Taraxacum

Taraxaci radix cum herba (Löwenzahnwurzel mit Kraut)

Verfasser

Alois Hiermann

Übersicht

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Gliederung

G Taraxacum

A Taraxacum officinale WEB. ex WIGG.

D Taraxaci folium

D Taraxaci radix (Löwenzahnwurzel)

D Taraxaci radix cum herba (Löwenzahnwurzel mit Kraut)

D Taraxacum dens leonis hom. PF X

D Taraxacum officinale hom. HAB 1

D Taraxacum officinale hom. HPUS 88

D Taraxacum officinale radix hom. HPUS 88

Synonyme

Herba Taraxaci cum radice; Radix; Taraxaci cum herba

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Löwenzahn, Löwenzahn-Ganzpflanze, Taraxacum-officinale-Ganzpflanze, Pißblume; Dandelion herb and root; Herbe et racine de dent de lion; Erba e radice del tarassaco; Hierba e raiz de dente de leon; port.:Erva raiz de dente de leão.

Offizinell

Löwenzahn – DAC 86

Definition der Droge

Die im Frühjahr vor der Blüte geernteten und getrockneten ganzen oder zerkleinerten, oberirdischen Teile vonTaraxacum officinale mit dem Wurzelstock, der Pfahlwurzel oder mit deren Teilen [30].

Charakteristik

Stammpflanzen: Taraxacum officinale WEB. ex WIGG.

Herkunft: s. → Taraxaci folium.

Gewinnung: Lufttrocknung.

Ganzdroge: Aussehen. Blätter in einer grundständigen Rosette angeordnet, lanzettlich bis verkehrt-eiförmig, gegen die meist rotvioletten Blattstiele verschmälert, schrotsägezähnig gelappt, mit dreieckigen, zugespitzten Zipfeln und mit großem dreieckigen Endlappen versehen, kahl oder leicht wollig behaart. Die Blütenstandsknospen befinden sich auf hohlen, blattlosen, einköpfigen Stielen. Sie sind von einem Hüllkelch aus lineal-lanzettlichen, grünen, an der Spitze oft dunkelgrünen Blättern eingeschlossen und haben gelbe Zungenblüten mit einem kurz gestielten, aus einfachen, höchstens kurz gezähnten Haaren bestehenden weißen Pappus [30]. Beschreibung der Wurzel s. → Taraxaci radix.

Schnittdroge: Geschmack. Bitter und zugleich süßlich. Geruch. Schwach, eigenartig. Aussehen. Die Schnittdroge ist gekennzeichnet durch die außen dunkelbraunen Wurzelstücke mit kleinem, gelbem Holzkörper und breiter, heller Rinde, zahlreiche, wollig oder zottig behaarte, mitunter auch unbehaarte Blattstücke, rotviolette Blattstielteile, Blütenstandsknospe und einzelne, gelbe Zungenblüten mit weißem Pappus.

Mikroskopisches Bild: Die Blätter sind bifazial, mit zweireihigen Palisaden und beidseitig mit Spaltöffnungen versehen. Auf beiden Seiten finden sich Gliederhaare aus langgestreckten, dünnwandigen, meist kollabierten Zellen. Ferner, besonders auf den Rippen der Blattunterseite, mehrzellige Borstenhaare, deren obere Zellen oft spornartig ausgebogen sind. Die Blütenstiele sind durch langgestreckte Epidermiszellen mit gestreifter Cuticula, nahezu parallel verlaufenden, faserfreien Leitbündeln in Begleitung zahlreicher, gegliederter Milchsaftschläuche gekennzeichnet. Die häufig dunklen Spitzen der Hüllkelchblätter bestehen aus derbwandigen, breit papillösen Epidermiszellen. Im Mesophyll zahlreiche anastomosierende Milchsaftschläuche. Nahezu alle Teile der Zungenblüten führen Öltropfen. Der Griffel ist mit derbwandigen, spitzen, einzelligen Haaren besetzt. Die runden, 30 bis 40 μm großen, feinstacheligen Pollenkörner haben 3 Keimporen und eine erhabene Netzstruktur. Pappushaare bestehen aus derbwandigen, faserartigen Zellen [30].

Pulverdroge: Aussehen. Mikroskopisches Bild. Graugrünes Pulver mit farblosen, dünnwandigen Parenchymzellen, Milchsaftschläuchen und bräunlichen Korkzellen der Wurzel. Ferner Flächenansichten der Blattepidermis mit Spaltöffnungen des anomocytischen Typus. Fragmente der Blütenstiele und der Hüllkelchblätter mit schmalen Leitbündeln aus wenigen Spiralgefäßen und Milchsaftschläuchen. Blütenteile mit gelben Öltropfen und papillöser Epidermis, Bruchstücke der Pappushaare und der Endothecien sowie Pollenkörner. Sklerenchymfasern, Calciumoxalatkristalle und Stärkekörner fehlen [30].

