Aconitum

Aconiti tuber (Eisenhutknollen)

Verfasser

Eberhard Teuscher

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Synonyme

Aconitum; Radix Aconiti; Radix Contrajervae germanicae; Radix Napelli; Tubera Aconiti; Tuber Aconiti

Sonstige Bezeichnungen

dt.:Aconitknollen, Eisenhutknollen, Fuchswurz, Giftwurzel, Mönchswurz, Sturmhutknollen, Teufelswurz, Wolfswurzel; Aconite root, Aconite tuber, Monkshood root, Wolfsbane root; Racine d'aconit, Tubercule d'aconit; Aconito, Tubero di aconito; Raiz de aconito, Tuberculo de aconito.

Offizinell

Aconiti Tuber – Belg V, Hisp IX, Ned 6, PI Ed I/1; Aconit Napel – PF VIII; Aconito – Ital 7; Tuber Aconiti – Helv VI; Tubera Aconiti – EB 6; Aconite – NF X, BPC 63, Mar 29; Aconitum – BHP 83.

Definition der Droge

Die getrockneten Wurzelknollen und Wurzeln Belg V; Hisp IX; Ned 6; PF VIII; Ital 7; PI Ed I/1; Helv VI; BPC 63. Die rasch getrockneten, zu Ende der Blütezeit (Juli bis September) gesammelten, von den Wurzeln befreiten Tochterknollen EB 6. Die getrockneten Wurzeln BHP 83, Mar 29.

Stammpflanzen: Aconitum napellus L.

Herkunft: Sammlung aus Wildvorkommen, Hauptlieferländer Jugoslawien, Ungarn, Rumänien, Rußland, Italien, Österreich und Tschechoslowakei; Werksanbau.

Gewinnung: Die gesammelten Wurzeln werden rasch bei etwa 40 °C getrocknet.

Handelssorten: Tubera Aconiti EB 6, nur die Tochterknollen; Aconiti tuber, entsprechend den Anforderungen der übrigen Arzneibücher.

Ganzdroge: Aussehen. Rübenförmige Knollen, am unteren Ende in eine schlanke Spitze auslaufend, bis über 2 cm dick, 4 bis 8 cm lang, hart, prall oder etwas längsrunzelig, außen dunkelbraun, innen weiß, an der Spitze mit einer Knospe oder deren Überresten, oben seitlich die Bruchnarbe des Verbindungsstückes mit der Mutterknolle und stellenweise helle Narben der abgeschnittenen Wurzeln aufweisend, Bruch mehlig [28]. Darüber hinaus können nach den Vorschriften anderer Arzneibücher auch enthalten sein: Die Mutterknollen, die oben gelegentlich kurze Stengelreste tragen, 1 bis 3,5 cm dick, nach unten dünner werdend, 4 bis 10 cm lang, mit runzeliger Oberfläche und zahlreichen, dünnen Seitenwurzeln [19].

Schnittdroge: Geschmack. Anfangs süßlich, dann kratzend und schließlich scharf würzig. Geruch. Geruchlos.Aussehen. Außen schwarzbraune Knollenstückchen mit mehr oder weniger glatten, weißlichen bis grauweißen Bruchstellen und einzelnen Wurzelnarben. Mit der Lupe in Querschnittsansicht dünne, dunkelbraune primäre Rinde und dicke, weiße sekundäre Rinde, ein 5- bis 10strahliges sternförmiges Kambium und ein großes weiches Mark erkennbar.

Mikroskopisches Bild: Im Querschnitt des unteren Teils der Knolle ist ein großer zentraler Markteil mit sich außen anschließendem, durch viel Parenchym vom Markteil getrenntem primärem Holzkörper sichtbar. Das Kambium greift vor den Holzteilen weiter nach außen und läßt vor den primären Gefäßen große Gruppen sekundären Holzes entstehen, die sich keilförmig verbreiternd nach außen ziehen. In den dickeren Teilen der Knolle erkennt man vom primären Holz flügelartig nach außen gekehrte Gefäßgruppen. Später werden auch in den Einbuchtungen des Kambiums Holzteile gebildet. Die Parenchymzellen des Marks und des Rindenparenchyms sind mit Stärke ausgefüllt. Im Längsschnitt sind Treppen- und Tüpfelgefäße sichtbar. Zwischen die Parenchymzellen der primären Rinde sind Steinzellen eingestreut, deren Wände stark verdickt, geschichtet und getüpfelt sind [57].

