Bobby Holunders Norderneyer Tagebuch 2019

21. April

Mit der Nixe Binsefuss sagen nun auch wir "Ade für heut!"

Abreise am morgigen Montag nach wundervollen Wochen.

Vorlesung schon übermorgen. Unter dem Titel "Korrekturen" haben wir die Geschichte der Richtigstellungen zu sichten, von Palaphaitos' Wahrheit über die griechischen Mythen bis zu den theosophischen Vulgaritäten der Neuzeit.

Gott sein: Das heißt für einen Sterblichen, dass ein Sterblicher einem anderen hilft, und dies ist der Weg zu ewigem Ruhm. (Plininus der Ältere, Naturgeschichte)

Und Göttin sein heißt meine Frau sein.

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17. April

Schwätzer aus Dingsda im Doppelpack: gestern Kluge und Negt ("Geschichte und Eigensinn", Der unterschätzte Mensch"), heute. Negri und Hardt ("Empire", "Multitude", "Common Wealth").

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15. April

Venus und Adonis, ein Vergleich zwischen den gleichnamigen Versdichtungen Giambattista Marinos und Shakespeares. Wird uns in einigen Tagen im Oberseminar beschäftigen.

Stilübungen nach Landino, s. sein Horaz-Kommentar.

By the way: in der heutigen FAZ lesen wir: "Doch selbst das beste Hörbuch kann uns in diesem Fall nur zum Teil einer geduldigen Bleistiftlektüre entheben." So schreibt Herr Kosenina abschließend in seiner Rezension der Hörbuchedition von Brochs Schlafwandlern und meint, das Hören des Hörbuchs könne einem nicht der Notwendigkeit einer Bleistiftlektüre entheben, unter welcher sich wohl nur noch ein Philologe alter Schule etwas vorzustellen weiß. (Bett- versus Bleistiflektüre, Hure und Heilige?)

Meine liebe Frau unansprechbar, ihre Aufmerksamkeit vollständig absorbiert durch die TV Serie Peaky Blinders, Grandfathers of Anarchy; Seewetterbericht aussichtsreich. (non stilo, sed stylo.)

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14. April

Nachricht von daheim:

http://www.prodomo-online.org/ausgabe-21/archiv/artikel/n/im-federmieder-1.html

Von den sogenannten "Nordrheinvandalen" ist hier nichts zu spüren. Der gemeine Badegast, wie das übrige touristische Nutzvieh, gibt sich gesittet.

Der Insulaner rümpft geschäftsmäßig die Nase.

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12. April

Traf einige Mitläufer auf der Durststrecke, sprich Kollegen. Unangenehm, auch hier im Urlaub von den Falschen erkannt zu werden.

Meine Gattin wie verwandelt, die Seeluft verjüngt sie. Wir beschliessen, über Ostern hier zu bleiben und Otello in Baden Baden (unter Mehta!) ausfallen zu lassen.

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11. April

Noch weniger ist's begreiflich, wie der Mensch also für den Staat gemacht sein soll, daß aus dessen Einrichtung notwendig seine erste wahre Glückseligkeit keime; denn wie viele Völker auf der Erde wissen von keinem Staat, die dennoch glücklicher sind als mancher gekreuzigte Staatswohltäter. Ich will mich auf keinen Teil des Nutzens oder des Schadens einlassen, den diese künstliche Anstalten der Gesellschaft mit sich führen; da jede Kunst aber nur Werkzeug ist und das künstlichste Werkzeug notwendig den vorsichtigsten, feinsten Gebrauch erfodert, so ist offenbar, daß mit der Größe der Staaten und mit der feinern Kunst ihrer Zusammensetzung notwendig auch die Gefahr, einzelne Unglückliche zu schaffen, unermeßlich zunimmt. In großen Staaten müssen Hunderte hungern, damit einer prasse und schwelge; Zehntausende werden gedrückt und in den Tod gejaget, damit ein gekrönter Tor oder Weiser seine Phantasie ausfahre. Ja endlich, da, wie alle Staatslehrer sagen, jeder wohleingerichtete Staat eine Maschine sein muß, die nur der Gedanke eines regieret: welche größere Glückseligkeit könnte es gewähren, in dieser Maschine als ein gedankenloses Glied mitzudienen?

Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (8, 5)

Topothesie Norderney, ist anzufertigen.-

Im Sommersemester 2019 lese ich über:

J. P. Miller: »Die Hoffnung besserer Zeiten für die Schulen« (Halle 1765)

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9. April

Aus dem Familienalbum, ich als Stan Laurel verkleidet (Bildmitte) in Bad Salzuflen, Herbst 1945:

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7. April

Inter omnes mensurarum ritus sive actus eminentissima traditur limitum constitutio.

"Unter allen Riten oder Handlungen der Vermessung gilt als Hervorragendste die Feststellung von Grenzen."

Hyginus Gromaticus, De limitibus constituendis

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5. April

Nibelheim oder Camelot - andere Fragen zählen nicht mehr. -

Der hiesige Chanty-Chor ist arg ausgedünnt.

"Ich schwing mein Horn ins Jammertal", heisst es eingangs des ersten Liedes aus opus 41 ("Fünf Lieder für vierstimmigen Männerchor") von Johannes Brahms.

Nach den Chören sterben die Orchester, die Museen, die Opernhäuser und die Theater. Und schließlich stirbt die Erinnerung an solche Institutionen.

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4. April

Aus einem Interview mit der lokalen Journaille:

"Die aktuelle Ausgabe der Berliner Zeitschrift BAHAMAS erinnert in ihrer jüngsten Ausgabe (Heft 81 Frühjahr 2019 Anm. der Red.) an den verstorbenen Wolfgang Pohrt.

Ihresgleichen scheint da auch sein Fett abzubekommen, dünkt uns,

heisst es doch da auf Seite 79 in einer Parenthese, dass auch eine sogenannte "Gegenakademie" - wir dürfen anmerken: wie die Universität Bockwurst - im akademischen Betrieb jeden noch so klugen Gedanken zu Müll mache.

Sie mühe "verbittert" sich um Anerkennung und sei nur scheinbar "selbstgenügsam".

Prof. Holunder:

"Wir buhlen, zugegeben halbwegs leidenschaftlich und gänzlich aufgeräumt, aber in der Tat unter der Woche selbstgenügsam und am Wochenende verbittert, um Aufmerksamkeit, allerdings mühelos."

Norderneyer Badeblatt vom 3. April 2019

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2. April

Vergangene Nacht erschien mir die Großmutter väterlicherseits im Traum, allerdings in doppelter Ausführung, als Zwillinge.

Fährbetrieb wieder normal.

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30. März

Wolken, Sonne, Mole neu.

Schmock als Verkörperung des Reinfalls.

In der FAZ huldigt heute ein offenbar mit seinem Verstand heftig ringender Schmock der Literatin Monika Rinck:

"Auch Lichtenberg hatte etwas für den Idioten als Verkörperung des Glücksfalls übrig", schreibt der Schmock "und Dumm fickt gut", möchte man da hinzufügen.

Die arme Monika Rinck ist sicher keine "Ausnahmeerscheinung der deutschsprachigen Lyrik", als welche sie die FAZ und ihr bestellter Lobredner - bei seinem Text handelt es sich laut dem Blatt um den einführenden Vortrag zur diesjährigen Lichtenberg-Poetikvorlesung an der Universität zu Göttingen.

(Heimat auch des Dichtergemanisten Heinrich Detering, s. unter "Professorenlyrik" auf dieser Universitätswebsite.)

Frau Rinck wird dort ihres Amts walten -, apostrophiert, sondern nur eine unter vielen "Profiteur/Innen allseits herrschender Mediokrität" (H.E.Dohrendorf).

Eine andere "Ausnahmeerscheinung der deutschsprachigen Lyrik" - dass es in anderen Ländern um die nicht-deutschsprachige nicht besser bestellt ist dokumentiert ein von Jan Wagner (s. unter "Lackaffenlyrik" auf dieser Universitätswebsite) und Federico Italiano jüngst herausgegebener Band: "Grand Tour". Reisen durch die junge Lyrik Europas. München, 2019 -, tritt uns im aktuellen Heft der drögen Zeitschrift Sinn und Form auf Seite 200 entgegen. Dort dichtet Ruth Johanna Benrath unter Scardanelli, revisited, was das Zeug hält. Als ob Gerhard Wolf, Peter Weiss und Peter Härtling nicht schon mehr als genug waren.

