„…, und noch den Stumpfen wird Hoffnungslosigkeit ins Herz treffen.“
W. Benjamin, Das Leben der Studenten
Häme im Wirtshaus / Kalendergeschichte
Einmal, als ein alter Lüstling in der Schenke wieder von Weiberfreuden lauthals phantasierte und seine Träumereien und sein verzweifeltes Wünschen mit Bier und Schnaps befeuerte, fuhr ihm ein anderer, den alle für einen Gauner und missgünstigen Miesepeter hielten, in seine Rede und machte sich lustig über den Johannistrieb des alten Geilhans und darüber, dass er nur ein Blödian und fauler Knecht seiner Rute sei, wie sein Lebtag lang.
Den Weiberfreund kam dieser Sermon kalt an; er schwieg und verbiss sich weiteres Reden. Da sprang, so flugs wie behende, ein Schalk in die Bresche, dem Lüstling beizustehen. Dieser Schalksgeist erzählte dem garstigen Störenfried, dem Lustfeind, von alle den Schikanen und Schurkenstücken, welchen der alte Casanova auf Schloss Dux ausgesetzt war, woselbst er sein Gnadenbrot bezog und oftmals grimmig verzehrte. Er malte ihm aus bis zum Ekel das üble Betragen der Lakaien, ihren Spott und ihre ganze Hundsföttigkeit; dass sie es allezeit fehlen ließen an Respekt und Ergebenheit gegenüber dem großen Erotomanen, Dichter, Spieler und Autobiographen.
Endlich am Ende seiner Fabel angekommen, tat er eine Frage an den blöden Erznarren, der soviel Unflat zuvor über einen Weiberfreund, der aus seiner Hose und seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, auszugießen sich angeschickt hatte:
„Nun, was denkst du wohl, lieber Herr, der du hier den gibst, der gern anderen ins Essen spuckt, wie sahen wohl Lakaien, Diener und Gesinde aus, die vermeinten, über den großen Casanova ein schiefes Gesicht machen zu dürfen und die doch in Wahrheit nur Gewürm und Geschmeiß waren? Na, wie sahen die aus, Herr?“
„Ich wüsste es nicht zu sagen, und prügeltest Du mich auch!“
„Wie du sahen diese Heuchler aus, Schafsgesicht!“, gab ihm der Schalk unter großem Gelächter und Beifall der anderen Zecher zur beschämenden Antwort.
Ralf Frodermann VI 2013
(Am Tag, als die Nachricht vom Tod des großen Schauspielers James Gandolfini von Rom ausging. Er war mit
mit 51 Jahren gestorben, wie 1978 Robert Shaw an einem Herzklabaster.)