Querschnitt durch das obere Ende einer Aconitum-napellus-Knolle. ep Epidermis. pr primäre Rinde. en Endodermis.s. r. sekundäre Rinde. si Siebröhren. ca Kambium. pr. ho primärer Holzteil. s. ho, sho" sekundärer Holzteil. maMark.

Pulver von Aconiti tuber. A Parenchymfetzen mit Stärke. D Steinzellen. E Stabzelle. S Stärke. T Gefäßstücke. Vergrößerung 220×.

Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Das grauweiße Pulver enthält viele Fetzen stärkehaltigen, getüpfelten Parenchyms mit einzelnen rundlichen, bis 18 μm, meistens um 8 bis 15 μm großen oder zu 2 bis 6 zusammengesetzten Stärkekörnern, gestreckte oder quadratische, gleichmäßig verdickte, getüpfelte Steinzellen, Bruchstücke der Treppen- und Tüpfelgefäße und dunkle Metadermfetzen [28]. Die anderen Monographien lassen einen geringen Anteil von Fasern mit dicker Wand und weitem Lumen zu, die aus den Stengelanteilen der Mutterknolle stammen [19].

Verfälschungen/Verwechslungen: Als Verwechslungen kommen die Knollen anderer blaublühender Aconitum-Arten vor. Als Verfälschung zu betrachten sind die Knollen der gelbblühenden Arten Aconitum vulparia L. undAconitum anthora L. Die Wurzeln von Aconitum vulparia sind dünn, lang und verästelt, die von Aconitum anthorasind dünn, walzenförmig und der Kambiumring ist linienförmig-strahlig mit abwechselnd langen und kurzen Strahlen. Die Knollen exotischer Arten, z. B. von Aconitum ferox WALL., Aconitum deinorrhizum STAPF, Aconitum balfouriiSTAPF und Aconitum japonicum L., sind größer und schwerer bzw. kleiner und heller als die von Aconitum napellus. Eine sichere Unterscheidung ist nur mit phytochemischen Methoden möglich.

Minderqualitäten: Der Stengelanteil an der Mutterknolle sollte gering sein. Da nach älteren Untersuchungen der Alkaloidgehalt der Mutterknollen dem der Tochterknollen nicht nachstehen soll, sind die Droge des EB 6 und Drogen der anderen Pharmakopöen als gleichwertig zu betrachten.

Inhaltsstoffe: Bisher wurden in den Knollen der verschiedenen Unterarten von Aconitum napellus etwa 20 verschiedene Diterpenalkaloide nachgewiesen, z. T. den Charakter von Alkaminen besitzend, z. T. mehrfach verestert s. → Aconitum napellus). Bei den meisten Unterarten dominiert in den Knollen Aconitin, lediglich beiAconitum napellus ssp. fissurae und Aconitum napellus ssp. superbum überwiegt Mesaconitin [56].

Identitaet: Wegen der Heterogenität der Art Aconitum napellus und der Vielzahl von insbesondere aus Ostasien importierbaren Knollen anderer Aconitum-Arten ist eine sichere Identifizierung wichtig; sie ist aber anhand morphologisch-anatomischer Merkmale allein nicht möglich. Gefordert werden muß eine Droge, bei der Aconitin Hauptalkaloid ist. Wegen der Gleichartigkeit der Wirkungen von Aconitin und Mesaconitin sollten auch Drogen akzeptiert werden, die beide Alkaloide in ausgewogenem Verhältnis oder Mesaconitin als Hauptalkaloid enthalten. Die Identitätsprüfung ist mit Hilfe der DC möglich: Etherischer Extr. der mit Ammoniaklsg. alkalisierten Droge, Aconitin als Standard, Kieselgel GF254 als Sorptionsmittel, FM Cyclohexan-Chloroform-Diethylamin (8+1+1), zweimalige Entwicklung, Betrachtung im UV bei 254 nm, Besprühen mit Iod-Rg./Salzsäure; der dunkle bzw. braune Aconitinfleck muß in seiner Größe etwa dem des Standards entsprechen Helv VI. Dabei ist zu beachten, daß das Aconitin des Handels häufig ein Gemisch aus Aconitin und Mesaconitin darstellt [20]. Möglich ist auch ein Einsatz eines methanolischen Extr. aus der mit Ammoniaklsg. alkalisierten Droge, Kieselgel G als Sorptionsmittel, Toluol-Ethylacetat-Diethylamin (70+20+10) als FM und Dragendorffs Rg. zur Detektion [21]. Weitere Verfahren zur DC von Aconiti tuber s. Lit. [9], [18], [22], [23] Die HPLC wurde zur Trennung von Aconitum-Alkaloiden ebenfalls eingesetzt[24].

