Kritischer Wald

Gartenzwerghaft

Notizen zum deutschen Film anlässlich der Berlinale 2012 (mit Bonustrack)

Beim deutschen Film nach ‘89 handelt es sich um ein spezifisches Gebrechen, das es ohne die Treibhäuser sogenannter Filmförderung kaum gäbe. Dieser allzu langsam versickernden Quelle entwinden sich noch immer Lemuren aus Zelluloid usw., die als Kino ausgegeben werden, was sie freilich nicht sind.

Filme, die keiner, außer Filmemacher, sehen will, sind oft deutsche Filme. Statt suspense bieten sie meist fade Sitten- und Stimmungsbilder, statt Tempo erfinden sie fortwährend die Langsamkeit neu und statt auf Begeisterung setzen sie augenscheinlich auf die grenzenlose Nachsicht ihres handverlesenen Publikums; daneben auf dessen Assoziationslust, die sich gern im Nebel stochernd ausagiert, sein Bedürfnis nach seelenvollen Tiefenbohrungen aller Art und nicht zuletzt auf das philiströse Interesse an Problemlagen jedweden Zuschnitts, von S bis XXXL.

Die Schmocks, die derartige Erzeugnisse zu Tagesereignissen hochzuschreiben gewohnt sind, sind Nachfahren jener Umtriebigen, welche vor Dezennien Wenders, Kluge, Herzog u.a. zu Größen der Filmkunst erklärten, ohne die Regeln dieses blinde Kuh Spielens auch nur gelernt zu haben; sie mussten sie nicht lernen, sie hatten sie a priori intus.

Abgehalfterte Hollywood- Größen taten das Ihre, einen fatalen Schein zu wahren. So hielt es etwa Tony Curtis für angezeigt, in einem ebenso unsäglichen wie missratenen Streifen des Schriftstellers Thomas Brasch mitzumimen. (Der Passagier 1988)

Rod Steiger war sich leider schon vorher nicht zu schade gewesen, in der rundum missglückten Zauberberg-Verfilmung H. W. Geissendörfers (1982) mitzutun.

Godard ist nicht Cassavetes, und der deutsche Autorenfilm, unseligen Angedenkens, war nicht mal Russ Meyer, sondern immer Heimatfilm. Der abwechselnd neidvolle oder hasserfüllte Seitenblick aufs amerikanische Kino wurde in ihn integriert. Einer wie Schlingensief reagierte auf die Malaise endlich mit Überkompensation und gab seinen Auswurf als „Filme“ usw. aus. Die Avantgarde des deutschen Publikums ist ihm dafür bis heute dankbar.

Ohne seine Schauspieler wäre ein Regisseur aufgeschmissen. Der deutsche ist es mit ihnen. Denn noch peinlicher als der haupt- oder nebenberufliche Filmemacher mit Subventionshintergrund ist nur noch sein/e Schaupieler/In, nebst gaffa-tape-crew und cremiger Entourage.

Es bräuchte die Größe Lubitschs oder Wilders, diesem cineastischen Krähwinkel den Spiegel vorzuhalten; das Gelächter wäre ein homerisches.

RF II 2012