Sisymbrium

Sisymbrium-officinale-Kraut

Verfasser

Sabine Mundt

Übersicht

S > Sisymbrium > Sisymbrium officinale (L.) SCOP. > Sisymbrium-officinale-Kraut

Gliederung

G Sisymbrium

A Sisymbrium officinale (L.) SCOP.

D Sisymbrium officinale hom. HAB 1

D Sisymbrium-officinale-Kraut

Synonyme

Erysimi herba; Herba Erysimi; Herba Sisymbrii

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Raukenkraut, Wegraukenganzpflanze, Wegraukenkraut, Wildes Senfkraut; Hedge mustard; Herbe aux chantres, moutarde des haies; Erisimo medicale; Erísimo, hierba de los cantores, rabanillo; port.:erva-dos-cantores, rinchão.

Definition der Droge

Die frische, blühende Pflanze; in Ausnahmefällen das getrocknete Kraut [32].

Charakteristik

Stammpflanzen: Sisymbrium officinale (L.) SCOP.

Schnittdroge: Geschmack. Leicht scharf [33]. Geruch. Kresseartig.

Mikroskopisches Bild: Die obere Epidermis der Blätter besteht aus leicht welligen Zellen mit zahlreichen, meist in Gruppen zusammenliegenden Spaltöffnungen, die von drei Nebenzellen umgeben sind. Einzellige, dickwandige Haare mit körniger Cuticula treten vereinzelt auf. Die Epidermiszellen der Blattunterseite sind stärker gewellt. Spaltöffnungen sind ebenfalls vorhanden. Haare sind reichlich zu finden, die einzelnen Haare sind größer als die der Blattoberseite [33].

Sisymbrium officinale (L.) SCOP. Aus Lit. [31]

Sisymbrium officinale (L.) SCOP: Flächenschnitt der Blattober- und Blattunterseite; 1 obere, 2 untere Blattepidermis mit anhaftenden Mesophyllzellen und Deckhaaren. Nach Lit. [51].

Inhaltsstoffe: Glucosinolate. In der Frischpflanze wurdem Sinigrin (= Allylglucosinolat) und Gluconapin (= 3-Butenylglucosinolat) nachgewiesen [34]. Steroide. Herzwirksame Glykoside vom Cardenolidtyp, wie Corchorosid A (= k-Strophanthidin-D-boivinosid) 18,3 mg/100 g und Helveticosid (= k-Strophanthidin-D-digitoxosid) 4,5 mg/100 g kommen in den Spitzen blühender Pflanzen vor [28]. Vitamine. Der Gehalt an Vitamin C ist mit 216,5 mg/100 g frische Blätter überraschend hoch [35].

Identitaet: Glucosinolate. Die qualitative Analytik der Droge erfolgt nach zwei Hauptprinzipien: 1. Erfassung der Abbauprodukte der Glucosinolate und 2. Bestimmung der intakten Glucosinolate [36], [37], [38], s. → Brassica. 1. Erfassung der Hydrolyseprodukte. Bestimmung der durch Einwirkung von Myrosinase freigesetzten Isothiocyanate mittels GC ohne vorherige Derivatisierung (int. Standardmethode); [38] s. → Brassica. 2. Erfassung der intakten Glucosinolate PC. Die Extraktion des Pflanzenmaterials erfolgt durch 5minütiges Kochen in MeOH und anschließendes mehrstündiges Stehenlassen. Der bei 20 bis 30 °C eingeengte Extrakt wird zur PC verwendet: Sorptionsmittel: Schleicher-Schüll-Papier; Laufmittel: n-BuOH-Essigsäure-Wasser (40+10 +40); Detektion: 1 %ige ammoniakalische Silbernitratlösung oder 10 %ige Kupfersulfatlösung [34]. DC. Das zerkleinerte Pflanzenmaterial wird in siedendem MeOH 5 min gekocht. Es folgt eine Extraktion der Glucosinolate durch einstündiges Stehenlassen mit MeOH. Das erhaltene Filtrat wird eingeengt und auf eine Cellulosesäule (Cellulose MN 100) aufgebracht und mit MeOH eluiert. Nach Verwerfen des Vorlaufs werden 100 mL Eluat aufgefangen und nach Einengen auf 1 mL zur DC verwendet: Sorptionsmittel: Kieselgel 60 F254 Fertigplatten; Laufmittel: n-BuOH-n-PrOH-Eisessig-Wasser (30+10+10+10); Vergleichssubstanzen: Sinigrin 5 mg gelöst in 10 mL MeOH; Detektion: 2 % Trichloressigsäure in Chloroform, anschl. Erhitzen im Trockenschrank 10 min bei 140 °C und erneutes Besprühen mit 1 %iger wäßriger Kaliumferricyanidlösung und 5 %iger Eisen(III)-chloridlösung (Mischung 1+1); Auswertung: Senfölglucoside geben blau gefärbte Zonen auf gelblichem Untergrund [39]. Die Auftrennung von Desulfoglucosinolaten (s. GC) durch DC ist ebenfalls möglich: Sorptionsmittel: Cellulose F254 Fertigplatten; Laufmittel: BuOH-Eisessig-Wasser (4+1+2); Detektion: p-Dimethylaminobenzaldehyd oder p-Dimethylaminozimtaldehyd oder diazotierte Sulfanilsäure [40]. GC. Nach heiß-wäßriger Extraktion erfolgt die Präparation von Desulfoglucosinolaten. Dazu wird der glucosinolathaltige Extrakt auf eine DEAE-Sephadex A-25 oder Dowex 1-Säule aufgebracht, wobei die Glucosinolate über das Sulfation an den Anionenaustauscher gebunden werden. Die Ablösung erfolgt bei pH 7 mit Kaliumsulfat als Elutionsmittel [41]. Eine elegantere Methode ist die Einwirkung von Arylsulfatase 0,2 % über Nacht zur Abspaltung der Desulfoglucosinolate und die anschließende Elution mit Wasser [42]. Zur Derivatisierung der Desulfoglucosinolate für die GC wird ein Gemisch aus Pyridin-Methylsilylhexafluorbutyramid-Trimethylchlorsilan (100+100+10) empfohlen [41]. Die Verwendung von Trimethylchlorsilan und Hexamethyldisilan in Pyridin bei 105 °C über Nacht wird ebenfalls beschrieben [42]. Die Trennung der TMS-Derivate erfolgt an Glassäulen, die Chromosorb W-AW-DMCS mit 2 % OV-7 als stationäre Phase enthalten [41]. Herzwirksame Steroide. Durch PC wurden in den Spitzen der blühenden Pflanze Cardenolidglykoside identifiziert: Sorptionsmittel: Whatmann-Papier Nr. 1; Laufmittel: Chloroform gesättigt mit Formamid; p -Xylol-Methylethylketon (1+1), gesättigt mit Formamid; Chloroform-Dioxan-n -BuOH (70 +20+5), gesättigt mit Formamid; Detektion: Baljet-Reagenz, Xanthydrol-Reagenz; [28] s. → Erysimum.