Reinheit: Droge. Aschegehalt: Nicht mehr als 5 % Ital 7, Belg V, EB 6, BHP 83, BPC 63; nicht mehr als 6 %Ned 6, Hisp IX; nicht mehr als 7 % Helv VI. Säureunlösliche Asche: Nicht mehr als 1,5 % BHP 83, BPC 63. Stengelanteile: Nicht mehr als 5 % Ital 7, PI Ed I/1, BHP 83, BPC 63.

Gehalt: Mindestgehalt an etherlöslichen Alkaloiden: 0,8 % Hisp IX, EB 6; 0,75 % Ned 6; 0,6 % Belg V; 0,5 %PF VIII, BPC 63; 0,6 %, davon mindestens 30 % als Aconitin Ital 7, PI Ed I/1; 0,6 %, davon mindestens 25 % als Aconitin Helv VI.

Gehaltsbestimmung: Die meisten Arzneibücher nehmen eine Bestimmung des Gehaltes an etherlöslichen Alkaloiden vor. Dazu wird die Droge mit einem Gemisch von Ammoniaklsg. und Eth durch Schütteln extrahiert, ein abgemessener Teil der etherischen Schicht wird eingedampft, der Rückstand in EtOH gelöst und entweder die Lsg. mit Wasser versetzt und der Gehalt an Basen acidimetrisch bestimmt Hisp IX, Ital 7, Helv VI, EB 6 oder der Rückstand in Eth aufgenommen, die etherische Lsg. mit einer definierten Menge Säure geschüttelt und die nicht verbrauchte Säure zurücktitriert Belg V. Zur vollständigen Extraktion der Alkaloide kann auch mit einer Mischung von Eth und Chloroform perkoliert und anschließend mit einer definierten Säuremenge ausgeschüttelt und die nicht verbrauchte Säure zurücktitriert werden PF VIII, BPC 63. Zur Aconitinbest. wird nach Abtrennung der Alkaloide und ihrer Hydrolyse durch Kochen unter Rückfluß mit KOH die freigesetzte Benzoesäure nach dem Ansäuern mit einem Gemisch aus Leichtpetroleum und Eth ausgeschüttelt und ihre Menge acidimetrisch bestimmt PI Ed I/1. Es ist auch möglich, die bei der Hydrolyse gebildete Benzoe- und Essigsäure durch Wasserdampfdestillation abzutrennen und acidimetrisch zu bestimmen [2]. Bei beiden Methoden werden natürlich auch die anderen Esteralkaloide mit erfaßt. Daher ist eine getrennte Best. der Alkaloide mit HPLC diesen klassischen Methoden vorzuziehen [24]. Auch eine photometrische Best. nach DC-Trennung durch Extinktionsmessung des Eluats bei 234 nm ist möglich [23].

Wirkwertbestimmung: Versuche, den Wirkwert mit Hilfe der Ermittlung der Toxizität eines mit Wasser verdünnten ethanolischen Extr. aus der Droge an Meerschweinchen NF X oder Mäusen PF VIII im Vergleich zu einem Aconitinstandard bestimmen zu wollen, sind abzulehnen, da unsicher ist, ob Toxizität und therapeutische Wirkung korrelieren.

Stabilität: Aufbewahrung höchstens 1 Jahr Helv VI. Größte Vorsicht beim Pulvern der Droge, Atemschutz!

Lagerung: Vorsichtig, trocken, vor Licht und Insektenfraß geschützt Ned 6, PI Ed I/1, Helv VI.

Zubereitungen: Aconiti tinctura (Eisenhuttinktur) 1:10, eingestellt auf einen Alkaloidgehalt von 0,045 bis 0,055 %Hisp IX, Ned 6, EB 6.