Verfälschungen/Verwechslungen: Mit Cichorium intybus L. und Blättern verschiedener Leontodon-Arten [5].

Minderqualitäten: Von tierischen Schädlingen und pflanzlichen Parasiten befallene Droge.

Inhaltsstoffe: Sesquiterpenlactone. 11,13-Dihydrotaraxinsäure-1′-O-β-D-glucopyranosid, Taraxacolid-1′-β-D-glucopyranosid, Taraxinsäure-1′-O-β-D-glucopyranosid, 4α,15,11 β,13-Tetrahydroridentin B [9]. Triterpene. β-Sitosterol, β-Sitosterol-β-D-glucopyranosid, Taraxasterol, y-Taraxasterol, y-Taraxasterolacetat, Taraxerol, y-Taraxerol, Taraxol [9], [19]. Flavonoide. Apigenin-7-O-β-D-glucosid, Luteolin-7-O-β-D-glucosid [11]. Kohlenhydrate. In der Wurzel Schleim ca. 1,1 %; Inulin 2 % im Frühjahr, im Herbst bis zu 40 % [7]. Mineralstoffe. Wurzelasche 7,31 %, darin K2O 38,86 %, Na2O 10,44 %, CaO 19,96 %, MgO 8,38 %, Fe2O3 0,86 %, Cl 2,65 % [20]. Sonstige Inhaltsstoffe. Taraxacosid (= β-O-[4-O-(p-Hydroxyphenylacetyl)-β-D-glucopyranosyl]-β-hydroxy-γ-butyrolacton [21],p-Hydroxyphenylessigsäure, 3,4-Dihydroxyzimtsäure [7]

Identitaet: Histochemischer Nachweis auf Inulin mit 1-Naphthol-Schwefelsäure und auf Schleim mit Tusche bzw. Methylenblau [30].

Reinheit: Fremde Bestandteile: Höchstens 2 %. Trocknungsverlust: Höchstens 11 %. Asche: Höchstens 17 %. Extraktgehalt mit Wasser: Mindestens 30,0 % [30].

Lagerung: Vor Licht und Feuchtigkeit geschützt.

Zubereitungen: Extractum Taraxaci EB 6; hergestellt aus 1 T grob gepulverter Droge, 8 T Wasser und 1 T Weingeist.

Verwendung: Das frische Kraut als Diabetikergemüse.

Gesetzliche Bestimmungen: Standardzulassung Nummer: 1139.99.99. Aufbereitungsmonographie der Kommission E beim BGA „Taraxaci radix cum herba“ [25].

Wirkungen: Harnvermehrender und saluretischer Effekt. Aus der Wurzel und aus dem Kraut hergestellte Fluidextrakte (1 mL Extrakt ≙ 1 g Droge) wurden als 0,5- bis 6 %ige Lösungen in destilliertem Wasser in einer Dosis von 50 mL/kg KG p. o. an Ratten verabreicht. Als Vergleich diente das gleiche Volumen Wasser, als Referenz Furosemid 80 mg/kg KG. Den Zubereitungen wird nach Einmalgabe und täglicher Gabe über 30 Tage eine diuretische und saluretische Wirkung zugeschrieben. Die deutlichsten Wirkungen wurden mit der 4 %igen Lösung des Extraktes aus dem Kraut gefunden (entsprechend 2 g/kg KG). Nach einmaliger Gabe wird ein diuretischer Index von 1,90 und ein saluretischer Index von 6,29 (Natrium) bzw. 4,04 (Kalium) angegeben. Am 30. Tag der wiederholten Anwendung betrug der diuretische Index 2,07 und der saluretische Index 4,04 (Natrium) bzw. 3,42 (Kalium). Der mit der Referenz nach Einmalgabe erzielte diuretische Index betrug 1,87, der saluretische 7,90 (Natrium) bzw. 3,60 (Kalium). Die Ergebnisse bedürfen der Überprüfung [22]. In einer anderen Untersuchung wurde an Ratten nach p. o. Gabe unterschiedlicher, nicht näher definierter Extrakte, Löwenzahnpreßsaft und Löwenzahntinktur in Dosen zwischen 0,2 und 2 g/kg KG weder bei hoher (50 mL/kg KG) noch bei niedriger (5 mL/kg KG) Wasserbelastung eine Zunahme der Flüssigkeitsdiurese beobachtet. Als Referenz dienten Furosemid 25 und 50 mg/kg KG. Eine Steigerung der Kalium-, Natrium- und Chloridausscheidung war die kompensatorische Folge der Zufuhr mit den Extrakten selbst. In der hohen Dosisgruppe sollen bei einigen Extrakten antidiuretische Wirkungen aufgetreten sein. Nähere Angaben fehlen [35]. Anregung des Galleflusses. Die intragastrale oder intraduodenale Gabe einer 20 %igen wäßrigen Lösung des Trockenrückstandes einer Urtinktur, Taraxacum HAB 34, soll an Urethan-anästhesierten Ratten mit Choledochus-Kanüle choleretisch wirken. Die Angaben sind angesichts unzureichender exp. Daten nicht bewertbar [23].