Immerhin erfreulich bei der heutigen Zeitungslektüre, dass der Berliner BAHAMAS in ihrem Heft 81 (Frühjahr 2019) die toten Augen der Greta Thunberg aufgefallen sind:

http://redaktion-bahamas.org/artikel/2019/81-my-own-private-holocaust/

Am heutigen Nachmittag Wattwanderung. Sonntag alkoholfrei.

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28. März

Dr. Lemuel Pitkin erläuterte mir die intrikate Machart einer Wissenschaftskritik, die sich als Gesellschaftskritik versteht.

Seinen diesbezüglichen Hinweis auf die Sonderausgabe der Zeitschrift "Berichte zur Wissenschaftsgeschichte" (Vol. 41 Issue 22 Jun 2018) nahm ich auf und bestellte das Heftt im örtlichen Buchhandel. Pitkin nennt solches Vorgehen "Autotelie". Ich lud ihn spontan zu einer Flasche Bollinger ein.

Nach einer weiteren Flasche, diesmal ein Henri Mandois, verbrachten wir gesprächsweise noch die restliche Nacht auf der wohlbeheizten Terrasse des wunderbaren Parkhotels.

Dean Martins Bourbon from Heaven als Soundtrack. -

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26. März

Mein gestriger Abendvortrag im Kurtheater, das heute als Kino dient und nur ausnahmsweise als Vortragssaal zur Verfügung steht, ging in die Hose.

Der Versuch, den Leuten und mir Paul Valerys Granatapfel-Gedicht zu erläutern, mißlang.

Meine Interlinearübersetzung wurde arg mißbilligt.

(dieser leuchtende Riss,

lässt träumen eine Seele, die ich bin,

von ihrer geheimen Architektur)

Syllogistik und Sonett, Hinweis auf Lausbergs große Studie... hat alles nichts genützt. Das eisige Schweigen der Zuhörerschaft war ohrenbetäubend.

Hoffentlich läuft es übermorgen besser: Kamingespräch über Albert Paris Gütersloh; werde ohne meine Gattin keinesfalls auskommen. Leider ist sie für einige Tage auf dem Festland unterwegs.

Fühle mich allein wie lange nicht mehr. - Wetter aussichtslos.

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25. März

Der unwiderrufliche Niedergang des Kur- und Bäderwesenes hat auch den Witwentröstern und professionellen Beutelschneidern -

Heiratsschwindler, Kurschatten etc. - die Geschäftsgrundlage entzogen.

Die wenigen Eintänzer und Gigolos, die man auf der hiesigen Promenade noch antrifft, machen einen elenden und ausgemergelten Eindruck.

Es ist, als läge über diesen Witwenknackern und Beutelschneidern ein Bann, der sich nicht mehr lösen will.

stand on one foot

like a tree (Larry Eigner)

Anna Karenina / Lolita? ( Manche Vergleiche müssen hinken, um zu zünden.)

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24. März

Wie dich ausfüllen, Einsamkeit,

Wenn nicht mit dir selber.

(Aus: Luis Cernuda, Das Wirkliche und das Verlangen. Gedichte. Reclam Leipzig 1978 S. 109: Selbstgespräch des Leuchtturmwärters)

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21. März

Auff dieser wilden See / bey scharfen Nordensbrausen

in der wir nun / O Herr / so lange Zeit verhausen /

Wird dieser Wundsch gethan von allen ingem in:

Laß uns / O Höchster bald in Hafen laufen ein!

Gottfried Finckelthaus (Reise=Wundsch)

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"..., die Methode Benjamins genauer zu analysieren und sie von der üblichen geistesgeschichtlichen Betrachtungsweise abzuheben."

Adornos Seminar vom Sommersemester 1932 über Benjamins Ursprung des deutschen Trauerspiels

(in: Frankfurter Adorno-Blätter IV München, 1992 S.64)

Ingo Meyer schlägt den Sack und meint den Esel: in seiner Rezension mit dem verunglückten Titel Benjamins Trauerspiel (DAPHNIS 46 2018 S.593ff.)

zieht Ingo Meyer Achim Geisenhanslükes Buch Trauer-Spiele. Walter Benjamin und das europäische Braockdrama (2016)

auf seiner kritischen Streckbank das Fell über die Ohren.

Beide gleichen dem Geist, den sie begreifen, nicht Benjamins .

