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„Als die Frauen noch Schwänze hatten“ / Passionspredigt und Räuberpistole Ostern 2011

ZINNOBER für Senta Berger

„So ein schöner Tag. Viel zu schade für die Kneipe! Geh’ n wir doch in den Biergarten!“

Johannes der Säufer

„Die Menschheit hat sich als Folge der von ihr entwickelten Technologie selbst weitgehend überflüssig gemacht. Moderne Maschinen und Organisationsmethoden ermöglichen es einer relativ kleinen Gruppe von Managern, Technikern und Experten verschiedenster Art, den gesamten Industrieapparat in Gang zu halten. Unsere Gesellschaft hat das Stadium potentieller Massenarbeitslosigkeit erreicht; und Massenbeschäftigung ist in zunehmendem Maße das manipulierte Produkt eines Staatsapparates, der überzählige Menschenmengen in öffentliche Arbeiten abschiebt, zu denen Armeen und öffentliche und halb- öffentliche politische Organisationen gehören, um die Menschen einerseits am Leben und andererseits unter Kontrolle zu halten.“

Leo Löwenthal, Individuum und Terror (1946) dt. in, Schriften 3 Frankfurt, 1990 S.172

„Es gibt nichts Herzerreißenderes als das Heimweh der Arbeitslosen nach den guten alten Zeiten, in denen sie noch hatten sinnlos arbeiten dürfen.“

Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen Bd. 2 (1980) München, 1995 S. 364

Das Ende der Kultur oder besser, was von ihr übrig geblieben war in Deutschland, nämlich nicht mal eine anständige Kulturindustrie, lässt sich unschwer an zwei Einstellungen ablesen:

Zum einen an der Einstellung der Wasserstandsmeldungen im Radio; zum anderen an der der Tiefdruckbeilage der samstäglichen FAZ. Sense seitdem. Leute notieren ihre Befindlichkeiten, tischen Abseitigkeiten aller Art auf, räumen auf und ab ab und auf, mit anderen Worten, sie suchen ihre Fußpflegeaktivitäten publik zu machen.

Die poets maudits heißen auf deutsch HAFTBEFEHL, auf europäisch DJ Stalingrad. Ihre Agitpropoperationen schließen die Wirklichkeit neu an. An Jean Genet? Vermutlich nicht.

Aber doch an das Verbrechertum, einer der bedeutendsten Ausbildungsagenturen der europäischen Jugend dieser Zeit. Jugend wird durch Mimesis und Mimikry im Wortsinn kriminalisiert.

Das universale Tauschprinzip, stumpfsinniges quid pro quo, dominiert noch die Elends- und Arbeitsverwaltung. Die ist unterdessen in ihre animistische Phase getreten; ihre Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung ihrer Kunden (vermutlich würden KZ- Insassen heute auch hier so genannt werden) erinnern an die Irrer, etwa einen Ofen um besseres Wetter anzuflehen oder eine Banane um die richtigen Lottozahlen.

‚Hinterher ist man immer müder’, sagte Julius Hermann von Kirchmann in seiner berühmten Rede über „die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft“ im Jahr 1847.

Heute, da über die Wertlosigkeit einer einzig auf Verwertbarkeit abgestellten Vergesellschaftungsform, die ihren ökonomischen Diktaten auf Gefahr der Selbstabschaffung bedingungslos Tribut zollt, weitestgehend Einigkeit besteht, ist Müdigkeit Trumpf.

Die Müden von ihrem Laster zu trennen dürfte so schwer zu machen sein wie das Meerwasser vom Salz. -

Und mancher wusste nach dreitausend Schnaps:

‚Bald lieg ich golden in der Wiege aus Raps’;

Sie wiegen den stummen, den roh –feinen Leib,

Und singen noch einmal den Singsang vom Weib.

Ralf Frodermann IV 2011