Störungen des Galleflusses; Beschwerden im Bereich von Magen und Darm wie Völlegefühl, Blähungen und Verdauungsbeschwerden [24]. Die in der Monographie „Taraxaci radix cum herba“ der Kommission E des BGA genannte Indikation „Anregung der Diurese“ bedarf angesichts der neueren Untersuchungsergebnisse der Überprüfung [35]. Sie ist in der aktuelleren Monographie → Taraxaci herba nicht mehr enthalten.

Teezubereitung: Etwa 1 bis 2 Teelöffel voll werden mit ca. 150 mL Wasser kurz aufgekocht und nach etwa 15 min Ziehen durch ein Teesieb gegeben. Soweit nicht anders verordnet, wird morgens und abends 1 Tasse frisch bereiteter Teeaufguß warm getrunken. Abkochung: 3 bis 4 g der geschnittenen oder gepulverten Droge auf 1 Tasse Wasser [25].

Unerwünschte Wirkungen

Wie bei allen bitterstoffhaltigen Drogen können superacide Magenbeschwerden auftreten, s. → Taraxaci folium [25].

Gegenanzeigen/

Anwendungsbeschränkungen

Verschluß der Gallenwege, Gallenblasenempyem, Ileus. Bei Gallenleiden nur nach Rücksprache mit einem Arzt anwenden [25].

Erkrankungen der Leber und Galle. Weiterhin bei Hämorrhoiden und Stauungen im Pfortadersystem. Zur Behandlung von Gicht und rheumatischen Erkrankungen sowie von Ekzemen und anderen Hauterkrankungen genutzt. Durch die harntreibende Wirkung sollen Nieren- und Blasenleiden sowie die Grieß- und Steinbildung günstig beeinflußt werden. Wurzeln und Blätter werden wegen des hohen Inulingehaltes als Bestandteile von Diabetikertees verwendet. Die Wirksamkeit bei den genannten Anwendungsgebieten ist gegenwärtig nicht belegt. Als Aufguß: 1 Eßlöffel der geschnittenen Droge auf 1 Tasse Wasser. Als Abkochung: 3 bis 4 g der geschnittenen oder gepulverten Droge auf 1 Tasse Wasser. Teebereitung: Etwa 1 bis 2 Teelöffel werden mit ca. 150 mL Wasser kurz aufgekocht und nach etwa 15 min Ziehen durch ein Teesieb gegeben. Soweit nicht anders verordnet, wird morgens und abends 1 Tasse frisch bereiteter Teeaufguß warm getrunken [24]. Extractum Taraxaci EB 6: Mittlere Einzelgabe: Als Einnahme 0,5 g.

Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Die Droge führt mehrere allergenverdächtige Inhaltsstoffe, insbesondere Taraxinsäure-1′-O-β-D-glucopyranosid aus der Gruppe der Sesquiterpenlactone, die ein Sensibilisierungspotential aufweisen [31], [32].

Sensibilisierung: In tierexp. Untersuchungen an Meerschweinchen wurde die allergene Potenz von etherischen Auszügen der frischen Pflanze und der Droge Radix taraxaci cum herba objektiviert. Eine Epicutantestung am Löwenzahnallergiker zeigte, daß Taraxacinsäure-1′-O-β-D-glucopyranosid in einer Konzentration von 0,1 % eine stark ausgeprägte Reaktion entfaltet. Insgesamt wird das Sensibilisierungspotential des Löwenzahns als sehr schwach eingestuft [31].

Toxikologische Daten:

LD-Werte. LD50 (Maus, i. p.): 36.600 mg/kg KG, Fluidextrakt von Taraxaci radix. LD50 (Maus, i. p.): 28.800 mg/kg KG, Fluidextrakt von Taraxaci herba [22].

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33. ÖAB 10

34. DAB 9

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Copyright

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Datenstand

15.08.2010