Oenanthe crocata

Oenanthe crocata hom. HAB 34

Verfasser

D. Ennet

Übersicht

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Gliederung

G Oenanthe

A Oenanthe aquatica (L.) POIR.

D Oenanthe aquatica hom. HAB 1

D Phellandri aetheroleum

D Phellandri fructus

D Phellandrium aquaticum hom. HPUS 92

A Oenanthe crocata L.

D Oenanthe crocata hom. HAB 34

D Oenanthe crocata hom. HPUS 92

Offizinell

Oenanthe crocata HAB 34.

Definition der Droge

Frische, zur Blütezeit geerntete unterirdische Pflanzenteile.

Charakteristik

Stammpflanzen: Oenanthe crocata L.

Gewinnung: Sammlung aus Wildbeständen.

Ganzdroge: Geschmack. Nach Pastinak, angenehm. Makroskopische Beschreibung. Der Wurzelstock ist kurz, dick, geringelt, mit 5 oder 6 teils stark verdickten, teils weniger verdickten, fleischigen, gelblichen oder rötlichen Wurzeln. Die verdickten Wurzeln haben die Form langgestreckter Rüben und zeigen längsriefige Furchen, die in schwach spiraliger Drehung verlaufen.

Mikroskopisches Bild: Auf dem Querschnitt sind bei jeder Wurzel mehrere einzelne Wurzelanlagen erkennbar, in ihrer Mitte je ein radiäres zentrales Gefäßbündel, die untereinander durch lockeres Parenchym verbunden sind. Querschnitt zuerst weiß, sehr bald durch den austretenden Milchsaft gelb werdend [8].

Inhaltsstoffe: Polyacetylene. Oenanthotoxin (bis 1,32 %) [23] sowie die weniger giftigen Polyacetylene Oenanthetol und Oenantheton. [20] Ätherisches Öl. Mit Apiol und Myristicin [2].

Gehaltsbestimmung: Oenanthotoxin kann in der Wurzel nach Etherextraktion, Reinigung des Extraktes mit NaOH und gesättigter Natriumsulfatlösung, Ausfällung aus einer Mischung aus Benzol, Tetrachlorkohlenstoff und Petrolether bei 0 °C spektralfluorimetrisch bestimmt werden [23].

Lagerung, Stabilität, Verwendung, u. a.

Zubereitungen: Urtinktur und flüssige Verdünnungen nach HAB 1, Vorschrift 3a [24].

Gesetzliche Bestimmungen: Aufbereitungsmonographie der Kommission D am BfArM „Oenanthe crocata“ [24].

Anwendungsgebiete

Die Anwendungsgebiete entsprechen dem hom. Arzneimittelbild. Dazu gehören: Krampfleiden; cerebrale Anfallsleiden [24].

Soweit nicht anders verordnet: Bei akuten Zuständen alle halbe bis ganze Stunde, höchstens zwölfmal tgl., je 5 bis 10 Tropfen oder eine Tablette oder 5 bis 10 Streukügelchen oder eine Messerspitze Verreibung einnehmen; parenteral ab D4 1 bis 2 mL bis zu dreimal tgl. i. v., i. m. oder s. c. injizieren. Bei chronischen Verlaufsformen ein- bis dreimal tgl. 5 bis 10 Tropfen oder eine Tablette oder 5 bis 10 Streukügelchen oder eine Messerspitze Verreibung einnehmen; parenteral ab D4 1 bis 2 mL pro Tag i. v., i. m. oder s. c. injizieren. Kleinkinder bis zum 6. Lebensjahr erhalten nicht mehr als die Hälfte, Kinder zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr erhalten nicht mehr als zwei Drittel der Erwachsenendosis.

Unerwünschte Wirkungen

Nicht bekannt. Hinweis: Bei der Einnahme eines hom. Arzneimittels können sich die vorhandenen Beschwerden vorübergehend verschlimmern (Erstverschlimmerung). In diesem Fall sollte das Arzneimittel abgesetzt und ein Arzt befragt werden [24].

Gegenanzeigen/

Anwendungsbeschränkungen

Nicht bekannt [24].

Wechselwirkungen

Nicht bekannt [24].

Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Als toxisches Prinzip der Giftigen Rebendolde sind das Oenanthotoxin und die weniger giftigen Polyacetylene Oenanthetol und Oenantheton anzusehen [17], [21], [25], [26]. Als Versuchsmodell zur Klärung des WKM wurden Nervenfasern des Frosches verwendet. Oenanthotoxin in EtOH wurde mit Ringerlösung so verdünnt, daß eine Konzentration von 60 μM resultierte. Gemessen wurde der Einfluß der Substanz auf den Ladungstransfer und den Natriumeinstrom. Für beide Parameter wurde eine reversible Hemmung festgestellt[27].

Acute Toxizität:

Mensch. Es sind tödliche Vergiftungen, vor allem bei Kindern, z. B. durch Verwechslung der Wurzel mit der des Pastinaks, beschrieben worden [17], [21], [33], [34]. Als Mortalitätsrate werden 70 % angenommen [26]. Das Vergiftungsbild entspricht dem einer Cicutoxinvergiftung (s. → ds. Hdb., 5. Aufl., Grundwerk Bd. 3, S. 320). Zusätzlich tritt häufig ein Exanthem im Gesicht, an der Brust und den Armen auf [28]. Charakteristische Merkmale der Vergiftung sind Brechreiz, Entzündungen und Blasenbildung im Mund, entzündliche Reizungen des Verdauungstraktes, Vertigo, Koma, anhaltende Krämpfe, auch mit blutigem Schaum vor dem Mund, Mydriasis; Cyanose, Steifheit und Krämpfe der Beine, mitunter allgemeine Empfindungslosigkeit, verlangsamte Herztätigkeit; das Bewußtsein kehrt im Genesungsfall allmählich wieder, die Erinnerung an Vorgefallenes kann fehlen [29][31]. Die nachfolgende Fallbeschreibung veranschaulicht vorstehende zusammenfassende Darstellung: Im September 1982 entnahm eine junge Studentin eine Pflanze aus einem gekennzeichneten Beet giftiger Pflanzen des Botanischen Gartens Edinburgh. Wie bei ihrem Bruder bestand die Vorstellung, mit Pflanzenprodukten zu experimentieren, um halluzinogene Effekte zu erzielen. Einige Tage später wurde das Mädchen tot aufgefunden, nachdem sie offensichtlich eine gebratene Mahlzeit mit Wurzeln gegessen hatte. Festgestellt wurde starkes Erbrechen, Blut und Speichel am Mund, extreme Blutfülle im Gehirn und in den Hirnhautgefäßen [17]. Auch phototoxische Effekte können durch die Polyacetylene ausgelöst werden [28].

Tier. Vergiftungen bei Schafen und Schweinen wurden wiederholt beobachtet [31].

Toxikologische Daten:

LD-Werte. Als tödlich für eine Kuh erwiesen sind 650 g der Wurzel, für ein Pferd 850 g, für ein Meerschweinchen 2 g[33]. Nicht näher definierter Wurzelextrakt: LD50 (Meerschweinchen, p. o.) 10 mg/kg KG, LD50 (Meerschweinchen, s. c.) 10 mg/kg KG [34]. Oenanthotoxin: LD50 (Maus, i. p.) 1 mg/kg KG; [21] LD50 (Maus, i. p.) 2,94 mg/kg KG; LD50 (Ratte, i. p.) 2,94 mg/kg KG [35].

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Datenstand

15.08.2010