(vgl. Bloch über Avicenna, Kantorowicz über Friedrich II. etc. etc.)

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Daiquiris nach dem Mittagessen; Bettruhe; keine Post.

20. März

Gilles Ménages "Geschichte der Philosophinnen" aus dem Jahr 1690 ist endlich in deutscher Übersetzung beim Hamburger Meiner-Verlag erschienen. Ein Exemplar, dass in durchsichtiger Folie mit der Post eingegangen war, gab mir die freundliche junge Dame am Empfang heute früh mit den Worten: "Bestimmt für Ihre Frau, Herr Dr. Holunder."

18. März

Im Conversationshaus aufgeschnappt:

Lied des Models (m/w/d)

Ich (m/w/d) bringe mein (m/w/d) Leben mit Glück für mich (m/w/d) hin,

Doch ihn (m/w/d) wundert, dass ich (m/w/d) so dämlich bin.

Er (m/w/d) liebt meinen Körper (m/w/d) und ich lieb'sein Kinn (m/w/d),

aber ihn (m/w/d) wundert, dass ich (m/w/d) so dämlich bin.

Sein Geist (m/w/d) zieht mich an, sofern ich (m/w/d) darin,

Ihn (m/w/d) aber wundert, dass ich so dämlich bin.

Er (m/w/d) liebt mich auch, wär' mein Herz (m/w/d) selbst von Zinn,

es wundert ihn (m/w/d) nur, dass ich (m/w/d) dämlich bin.

Er (m/w/d) hängt mir (m/w/d) am Mund, wes Garn ich (m/w/d) auch spinn',

doch wundert es ihn (m/w/d), dass ich (m/w/d) dämlich bin.

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Morgens Anwendungen im Thalasso-Bad. Anschließend Frühschoppen im Klabautermann, anständiges Glasbierfachgeschäft mit sehr guten Tresenkräften.

17. März

Notiz nach einem verunglückten Konzert am gestrigen Abend:

Exekutierte Goldberg-Variationen auf Norderney

Verriss einer Schnapsidee und deren musikalischer Realisierung in 7 Variationen

Wendell Kretzschmar in memoriam

Oskar Werner konnte Schiller interpretieren, Glenn Gould Bach.

Christian Freiherr von Auchjauche

Neuerdings ist Bach auch wieder gegen seine Liebhaberinnen zu verteidigen - den Titel eines Aufsatzes Theodor W. Adornos gendernd -, wenigstens (und hoffentlich nur) auf Norderney.

Denn was am Abend des 16. März 2019 in der dortigen Inselkirche musikalisch in seinem Namen zwar, doch bar seines Geistes, geboten wurde, war ein unflotter Dreier ohne Bach.

    1. Ein komplexes Werk wie die Goldberg-Variationen verdienen eine kurze, präzise, mündliche Einführung im Vortragsformat, d.i. eine akademische Ouvertüre, deren Fehlen am Konzertabend als übles Omen aufgenommen wurde.

    2. Der Notentext ist zu interpretieren, in diesem Konzert wurde jedoch nur eine wenig brauchbare, akustische Kopie desselben versucht anzufertigen.

    3. Die Goldberg-Variationen sind für ein zweimanualiges Cembalo komponiert, der kirchengottesdienstliche Orgelklang sind ihnen, ihren Stimmführungen, ihrer Struktur und ihrem Duktus so wenig angemessen wie ein scheppernder Flügel unter den Händen einer allzu offensichtlich überforderten Klavierschülerin, deren betuliches Herumirren im Notentext an Geschmacklosigkeit nur von ihrem abscheulichen Pedalisieren übertroffen wurde. Aus Grund wohl, wenngleich aus keinem guten, hatte man die virtuosen Variationen der Dame am Cembalo zur Hinrichtung überlassen.

    4. Es ist ein großer Mangel an Urteilskraft, die Goldberg-Variationen in einer Kirche zu spielen. Musizierte Lebensfreude, Raffinesse und Erfindungsgeist, überschäumende Virtuosität und melancholische Melodik sowie eine gelehrte Faktur, kurz: die Goldberg-Variationen gehören nicht in einen weltlichen Abendgottesdienst grenzüberschreitender Tastenlöwinnen, vielleicht nicht einmal in ein Konzerthaus, vielmehr ins Rauchzimmer, ins Boudoir oder in ein Zimmer mit der Aufschrift „Kammermusik“.