Gesetzliche Bestimmungen: Aconiti tuber und ihre Zubereitungen, ausgenommen zum äußeren Verbrauch in Salben, Aconitin, seine Salze und Derivate sowie deren Salze sind verschreibungs- und damit auch apothekenpflichtig [6]. Aconitin ist sehr giftig, Aconiti tuber giftig im Sinne der Gefahrstoffverordnung in Deutschland. Aufbereitungsmonographie der Kommission E am BGA „Aconitum napellus“ [31]. Für Aconitin, Mesaconitin, Hypaconitin extrem giftig, für die Droge hochgiftig. Alle europäischen Aconitum-Arten (wildlebende Populationen) unterliegen dem Artenschutz gemäß BArtSchV, Anl. 1.

Wirkungen: Die Wirkung der Droge wird durch die Diesteralkaloide Aconitin, Mesaconitin und Hypaconitin bestimmt. Pharmakologisch wurde Aconitin bisher am besten untersucht. Es erhöht die Permeabilität reizbarer Membranen für Natriumionen, verlängert den Na+-Einstrom während des Aktionspotentials und verzögert die Repolarisation. Aconitin wirkt somit zuerst erregend, später lähmend auf sensible und motorische Nervenendigungen sowie auf das ZNS. Die durch Aconitin ausgelöste neuromuskuläre Blockade kann durch Tetrodotoxin aufgehoben werden. Die anderen Diesteralkaloide, z. B. Mesaconitin, Hypaconitin und Neopellin, haben qualitativ ähnliche Wirkung. Hypaconitin ist stärker wirksam als Aconitin. Die Wirkung ist am größten bei den Verbindungen mit zwei Estergruppierungen, einer Acetylgruppe am C-8 und einer Benzoylgruppe am C-14. Die Desacetylverbindungen besitzen nur etwa 1/100 der Wirksamkeit. Die Aminoalkohole Aconin, Mesaconin und Hypaconin sind kaum noch aktiv. Für die Bindung an die Na+-Kanäle und damit für die Wirkung soll besonders der Abstand zwischen dem Stickstoffatom und den Sauerstoffatomen am C-8, C-14 und C-16 entscheidend sein [3],[25]. Aconitin löst bei Applikation in geringen Dosen (0,01 mg/kg KG, s. c., Katze) Bradykardie und Hypotension (Bezold-Jarisch-Reflex), in höheren Dosen (0,1 mg/mL, isoliertes rechtes Meerschweinchenatrium) zunächst einen positiv inotropen Effekt, gefolgt von Tachykardie, Arrhythmien und schließlich Herzstillstand aus [55]. Beim Meerschweinchen treten zusätzliche Symptome wie Salivation, Diarrhoe, klonisch-tonische Krämpfe, Muskelschwäche und Dyspnoe auf. Einige der Effekte sind zentral bedingt und können auch durch intracerebroventriculäre Injektion ausgelöst werden [45]. Mesaconitin, in geringerem Maße auch Aconitin und Hypaconitin, wirken im Tierversuch durch die Beeinflussung zentraler catecholaminerger Systeme außerdem analgetisch. Bei der Maus erhöht Mesaconitin (0,06 mg/kg KG, s. c., 1/4 der LD50) die Schmerzschwelle um den Faktor 1,5 [3], [26]. Auch antiphlogistische und antipyretische Effekte wurden nachgewiesen. Die Diester- und Monoesteralkaloide (0,5 mg/kg KG Aconitin, p. o., etwa 1/4 der LD50, 100 mg/kg KG Benzoylaconin, p. o.) verringern u. a. die durch Essigsäure ausgelöste Permeabilitätserhöhung am Mäuseperitoneum und die Herausbildung des durch Carrageenin induzierten Hinterpfotenödems bei der Maus [27]. Bei lokaler Applikation auf die Haut oder Schleimhaut des Menschen lösen die Diesteralkaloide zunächst Erregung, spürbar durch ein Kribbeln und Brennen, sowie anschließend Anästhesie aus („Anaesthesia dolorosa“). Systemische Anwendung der Alkaloide oder Drogenextrakte führt in therapeutischen Konzentrationen zu ähnlichen Effekten. Bei fiebernden Menschen ist eine antipyretische Wirkung sichtbar, bereits 0,05 mg p. o. können starke Schweißausbrüche auslösen. Das Herz wird in therapeutischen Dosen wenig beeinflußt, lediglich die Frequenz wird etwas reduziert; größere Dosen führen zu Bradykardie mit Blutdruckabfall. Die Atmung wird zunächst angeregt, später verlangsamt [47].

