Peter Proksch, Ulrike Wissinger-Gräfenhahn: aktualisiert V. Schulz
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Herba Artemisiae
dt.:Beifuß-, Jungfern-, Johannis-, Weibergürtelkraut; common wormwood, Felon Herb, Mugwort, St John's Plant, Wild Wormwood; Armoise commune, Feuilles d'armoise; Piccolo Assenzio; Yerba de San Juan.
Herba Artemisiae – Helv V; EB 6; Artemisia vulgaris – BHP 83
Die vorsichtig getrockneten, während der Blütezeit gesammelten Zweigspitzen Helv V, EB 6; die getrockneten, oberirdischen Pflanzenteile BHP 83.
Stammpflanzen: Artemisia vulgarisL.. Helv V, EB 6, BHP 83
Herkunft: Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, hauptsächlich aus Wildbeständen.
Ganzdroge: Aussehen. Blätter halbstengelumfassend, oberseits grün und unbehaart, unterseits weißfilzig (wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber Absinthii herba). Blütenköpfchen rötlich und in endständigen Rispen angeordnet. Stengel dick, deutlich längsgerillt, rotviolett und markhaltig [96].
Schnittdroge: Geschmack. Aromatisch, leicht bitter. Geruch. Schwach würzig. Aussehen. Die Schnittdroge ist gekennzeichnet durch die zahlreichen Blütenköpfchen mit den grauweißen, wollig behaarten Hüllkelchblättern und gelblichen oder meist rötlichen Blüten, durch unterseits weißfilzig behaarte und oberseits dunkel- bis schwarzgrün unbehaarte Blattstückchen und durch einzelne dicke, deutlich längsgerillte, rotviolette, markhaltige Stengelstücke.
Mikroskopisches Bild: Bifazial gebaute Blätter mit meist einer Palisadenschicht, lockeres Schwammgewebe, Spaltöffnungen nur auf Blattunterseite. T-förmige Haare, bis 1 mm lang, mit peitschenförmig gewundener Querzelle (Unterscheidung zu Absinthii herba) Hüllkelchblätter und Stengel ebenfalls mit T-förmigen Haaren. Drüsenhaare vom „Compositen-Typ“ [96].
Pulverdroge: Blattfragmente, Haare und Drüsenschuppen. Fragmente der Hüllkelchblätter, Pollenkörner (glatte Oberfläche und 3 Austrittstellen) [96].
Verfälschungen/Verwechslungen: Evtl. mit Absinthii herba.
Inhaltsstoffe: Die Droge liefert ein ätherisches Öl mit einem Gehalt von 0,03 bis 0,2 %, das u. a. Cineol, Terpinen-4-ol, (+)- und (–)-Borneol, Thujon, sowie β-Pinen und Myrcen als Komponenten hat [128]. Ferner finden sich Sesquiterpensäuren vom Eudesmantyp [129], die Sesquiterpenlactone Psilostachyin und Psilostachyin-C [130], lipophile Flavonolderivate wie das 5,3′-Dihydroxy-3,7,4′-trimethoxyflavon sowie 7,8-Methylendioxy-9-Methoxycumarin[131]. In den Pollen finden sich Glykoproteine, die allergene Eigenschaften besitzen [132], [133].
Psilostachyin
Psilostachyin-C
Reinheit: Max. Aschegehalt der Droge 7 bis 8 % Helv V.
Gehaltsbestimmung: Wasserdampfdestillation, Gehalt an ätherischem Öl 0,03 bis 0,2 % [128].
Zubereitungen: In China und Japan wird die sogenannte „Moxibustion“ zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt. Hierzu werden die Blätter von Artemisia vulgaris mit Wasser in einem Mörser zerstoßen. Nach dem Abtrennen gröberer Partikel werden die Pflanzenreste zu kleinen Kegeln (Moxa) geformt und getrocknet. Diese Kegel werden auf der Haut des Patienten verbrannt [134]. Fluidextrakt 1:1 mit Ethanol 25 % (V/V) BHP 83.