    5. Takt ist ästhetische Scham. In diesem Sinn war der Norderneyer Konzertabend taktlos, eine Taktlosigkeit.

    6. Das Falsche, das Unzulängliche, das Banausische des variantenarmen Goldberg-Variationenabend ist mehr als die Summe individueller Fehlleistungen (undifferenziertes, indifferentes und fehlerhaftes Spiel, schleppende Tempi, Ausdrucksarmut, mangelnde Transparenz, mangelnder Profilierung simultaner musikalischer Vorgänge usw. usw.) seiner Akteurinnen.

    7. Hätten die Interpretinnen die Bachschen Inventionen für ihr Trio-Infernale-Experiment gewählt und diese musiziert, statt die Goldberg-Variationen bloß zu fabrizieren, sie wären wohl besser gefahren und hätten kritischer Schelte entraten können.

(Meine liebe Gattin fügte meinem handschriftlichen Eintrag schalkhaft die folgende Passage aus Calderons "Das große Welttheater" hinzu, sie mag hier eingeschaltet werden:

Und da dieses ganze Leben

Eben nur ein Schauspiel vorstellt,

Oh, so werde dem wie jenem

Nachsicht hier wie dort zum Lohne!)

Wetter: Sturm, mild, bewölkt.

16. März

IKEA-Lyrik von Rupi Kaur (dt. die blüten der sonne / 2018):

ja

es ist möglich

jemanden gleichzeitig

zu lieben und zu hassen

genau das tue ich mir selbst an

jeden tag

(ibid. S.101)

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Die letzten Tage der Menschheit

In der 19. Szene des dritten Aktes lässt Karl Kraus zwei Berliner Schlägertypen in einer Moschee zu 'Konstantinopel' interkulturellen Blick schulen.

Es herrscht die majestätische Atmosphäre des Nathan, in welcher die beiden deutschen Lumpen nur störend wirken.

"wir schaffen es", sagt einer von ihnen.

Diese Szene ist das präzise Reversbild der deutsche Gegenwart mit Migrationshintergrund.

14. März 2019

Freundlichste Aufnahme in unserem bewährten Domizil auf der Insel. Meine Gattin war am Abend nach einer beschwerlichen Anreise rasch zu Bett.

Ich meinerseits verließ die Hotelbar in den frühen Morgenstunden, nachdem ich in der eben eingehenden FAZ (14. März), angelegentlich der Beprechung einer älteren Schweinerei aus der Feder Rudolf Borchardts - "Weltpuff Berlin", eine Art de Sade für Deutsche -, der Rezension des Heidelberger Germanisten Kiesel, den folgenden Unfug entnommen hatte: "Vielleicht wollte der 1877 geborene Borchardt mit seinem Roman, der zu Beginn des viertebn Teils beiläufig, aber unüberhörbar Kritik an der deutschen Flotten- und Machtpolitik übt, der Führungsschicht und seinen Zeitgenossen überhaupt zurufen: Ihr hättet ein goldenes Zeitalter haben können! Aber statt dieses auszubauen (sic !), habt ihr euch in einen mörderischen Krieg gestürzt, und jetzt bereitet ihr einen neuen vor. Ihr idioten! Hättet ihr euch lieber der Venus an den Hals geworfen, als dem Mars hinterdrein zu laufen!" (ibid.)

Ausgerechnet dem Borchardt einen solchen Tort anzutun, indem man ihm ein leutselig Wort als Levitenlese in den Mund legt, obendrein im Tonfall des wilheminschen Steißtrommlers mit Lehrbefugnis für Latein und Griechisch... das nenn' ich sein Mütchen verkühlen.

So operettenhaft stellt sich einem deutschen Neuphilologen anno 2019 die Weltgeschichte, das Weltgericht dar. Auch Karl Kraus hat umsonst gelebt.

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Ein halbes Faß voll Bier schlief in dem weiten Magen

(Justus Friedrich Wilhelm Zachariae, Der Renomiste. Ein scherzhaftes Heldengedicht.)

Motto meiner neuen Kleinigkeit "Der Fettarsch und der Quallenarsch. Ein komisches Versepos", das ich in den bervorstehenen Ferientagen voranzubringen hoffe.