Lamium
Lamii albi herba
Verfasser
N. Chaurasia
Übersicht
L > Lamium > Lamium album L. > Lamii albi herba
Gliederung
G Lamium
D Lamium album, äthanol. Infusum hom. HAB 1
Synonyme
Herba Lamii albii.
Sonstige Bezeichnungen
dt.:Weißes Taubnesselkraut.
Definition der Droge
Die rasch getrockneten, während der Blütezeit (Mai bis Juli) gesammelten, oberirdischen Teile [11], [23].
Charakteristik
Stammpflanzen: Lamium album L.
Herkunft: Die Droge wird aus der ehemaligen CSSR, Polen und der GUS importiert [10].
Ganzdroge: Die Droge besteht aus Sproßachsen mit Blättern und Blüten. Die bis 50 cm langen, vierkantigen, hohlen Stengel sind einfach oder ästig. Die stark geschrumpften, oberseits dunkelgrünen, unterseits hellgrünen Blätter sind kreuzweise gegenständig, gestielt, zugespitzt, eiherzförmig, am Rande grobkerbig gezähnt und allseits fein behaart. An der Unterseite tritt die Netznervatur deutlich hervor. Die gelblichweißen Blüten stehen in Scheinquirlen in den oberen Blattachseln [11].
Schnittdroge: Geruch. Fast geruchlos [11]. Geschmack. Schwach bitter [11].
Mikroskopisches Bild: Auf der Blumenkrone kurze, glatte, an der Spitze etwas verdickte Haare; ferner lange, dickwandige, mehrzellige, warzige, luftführende Haare und kurzgestielte Drüsenhaare mit kugeligem, ein- bis vierzelligem Köpfchen. An den Filamenten außerdem lange, bandförmige, häufig gedrehte, spitz ausgezogene, feinwarzige Haare. Die Pollenkörner sind rundlich, dreiseitig, dreiporig, mit fast glatter Membran. Bifacialer Blattaufbau, die Epidermis der Blattoberseite besteht aus abgerundeten bis gewellten Zellen ohne Spaltöffnungen. Darunter befindet sich ein einschichtiges Palisadenparenchym mit anschl. Schwammparenchym. Die Epidermis der Blattunterseite besteht aus stark welligen Zellen mit zahlreichen diacytischen Spaltöffnungen. Die gebogenen Haare der Blätter sind zweizellig, dickwandig mit gestrichelter Cuticula. Die Drüsenhaare sind ein- bis zweizellig [11].
Verfälschungen/Verwechslungen: Verwechslungen bzw. Verfälschungen mit Brennesselkraut, worauf nach Lit.[11] geprüft wird, kommen in der Praxis kaum vor [22].
Inhaltsstoffe: Iridoidglykoside. s.a. Inhaltsstoffe von Lamii albi flos; von den dort beschriebenen Verb. wurden 0,25 % Lamalbid, 0,01 % 6-Deoxylamalbid, 0,01 % Albosid A und 0,01 % Albosid B [18] sowie zusätzlich aus gefrorenem Pflanzenmaterial Hemialbosid, (S)-1-Hydroxy-3-methylbut-3-en-2-yl-β-D-glucosid (ohne Mengenangaben) gefunden [24]. Phenolcarbonsäuren. p-Cumarsäure, p-Hydroxybenzoesäure, Isoferulasäure und Vanillinsäure [25]. Flavonole. 0,39 % mit Quercetin und Kämpferol als Hauptaglykone, nähere Angaben liegen nicht vor [26]–[28]. Gerbstoffe. 14 % nach alten Angaben [29]. Weitere Verbindungen. Betaine: 2,01 % Stachydrin [22], [31]. Vitamin C 153 mg [32] bis 917 mg [33]. Ältere Angaben ohne exakten Strukturbeweis zu sauren Triterpensaponinen [30]–[34]und Schleimstoffen. Spuren von ätherischem Öl [10].
Verwandte Artikel
Hemialbosid
Identitaet: Auf Zugabe von Eisen(III)-chlorid-Lsg. zum Filtrat des wäßrigen Kaltmazerates der Droge entsteht eine graugrüne Fällung (Prüfung auf Polyphenole) [11]. DC nach Lit. [11] : a) Untersuchungslsg.: Aus dem wäßrigen Drogenauszug werden mittelpolare Substanzen mit Ethylacetat ausgeschüttelt; b) Referenzsubstanz: Kaffeesäure, im Gegensatz zu Lit. [11] empfiehlt Lit. [10] die Vergleichslsg. mit MeOH herzustellen; c) Sorptionsmittel: Kieselgel GF254; d) FM: Tol.-Ethylformiat-wasserfreie Ameisensäure (5+4+1); e) Detektion: 1. Direktauswertung im UV 254 nm und anschl. Besprühen mit Eisen(III)-chlorid-Lsg. und Betrachten im Vis; f) Auswertung: Die Zone der Kaffeesäure bei Rf 0,4 im Chromatogramm der Untersuchungs- und Vergleichslsg. kann identifiziert werden. Daneben treten noch mehrere fluoreszenzmindernde Zonen auf, wobei die intensivste Zone oberhalb von Rf 0,6 liegt. Nach Besprühen mit Eisen(III)-chlorid-Lsg. wird im Vis die Kaffeesäure als graublaue Zone sichtbar. Oberhalb treten ein bis zwei bräunliche Zonen auf. Weitere Zonen können vorhanden sein.