Verwendung: Als Gewürz bei z. B. Wildgerichten, zum Auslassen von Gänse- oder Schweinefett [143].
Wirkungen: Wässrige Extrakte aus Artemisia-vulgaris-Blättern zeigten antimikrobielle Wirkungen gegenStreptococcus mutans Serotyp C und D bei einer minimalen Hemmkonzentration von 7,8 bzw. 11,7 mg/mL [135].Für alkoholische Extrakte der Droge wurde in einem in vitro Antimalaria-Test keine Hemmung der Aufnahme von (G-3H)-Hypoxanthin in Plasmodium falciparum gesehen [136]. . Für wässrige Extrakte der Ganzpflanze wurde ebenfalls in einer Verdünnung von 1:35 keine signifikante Hemmung des Wachstums von Plasmodium falciparumbeschrieben [44]. Das ätherische Öl aus Beifußkraut soll antimikrobiell gegen Staphylococcus aureus,Aspergillus niger, Pseudomonas aeruginosa und Klebsiella pneumoniae in einer Verdünnung von 1:1000 wirken[45]. Am isolierten graviden Meerschweinchenuterus sollen die Zugabe von 2,4 und 8 mL eines wässrigen Extraktes der Früchte (1 mL = 50 mg zerkleinerte Droge) zum Organbad (20 mL) eine Zunahme der Kontraktionen bewirken. Am nicht-graviden Uterus wurden keine Effekte beobachtet [137]. Die Ergebnisse müssen noch bestätigt werden.
Nach vorangegangener Sensibilisierung können allergische Reaktionen ausgelöst werden [138]. Für Artemisiae herba wird am Meerschweinchen (Guinea pig maximation Test GPMT) eine schwache Sensibilisierungspotenz beschrieben [139]. Es existiert ein Fallbericht über Auslösung einer Kontaktdermatitis durch mehrmalige Applikation eines Beifußaufgusses [150]. Kontaktallergien sollen sehr selten sein. Kreuzreaktionen bei Chrysanthemen-Allergikern sollen hingegen häufiger auftreten [46], [140]. Bei 31 Patienten mit Sellerie-Allergie wurden in 87 % eine Pollinosis mit einer im Hauttest und im RAST nachgewiesenen Beifußpollensensibilisierung beobachtet. Bei 52 % war klinisch und durch Testung eine Karotten-Allergie assoziiert (Sellerie-Beifuß-Karotten-Syndrom) [141]. Eine abortive Wirkung wird beschrieben [138].
Nach BHP 83 soll die Einnahme größerer Dosen (keine Spezifizierung) vermieden werden.
Bei Erkrankungen des Verdauungsapparates, wie z. B. Appetitlosigkeit, Magengeschwüre oder Sodbrennen [144].BHP 83 nennt als Indikatien verzögerte oder unregelmäßige Menstruation, Appetitlosigkeit, nervalbedingte Dyspepsie und Wurmbefall. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten ist bisher nicht belegt. 0,5 bis 2 g Droge als Aufguss 3mal täglich [22]. Mehrmals täglich (5- bis 6mal) wird eine Messerspitze der pulv. Droge eingenommen [144]. Zur Bereitung eines Tees wird ein Kaffeelöffel der Droge 10 min lang in einer Tasse kochenden Wassers ziehengelassen; 2 bis 3 Tassen am Tag [144]. Fuidextrakt BHP 83: 0,5 bis 2 mL 3mal täglich.
Acute Toxizität:
Tier. Eine Reihe der im ätherischen Öl enthaltenen Monoterpene wie z. B. Campher, Linalool, Borneol oder Terpinen-4-ol wirken als Moskito-Repellents [128].
Toxikologische Daten:
LD-Werte. Die akute Toxizität des ätherischen Öles bei Ratten beträgt bei peroraler Gabe 960 mg/kg KG [142].
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24.01.2013