Onomastica CIL VI 200

Heikki Solin

ZUR ONOMASTISCHEN EXEGESE VON CIL VI 200

in «Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik» vol. 129 (2000) pp. 293–303

Antike Namenforschung und Prosopographie sind Geschwisterdisziplinen, die mit unzähligen festen Banden verknüpft sind und sich nicht voneinander trennen lassen. Ich hoffe, daß Werner Eck, der große Meister der prosopographischen Forschung, dem der vorliegende Aufsatz zum 60. Geburtstag gewidmet ist, dieses kleine munusculum als Zeichen einer langdauernden Freundschaft entgegennimmt.

Im Jahre 1547 wurden bei den Ausgrabungen auf dem Forum Romanum in der Nähe des Severusbogens fünf zusammenhängende Inschriften aufgefunden, von denen drei im Auftrag von Papst Paul III. in den Palazzo Farnese gebracht wurden (CIL VI 196, 198, 200). Eine der zwei vom Papst nicht berücksichtigten Inschriften ist wahrscheinlich in einem im Garten des Quirinals befindlichen, oft als moderne Kopie beurteilten Exemplar zu erkennen (CIL VI 199), während die andere von dem bekannten Antikensammler Rodolfo Pio, Kardinal von Carpi, erworben wurde, dann aber bald verlorenging (CIL VI 197). Seit Ende des 18. Jahrhunderts befinden sich die drei von Paul III. erworbenen Inschriften mit anderen Farnesischen Inschriften und Kunstwerken im Archäologischen Museum von Neapel. Sie sind teilweise arg verwittert; besonders an der längsten von ihnen, der Weihung der tribus Suburana iuniorum an die pax aeterna domus Imperatoris Vespasiani Caesaris Augusti liberorumque eius, hat der Zahn der Zeit genagt. Der onomastischen Exegese gerade dieser Inschrift ist der vorliegende Aufsatz gewidmet. Davor sei aber eine kleine Bemerkung zur Lesung einer anderen Inschrift gestattet; dieser Fall zeigt nämlich, wie vorsichtig man gelegentlich mit den Lesungen der Corpuseditoren umgehen muß. Es geht um CIL VI 196 = 4 unserer Edition, in der der Name des dritten immunis in der Lesung von Mommsen (IRN 6756) im Corpus mit C. Fulvius Phoebus wiedergegeben wurde. Der Vorname des Mannes ist aber eindeutig als P(ublius) zu lesen, und so haben schon von den Früheren – soweit ich zur Zeit sehe – wenigstens der römische Künstler Antonio Lafreri in einem im Jahre 1550 verfertigten Stich, Metellus (alias Jean Matal), Martin de Smed (flämisch Maarten de Sme(d)t) alias Martinus Smetius und Pirro Ligorius ungefähr zur gleichen Zeit gelesen. Letzten Endes dürfte es sich aber nur um eine pure Nachlässigkeit von Henzen handeln, denn auch Mommsen IRN 6757 hat P(ublius), und Henzen weist im Apparat in keiner Weise auf eine Divergenz in der Lesung.

Nun aber zu der langen Inschrift CILVI 200 = 6 unserer Edition aus dem Jahre 70 n.Chr. Sie ist unter anderem besonders wertvoll wegen ihrer langen Verzeichnisse der Namen der iuniores der tribus Suburana. Unter den Namen finden sich viele onomastisch interessante und seltene Bildungen, aber auch – und das macht die Inschrift nun zu einem interessanten Prüfstein für das Studium der Qualität der onomastischen Kenntnisse großer Epigraphiker des 16. Jahrhunderts – viele wirkliche Monstren, die zweifellos als falsche Namen aus den Repertorien auszuklammern sind. Die Inschrift wurde von bedeutenden Epigraphikern des XVI Jahrhunderts studiert, wodurch ein fester Grund zu ihrer Lesung gelegt wurde. Von den erlauchten Namen der zeitgenössischen Epigraphik wurde das Verständnis der Inschrift vor allem von Metellus, Smetius und Manutius gefördert. Sie haben manches noch lesen können, was heute entweder nur schwer lesbar oder ganz verlorengegangen ist. Vieles war aber schon damals schwer lesbar, denn sonst kann man einerseits die unsinnigen Lesarten, andererseits die Divergenzen nicht verstehen, die diese Forscher bieten...

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