Resorption: Die Diesteralkaloide werden gut durch die Schleimhaut, die Haut und vom Magen-Darm-Trakt aus aufgenommen [47]. Die Catecholamine sind bei peroraler Applikation ohne Wirkung [29].

Distribution: Die Verteilung der Diesteralkaloide erfolgt rasch, die Blut-Hirn-Schranke wird passiert.

Wirkungsverlauf: Schon einige Minuten nach peroraler Aufnahme bzw. Resorption durch die Haut oder Schleimhaut wird Wirkungseintritt beobachtet.

Elimination: Die Ausscheidung erfolgt über Nieren und Darm. Die Diester werden vermutlich zu den wenig wirksamen Alkaminen umgewandelt [47].

Anwendungsgebiete

Angesichts der bereits bei therapeutischer Dosierung vorhandenen Risiken ist die Anwendung entsprechend den Empfehlungen der Kommission E am BGA nicht mehr vertretbar [31]. Zur in anderen Ländern und heute auch in Deutschland noch üblichen Anwendung s. → Volkstümliche Anwendung/Andere Anwendungsgebiete.

Unerwünschte Wirkungen

Wegen der geringen therapeutischen Breite können Intoxikationserscheinungen bereits bei therapeutischen Dosen auftreten: Parästhesien, Erbrechen, Schwindel, Muskelkrämpfe, Hypothermie, Bradykardie, Herzrhythmusstörungen und zentrale Atemlähmung [31]. [61]

Schmerzstillung bei Neuralgien, besonders bei Trigeminusneuralgie und Interkostalneuralgie, bei Myalgien, Muskel- und Gelenkrheumatismus, Entzündungen seröser Häute, Migräne, in Kombination mit Zubereitungen aus Colchici semen bei Gicht. Für eine Wirksamkeit bei neuralgischen Beschwerden gibt es Hinweise, bei den anderen Anwendungsgebieten ist die Wirksamkeit nicht belegt [31]. Die Droge selbst darf nicht verwendet werden. Zur innerlichen Anwendung. Zubereitungen aus Aconiti tuber sollten innerlich nicht mehr angewendet werden. Zur äußerlichen Anwendung. Aconiti tinctura zu Pinselungen 1:1 verdünnt, besser geeignet standardisierte Präparate in Salbenform, z. B. 1 g Salbe, 0,05 g Aconitin enthaltend.

Sonstige medizinische Anwendungen

Aconitin wird wegen seiner Eigenschaft, Herzarrhythmien auszulösen, in der experimentellen Pharmakologie eingesetzt.

Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Träger der Toxizität von Aconiti tuber sind die Diesteralkaloide Aconitin, Mesaconitin und Hypaconitin.

Toxkinetik: Die Diesteralkaloide werden durch die Haut, die Schleimhäute und im Magen-Darm-Trakt gut resorbiert und passieren die Blut-Hirn-Schranke. Die Aufnahme durch die unverletzte Haut bietet Gefahren beim Umgang mit der Pflanze, z. B. beim Spielen mit ihr durch Kinder.

Toxikodynamik: Die Hemmung der Ansprechbarkeit reizbarer Zellen durch die Diesteralkaloide führt zu einer Blockade der Reizübertragung im peripheren und zentralen Bereich. Von toxikologischer Bedeutung ist darüber hinaus die Arrhythmien erzeugende Wirkung von Aconitin und einigen anderen Alkaloiden, für die vor allem der Substituent am C-4 wichtig ist [3], [61].

Acute Toxizität:

