Professorenlyrik
for John Koethe
(Poets come and go and what they see are redoubtable forms of nothing)
and Louise Glück
Laughter is just so much about the stars, now isn’t it?
Peter Cooley, To My Daughter
I know if I will find you I will have to leave the earth
and go on out
and over the hills of brant in bays
A. R. Ammons, Hymn
I mean the ultimate horeshit.
James Tate, the Paris Review Issue 177 Summer 2006
Charles Bernstein: Angriff der schwierigen Gedichte.
amer./dt. Wiesbaden, 2014
Ich spreche noch brüderlich von ihm; sollte ich ihn dir zergliedern, müßte ich erröten und weinen, und du müßtest blaß werden und erstaunen.
Shakespeare, Wie es euch gefällt (I,1)
Ex Momos & Hecastus:
Subsumtion der Literatur unter ihre Wissenschaft
Generalabnehmer der Ware Literatur ist seit einige Jahrzehnten die Literaturwissenschaft. Auf diese Weise erhält sich ein gewisser Schein dessen, was einmal 'literarisches Leben' hieß.
(Analog liegen die Dinge im Verhältnis Arbeitskraft zu ihrem staatlichen Generalabnehmer. Mit dem bevorstehenden Austritt Griechenlands aus der Eurounion – dem sog. Grexit – wird der ökonomische Schein freilich schwerer zu gewährleisten sein. Die Lügenrepatur ist dann vor neue Herausforderungen gestellt und wird schweres Gerät heranschaffen müssen.)
Produzent und Konsument literarischer Konfektion werden identisch, d.h. zum Beispiel, dass Literaturdozenten ihre Gedichtbände selbst verfassen, untereinander besprechen, in Lesekreisen lancieren und so, indem Autorschaft und Publikum verschmelzen, ein schwarzes Loch ästhetischer Anti-Materie bilden.
Dieser ganze inverse Simulationsbetrieb aus reflektierten Zeitgeistsekundanten (s.u.), bestallten oder unbestallten Berufsästheten dieser Zeit (P. H. Neumann, H. Detering, J. V. Röhnert, Dirk von Petersdorff e tutti quanti) und anderen, von sich selbst überwältigten Narren mit Legitimationsbedarf (s.o.) ähnelt seinem geistigen Zuschnitt nach am ehesten jenem denkwürdigen Typ Musikfreund, der daheim zur Schallpallte dirigiert, sich zuweilen selber lächerlich dünkend, doch wattiert in einen Ernst und einen Willen zur Erbauung und bescheidenen Selbstanmaßung, der neben Schweigen nur noch die Preisung seines Werks gebietet.
„Nur ein paar Fingerzeige, einige zerstreute schwache Anhaltspunkte auf weiten Umwegen
Suche ich hier für mich selbst zu entdecken.“
Walt Whitman
"Facing a certain
wind, there is always danger."
Keith Waldrope, An Apparatus
M & H 19. April 2015
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Epistel an Henricus,
welcher sich, in der Sprache des Pop-Beauftragten, als "Dylanianer", nicht etwa als ordinärer "Dylan-Fan" oder "Dylanist" wiederholt zu Wort gemeldet und item überdies als Kulturbetriebsnudel germanistischer Provenienz die Nähe der weiten Schatten werfenden Zwerge im Herbstgespräch sucht, nota bene: Günter Grass, Heinrich Detering: "In letzter Zeit." Ein Gespräch im Herbst. Göttingen, 2017)
Bukolischer Sehrmann, bist wieder da!
Musenalmanachmacher,
Göttinger Haini, nach göttlichem
Ratschluss– willkommen! neuer pro-,
perz, tibull, cat-,
ullus.
Heilig und nassforschend dichtest du:
„ja wirklich es war ein glücklicher moment
als Zesen zum Augenblick Augenblick sag-
te“
dem folgt deutscher gesang, oder?
„ja wirklich es war ein glücklicher augenblick
als deutschland zum führer führer sag-
te“
in orplid - wir ahntes es einmal -
professorenlyrik ward heikel und
depravierte mimten den obermaat
Trio (Mörike Goethe)
Lauter Nichts ist sein Tun und voll von törichten Grillen
So wie der Papst auf seinem Thron,
So sitzt der Akademiker auf seinem Lohn;
Er ist bepfründet, hat er mehr zu hoffen?
"Die Welt ist weit, den Narren steht sie offen.
Wir sind behäglich, können tätig ruhn;
Macht euch, ihr Toren, Tag für Tag zu tun."
attisch salzt keiner deiner wundertiere,
pfäffisch butzenscheiberts, dein klaviere;
nota bene „sport und tiere“
aus deinem hörnchen jauchts in fülle,
der fachmann nennt es „die idylle“
peter horst neumann / Auch einer (Davidsbündler gar?)
Wanderlied
(Kurzfassung, reimlos,
für einen gehbehinderten
Freund:)
Bleib stehen.
Es kommt
auf dich zu.
besinge, henricus, du weiter nur seegurke und
grottenolm,
wir wollen lachen und deinen sprachdreck
ohn' allen weitern eifer bewachen,
beseligt von deiner kür,
erkiesend doch bessres: einen hauch.
Ralf Frodermann April 2015 / März 2016
J.A.Leisewitz:
Rede eines Gelehrten an eine Gesellschaft Gelehrter, 1776
H. C. Boie:
Das Magisterexamen
Die Zier der Universität,
Ob an der Sal', ob an der Leine?
Trat aus der Weisheit Lorbeerhaine
Vor eine weise Fakultät,
Daß sie sein Geld gehörig wäge
Und zum Magister dann ihn präge.
Geprüft nun in Philosophie,
Humanität, Statistik, Ethik,
Heraldik, Kunstgeschicht', Aesthetik,
Und Algebra und Alchymie
Und Wißenschaften aller Klassen,
Ward er mit großem Ruhm entlaßen;
Als mit der Frag ein Schalk ihm naht:
»Sag uns, der alles weiß und kennet,
Woran wird attisch Salz erkennet?«
Mit Lächeln drauf der Kanditat:
»Ach dessen fiel mir in die Feder
Kein Wort von keinerlei Katheder.«