

Besser mit Bildsäulen schweigen

als in den Lehrsälen dieser Wortverdreher reden,

wo Kinderspott gewaltig disputiert,

der Aberwitz sich überklug gebärdet

und phantasiert im Fieberwahn der Zeit

Ludwig Derleth, Der fränkische Koran (Kassel, 1933 S. 393)

Deterings "'Im Islam leben und sterben wir alle' / Goethes 'Divan' im Kontext" (Goethe-Jahrbuch

136. Band der Gesamtfolge 2019 S. 27f.) im Kontext

Man hat unwillkürlich den Verdacht, dass dieser Gelehrte zu wissen scheint, nicht zu wissen,

wovon er spricht.

Ambiguitätstoleranz, Äquidistanz und Resilienz sind im Arsenal zeitgenössischen Appeasements allgegenwärtig.

Wie könnte die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft da außen vor bleiben!

Einer ihrer Spielführer, der Göttinger Germanist und notorische Lyriker Heinrich Detering, gibt im jüngsen Goethe-Jahrbuch einmal mehr die Probe aufs Exempel, indem er Goethes Divan, so hoffnungsvoll, verständnisheischend und zuversichtlich wie sonst nur Politiker oder Lobbyisten, zum Kronzeugen der feinen Gesellschaft der happy few erklärt.

Hier ist die Welt noch ziemlich in Ordnung, hier kennt man noch Klabunds Mohammed-Roman (den von Johannes Tralow schon nicht mehr) und Friedrich Wolfs Mohammed-Stück. Goethes Übersetzung des Voltaireschen Mahomet bleibt in solchen Kreisen (vgl. C. Nachtmann. Die feine Gesellschaft und ihre Freunde. Teil I und II. in: BAHAMAS Heft 76 und 77 2017) freilich besser unerwähnt.

Der Aufklärungsverrat, der so beiläufig daherkommt ("islamophobe Abendländler" S. 30 ibid) ist nichts als Audruck einer allzu deutschen Sehnsucht: Et ego in Mecca!

Dass diese ausgerechnet Goethes Beistand sich glaubt versichern zu könnnen, sollte dem zurechnungsfähig verbliebenen Teil der deutschsprachigen Germanistik Anlasss zu nicht geringer Sorge sein.

Biopsie 1:

"Denn 'wer franzet oder bittet, / Italiänert oder teutschet, / Einer will nur wie

der andre / Was die Eigenliebe heischet'

(FA I, 3.1 S.59) - die gesuchte Unreinheit des Reims entspricht der Unreinheit

des Gereimten." (S. 27 ibid.)

Dem interessierten Mißverständnis auf mikrophilologischer Ebene, einen unreinen (vermutlich ganz ungesuchten Nicht-) Reim als "gesuchten" ausmachen zu wollen, entspricht der Eindruck des Ungereimten der Deteringschen Untersuchung im jovialen Verlautbarungston insgesamt.

Biopsie 2:

"..., als sei die Harmonie der unterschiedlichen Welten prästabliliert." (S. 29 ibid.)

besser:

"..., als sei die Harmonie der unterschiedlichen Welten eine prästabilierte."

Biopsie 3

"Auch für die entscheidenden Aussagesätze meines Statements bleiben die Verse des Divan darum eine überall Fragezeichen anbringende Provokation." ibid. S.30

Detering gebührt das zweifelhafte Verdienst, die salvatorische Klausel in die Philologie eingeführt zu haben. Philologische Schlappschwänze seines Kalibers werden das zu würdigen wissen. Statt dixi sagen diese Leute Ich will nichts gesagt haben.

PS

"Erinnern Sie sich an den Mönch bei Anatole France, der mit tiefem

Behagen die Geschichten von alten Invasionen liest und nicht bemerkt, daß gerade die Barbaren in sein Kloster einbrechen."

Ralf Frodermann XI 2020