Gehalt: Herzwirksame Steroide. Der Gesamtgehalt in den blühenden Pflanzenspitzen beträgt 49,6 mg/100 g. Cardenolide, die Desoxyzucker enthalten, sind zu 42,2 mg/100 g enthalten [28].

Gehaltsbestimmung: Herzwirksame Steroide. Der Gesamtgehalt wird colorimetrisch unter Verwendung von Baljet-Reagenz bestimmt [28]. Glucosinolate. Die Bestimmung der Hydrolyseprodukte wie Isothiocyanat oder Glucose bzw. des Gehalts an intakten Glucosinolaten ist möglich; s. → Brassica.

Zubereitungen: Wegraukenkrautextrakt (Extraktum Erysimi): Wäßriger Extrakt; 6 bis 8 g Droge entsprechen 1 g Extrakt.

Alte Rezepturen: Sirop d'erysimum composé du Codex: [32] Der Sirup wird aus der Droge sowie folgenden Bestandteilen bereitet: Borretsch, Alant, Zichorie, Frauenhaar, grüner Anis, Rosmarin, Lavendel, Katzenpfötchen, Süßholz, Rosinen, Graupen und Honig. Er wird als Zusatz zum Drogenaufguß [43] oder zu Hustenmitteln 40 bis 60 g/Tag empfohlen [32].

Verwendung: Die jungen Blätter der Droge werden zu Salaten, Soßen, Suppen, Omeletts und Kräutertees zugesetzt [48].

Gesetzliche Bestimmungen: Nach Lit. [47] wird die Droge als giftig + bzw. schwach giftig (+) klassifiziert.

Pharmakologie

Wirkungen: Die Droge soll krampflösende und dadurch schmerzstillende Effekte aufweisen [32], [43], [44].Experimentell-pharmakologische Untersuchungen liegen nicht vor.

Unerwünschte Wirkungen

In der Literatur keine Nebenwirkungen beschrieben. Anmerkung: Grundsätzlich kommen für Zubereitungen aus Sisymbrium-officinale-Kraut, insbesondere bei höherer Dosierung, die gleichen Nebenwirkungen infrage, wie für andere Digitaloiddrogen: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen.

Gegenanzeigen/

Anwendungsbeschränkungen

In der Literatur keine beschrieben. Grundsätzlich sind Digitaloide enthaltende Zubereitungen kontraindiziert bei Anwendung von Digitalis-Glykosiden und bei Vorliegen von Kalium-Mangelzuständen.

Wechselwirkungen

Für Zubereitungen aus Sisymbrium-officinale-Kraut keine beschrieben. Grundsätzlich sollten Wechselwirkungen, wie sie für Digitaloiddrogen bekannt sind (z. B. → Convallaria), beachtet werden.

Die Droge und ihre Zubereitungen werden bei Rachen- und Kehlkopfentzündung, starker Heiserkeit bis zur völligen Stimmlosigkeit, akuter und chronischer Bronchitis sowie bei Entzündungen der Gallenblase, auch verursacht durch Steine, empfohlen [32], [43], [44], [45]. Für die beanspruchten Indikationsgebiete liegen keine wissenschaftlich auswertbaren Erfahrungsberichte vor, die einen therapeutischen Nutzen erkennen lassen. Innerlich: ED=0,5 bis 1,0 g Droge; als Infus 3–4 Tassen pro Tag [32]. Äußerlich: Das Infus wird auch zum Gurgeln und zu Mundspülungen, mehrmals täglich, verwendet [52].

Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Die in Lit. [47] bei Überdosierung erwähnten digitalisähnlichen Effekte können mit den in der Droge enthaltenen herzwirksamen Steroiden in Zusammenhang gebracht werden. Fallberichte zu Vergiftungen sind jedoch nicht bekannt.

Therapie: Gabe von Kohle Pulvis, Auslösen von Erbrechen, Natriumsulfat. Klinik: Magenspülung, Kohleinstillation (10 g Pulvis) [47].

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Datenstand

15.08.2010