Frauenforschung / Aphra-Behn-Cluster

Bock auf/und Verkehr

Aspekte sexueller Belästigung

Unter dem Titel „Der Aufschrei der Philosophinnnen“ berichtet Sibylle Anderl in der FAZ vom 19. Juni 2013 nicht über einen neuen Peter Greenaway- Film oder eine alte Aristophanes-Komödie, sondern von einem neuerlichen Fall sexueller Belästigung unter Akademikern.

Der an der University of Miami lehrende Philosophieprofessor Colin McGinn, Anfang sechzig, hatte einer Studentin per email unter den Rock zu fassen versucht, wurde aber von der solchermaßen Malträtierten zurückgewiesen und steht und nun am Pranger des CHRONICLE OF HIGHER EDUCATION und vor den Scherben seiner akademischen Karriere.

Tugendwächter/Innen sind auf den Plan getreten und stellen in souveräner Perfidie allerlei Mutmaßungen über die strukturellen Ursachen sexueller Belästigungen unter Philosophielehrern an. Die seien ja immer allein mit ihren Student/Innen und könnten auf undialektische Gedanken kommen. Und überhaupt säßen an den nur noch wenigen, aber dafür nahrhaften Fleischtöpfen philosophischer Lehrstühle zu wenig Frauen und was dergleichen vorteilsdenkerischer Kalküle mit Geschlechterhintergund mehr sind.

Dass ein alter Bock wie Professor McGinn besser nicht per email eine Kollegin oder Studentin um einen „handjob“ bittet und dass es für solche Dienstleistungen professionelles Personal gibt, wusste gewiss auch er schon vorher. Und ganz taufrisch ist auch nicht mehr die Einsicht, wonach, wenn Alte und Hässliche bei Jungen und Hübschen sexuellen Appetit anmelden, die Sitte anrückt, eindeutige Angebote männlicher Sahneschnitten aber als „Kompliment“ und Ausdruck singulärer Wertschätzung rationalisiert und auf diese Weise missverstanden werden.

Ob Kants Diener Lampe wegen Diebstahls nur vordergründig gekündigt wurde und nicht doch wegen sexueller Belästigung, erscheint nach alldem aber in neuem Licht. Nach dem Vorfall hielt der Königsberger seine Sprechstunden nur noch bei geöffneter Bürotür ab; seinen email-account hatte er schon früher gekündigt. Ein Mobiltelefon hatte er nie besessen.

McGinns Gattin Cathy jedenfalls hätte es wissen können, schließt doch das Vorwort seines Shakespeare- Buches aus dem Jahr 2006 mit einer beziehungsreichen Augenzwinkerei des für seinen britischen Humor bekannten Colin: „I am also grateful to my wife, Cathy, who more than let me get on with it.“

Ralf Frodermann VI 2013