Mensch. Erste Anzeichen der Vergiftung, die schon nach wenigen Minuten auftreten können, sind Parästhesien im Mund sowie an den Fingern und Zehen, die sich über die ganze Körperoberfläche ausbreiten und in ein Gefühl des Pelzigseins und der Empfindungslosigkeit der Haut übergehen. Die Körpertemperatur sinkt unter Schweißausbrüchen. Es kommt zu Übelkeit, übermäßiger Salivation, qualvollem Erbrechen, Durchfällen und Harnabgang. Die Atmung wird langsamer, schwächer und unregelmäßiger. Am Herzen kommt es zu Arrhythmie und Bradykardie, der Puls ist unregelmäßig, schwach und langsam, der Blutdruck ist erniedrigt. Sehstörungen, die sich beispielsweise im Gelb-Grün-Sehen äußern, und Ohrensausen treten auf. Anfängliche Miosis geht in Mydriasis über. Auffallend sind die starken Schmerzen. Der Tod tritt bei erhaltenem Bewußtsein meistens innerhalb von 6 h durch Herzversagen oder Atemlähmung ein. Bei Überstehen der Vergiftung bleiben keine Spätfolgen bestehen [29]. Beispielhaft seien hier einige tödliche Vergiftungen mit Pflanzenteilen von Aconitum napellus beschrieben. Eine junge Frau grub im Dezember 1940 im verschneiten Garten versehentlich statt einer Meerrettichwurzel eine Knolle von Aconitum napellus aus und benutzte sie nach dem Zerreiben zum Würzen einer Mehlschwitze. Ihr 61jähriger Vater, der reichlich von der damit zubereiteten Speise gegessen hatte, klagte etwa 1,5 h nach der Mahlzeit über Übelkeit und Erbrechen. Eine weitere halbe Stunde später verstarb er [59]. 1946 kam es in Dresden durch eine Verunreinigung von Imperatoriae radix mit etwa 15 % Aconiti radix zur Vergiftung von zwei Frauen, Mutter und Tochter. Sie tranken je 1 Tasse Tee, bereitet aus der verunreinigten Droge. Nach 30 min traten Kribbeln der Lippen und Frösteln auf, die Symptome waren 30 min später verschwunden. Am nächsten Tag wurde erneut Tee bereitet und getrunken. Es kam zu den gleichen Symptomen, zusätzlich zu Gliederschwere, Übelsein, Erbrechen. Die Tochter erholte sich rasch, die Mutter verstarb. Die vermutlich aufgenommene Menge, die den Tod der Frau verursachte, betrug etwa 0,3 g Aconiti tuber, etwa 1,5 mg Aconitin entsprechend (ca. 40 μg/kg KG) [30]. Ein 55jähriger Mann nahm als Mittel gegen Blutandrang 50 mL eines essigsauren Auszuges aus Aconiti tuber ein (etwa 4 mg Aconitin entsprechend). Beobachtete Symptome waren Krämpfe, Erbrechen und Übelkeit. Der Tod erfolgte durch „Erlahmung des Kreislaufes mit akuter schwerer Dilatation des Herzens“ [60].

Toxikologische Daten:

LD-Werte. Aconitin, LD50, Maus, i. v. 0,12 mg/kg KG, i. p. 0,38 mg/kg KG, s. c. 0,27 mg/kg KG, p. o. 1,8 mg/kg KG; Ratte, i. v. 0,08 bis 0,14 mg/kg KG; Katze, i. v. 0,07 bis 0,13 mg/kg KG; für den Menschen geschätzte tödliche Dosis 1,5 bis 6 mg Aconitin. Mesaconitin, LD50, Maus, i. v. 0,1 bis 0,2 mg/kg KG, i. p. 0,21 mg/kg KG, s. c. 0,20 mg/kg KG, p. o. 1,9 mg/kg KG. Hypaconitin, LD50, Maus, i. v. 0,35 mg/kg KG, i. p. 1,1 mg/kg KG, s. c. 1,2 mg/kg KG, p. o. 5,8 mg/kg KG. Benzoylaconin, LD50, Maus, i. v. 23 mg/kg KG, i. p. 70 mg/kg KG. Aconin, LD50, Maus, i. v. 1.160 mg/kg KG; Katze, i. v. 400 mg/kg KG. Aconiti tuber, geschätzte tödliche Dosis für den Menschen 1 bis 2 g. Ein Todesfall nach der vermutlichen Aufnahme von 0,3 g ist beschrieben [3], [4], [30], [45],[64].

Therapie: Falls nicht Spontanerbrechen besteht, eine Lsg. von 1 Eßlöffel Natriumsulfat in einem Glas warmen Wassers gelöst trinken und wieder erbrechen lassen, keine Emetika; als Nachgabe je 1 bis 2 Eßlöffel Natriumsulfat und Aktivkohle auf 1/4 bis 1/2 L Wasser. Warm halten, bei Atemlähmung künstliche Beatmung [29].

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15.08.2010