Brut- und Setzzeit

„herunterbrechen“: Vom Übergang zur brachialen Weltaneignung

Ein Alltagsavis

Wer heute lernt, hat nicht mehr viel zu tun. Nachdem er da abgeholt wurde, wo er war, zimmert ihm irgendein Dr. Eisenbart ein Nudelholz zusammen, mit dessen Hilfe er leicht alles Wissen der Welt zu sich und ggf. anderen herunterbrechen kann, wie man solches Handwerk zu nennen sich angewöhnt hat. Dies universale ad-usum-delphini- Prinzip wäre früheren Zeitaltern absurd und solipsistisch erschienen. Heute markiert es den Gipfel zeitgemäßer Wissensvermittlung, nicht nur unter Inklusionisten.

Nachdem aus Gulliver, Crusoe und Tom Sawyer Kinderspielzeug geworden war, scheint Wissen und seine Vermittlung insgesamt auf dem Weg, zur Parodie von Erkenntnis zu gerinnen.

Unter Gottesfürchtigen ist der Kinderkatechismus in Erinnerung; die altersgerechte Erläuterung des Aberglaubens erwies sich als solides Fundament späterer Borniertheit. Nach seinem Muster brechen allerorts Lehrkörper das Blaue vom Himmel herunter.

Eine ungute, semantisch-phonetische Ahnung verrät, dass dies Manöver das Gegenteil dessen ist, für das es sich ausgibt, denn es ist in Wahrheit ein Abbruchunternehmen, das sich Geist nach Maßgabe des Ungeistes vorstellt, der todesstarren Pragmatik.

Ralf Frodermann VIII 2012