Der heilige Paul im Gehäus

Docta ignorantia, vornehmes Unwissen, sokratische Textkritik:

Über eine seltsame Miszelle Paul Maas’

Vor 50 Jahren starb in Oxford der aus Frankfurt am Main stammende Altphilologe Paul Maas.

Seine Domäne war unter anderem die philologische Mikroskopie, die gelegentlich auch außerhalb seines ureigenen Fachgebietes, der klassischen griechischen, römischen und byzantinischen Literatur, Anwendung fand, so etwa in einer späten Miszelle zu Ehren des 1962 verstorbenen Fachkollegen Gennaro Perrota, die 1963 erschien und den Titel trägt „Ein seltsames Versmaß in Schillers Jungfrau von Orleans II,7.“

Maas, verblüfft über die ungewöhnliche metrische Faktur – er lässt sie „unbenannt“, „aus Gründen“ - dieser Montgomery– Szene, identifiziert sie bei Schiller nur noch einziges Mal, und zwar im letzten Aufzug seiner Braut von Messina.

Zur Herkunft des ungewöhnlichen Versmasses verweist er auf Goethes Helena- Episode in Faust II, von welcher aber Schiller niemals Kenntnis hatte, so dass in diesem Kontext von einer Anregung die Rede nicht sein kann.

Den abrupten Wechsel -„mitten im Satze“ - zum analogen Versmaß der Montgomery- Szene im letzten Aufzug der Braut von Messina unterzieht Maas keinerlei Deutung mehr, sondern bekennt, einbekennt: „Die Plötzlichkeit des Übergangs zu erklären fühle ich mich nicht im Stande.“

Solche Freimütigkeit des gelehrten Scholiasten weist übers rein Philologische hinaus; sie war nichts weniger als die Signatur, das Wasserzeichen der Humanität selbst.

Der in Rede stehende Text von Maas ist wiederabgedruckt in:

Paul Maas: Kleine Schriften. München, 1973 S. 651-653

Erinnerungen Reinhardt