Reinheit: Fremde Bestandteile: ≤ 5 % an über 5 mm breiten, plattgedrückten Stengeln; Blätter mit langen, einzelligen und z. T. auch mehrzelligen Haaren, die in der Haarwand verkieselt sind, und mit Epidermiszellen, die warzig rauhe Cystolithe enthalten, dürfen nicht vorhanden sein [11]. Trocknungsverlust: ≤ 10 % [11]. Asche: ≤ 16 %[11]. Salzsäureunlösliche Asche: ≤ 1 % [11].
Gehalt: Quellungszahl: ≥ 9, mit der pulv. Droge [11]. Dies wird jedoch als Notlösung eingestuft, da ther. relevante Stoffe bislang noch nicht eindeutig belegt sind [11], [22].
Stabilität: In den nach Lit. [11] vorgesehenen Behältnissen (Blockbodenbeutel) länger als 36 Monate.
Lagerung: Vor Licht und Feuchtigkeit geschützt lagern [11].
Sonstige Verwendungen: In Kosmetika zur Hautpflege aufgrund der behaupteten entzündungshemmenden und wundheilenden Wirkung [25], [39]–-[40]. Junge Blätter zubereitet wie Spinat als Gemüse [6].
Gesetzliche Bestimmungen: Nr. 1359.99.99 Negativmonographie (sog. Nullmonographie) der Kommission E am BfArM „Lamii albi herba (Weißes Taubnesselkraut)“ [23].
Wirkungen: Aus Lamiumalbum isolierte, nicht näher beschriebene Triterpensaponine sollen im Tierversuch antiödematös wirken. Die Wirkung war geringer als die von Phenylbutazon. Die i. v. Gabe soll einen kurz andauernden, dosisunabhängigen Blutdruckabfall bewirken. Die Saponine und ein nicht näher beschriebener Extr. sollen weiterhin eine mittelstarke diuretische, kaliuretische Wirkung aufweisen. Nähere Angaben sind der rumänischen Arbeit nicht entnehmbar [35]. 10 mg/Tier i. p. des Trockenrückstandes eines mit EtOH 95 % hergestellten Extraktes hat an der Maus, gemessen an der Zahl der nach 7 Tagen überlebenden Tiere, keine Schutzwirkung gegen eine nach 24 h gesetzte Infektion mit E. coli [36]. Ein Chloroformextrakt aus den getrockneten Blättern von der verwandten Art Lamiummaculatum zeigte antibakterielle Wirksamkeit gegenStaphylococcus aureus 209. Die MHK lag bei 250 μg/mL3 [43].
Dosierung & Art der Anwendung
Etwa 3 bis 4 Teelöffel voll (3 bis 4 g) werden mit heißem Wasser übergossen und nach 10 bis 15 min durch ein Teesieb gegeben. Mehrmals tgl. eine Tasse frisch bereiteten Aufguß warm zwischen den Mahlzeiten trinken [11],[23].
Unerwünschte Wirkungen
Die Anwendung ist nicht mit Risiken verbunden [11], [23].
Zur Unterstützung bei der Beh. von Beschwerden im Magen-Darm-Bereich wie Magenschleimhautreizungen, Völlegefühl und Blähungen. Da die Wirksamkeit bei den beanspruchten Anwendungsgebieten nicht ausreichend belegt ist, kann eine ther. Anw. nicht befürwortet werden [23]. In Frankreich traditionell verwendet zur Förderung der Diurese und zur Unterstützung der renalen Ausscheidung und Verdauung (Ausscheidungstätigkeit des Organismus)[8], [37]. Traditionell werden Zubereitungen in Komb. mit Taubnesselkraut bei Nervosität, Unruhe, Schlafstörungen und Reizzuständen, zur Kräftigung, Entspannung und Anregung im Klimakterium, bei Frauenleiden aller Art, bei Menstruationsbeschwerden, zur sog. „Blutreinigung“, Stoffwechselanregung, zur Unterstützung der Gallentätigkeit und des Leberstoffwechsels, bei Neigung zu Gallengrieß, zur Appetitanregung, Neutralisierung bei Übersäuerung des Magens, zur Förderung der Verdauung u. v. a. mehr angewendet [5], [7], [23]. Die Wirksamkeit bei den beanspruchten Anwendungsgebieten ist nicht belegt.
Mutagen:
Reproduktion: Bei der Ratte führte eine TDLo von 150 mg/kg KG eines nicht näher definierten 50 %igen ethanolischen Extraktes p. o. (12 bis 14 Tage nach Nidation) zum Abort; beim Hamster betrug die TDLo500 mg/kg KG (ein bis 5 Tage nach Schwangerschaft) [38].
Toxikologische Daten:
LD-Werte. Ein mit EtOH 50 % hergestellter, nicht weiter definierter Extrakt: LD50 (Maus, i. p.) 750 mg/kg KG [38].
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Copyright
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Datenstand
15.08.2010