Ernst Mechler
M > Mandragora > Mandragora officinarum L. > Mandragorae radix
A Mandragora autumnalis BERTOL.
D Mandragora e radice siccato hom. HAB 1
D Mandragora, äthanol. Decoctum hom. HAB 1
D Mandragora-autumnalis-Blätter
A Mandragora caulescens C.B. CLARKE
D Mandragora-caulescens-Wurzel
A Mandragora chinghaiensis KUANG et A.M. LU
D Mandragora-chinghaiensis-Kraut mit Wurzel
D Mandragora e radice siccato hom. HAB 1
D Mandragora officinarum hom. HPUS 88
D Mandragora, äthanol. Decoctum hom. HAB 1
dt.:Alraune, Erdmännlein, Mandragora, Zauberwurzel.
Die getrockneten unterirdischen Teile der Pflanze.
Stammpflanzen: Mandragora officinarum L.
Herkunft: Sammlung aus Wildbeständen.
Ganzdroge: Aussehen. Die Wurzeln von M. autumnalis und M. officinarum können makroskopisch nicht unterschieden werden. Die Droge besteht aus den im oberen Abschnitt bis 5 cm dicken, spindel- oder umgekehrt möhrenförmigen, einfachen oder meist zweiteilig verzweigten Wurzeln. Sie ist außen graubraun, stark gefurcht, längsrunzelig und auf dem körnigen Bruch weiß bis gelblich. Die bis zu 0,5 cm dicke Rinde wird durch eine mehr oder weniger gut sichtbare, gelbliche Linie in eine Außen- und eine Innenrinde geteilt. Die letztere ist durch eine nur undeutlich erkennbare Kambiumzone gegen den gelblichen bis gelblichbraunen, schwachstrahligen, fleischigen Holzkörper abgegrenzt [2].
Schnittdroge: Geruch. Die Droge ist geruchlos.
Mikroskopisches Bild: Unter einem im Querschnitt sehr unregelmäßig erscheinenden Kork aus dünnwandigen, flachen, in der Fläche polygonalen Korkzellen folgt ein von Interzellularen durchsetztes Rindenparenchym aus großen, rundlichen, dünnwandigen Zellen. Die eventuell bereits mit bloßem Auge erkennbare gelbliche Zone in der Rinde ist ein unregelmäßig begrenztes, mehrere Lagen breites Band gelbwandiger Zellen. In der äußeren Rinde kommen zahlreiche größere Interzellularen vor; das Parenchym erscheint ungeordnet. Nach innen zu werden die Interzellularen kleiner und seltener; die Parenchymzellen sind in mehr oder weniger regelmäßigen, radialen Reihen angeordnet, aber nicht oder kaum radial gestreckt. Zwischen den Parenchymkeilen liegen reihenförmig in Gruppen oder radial bandförmig angeordnete Phloeme aus meist kollabierten, oft in den Wänden gelblichen Phloemelementen. Das innerhalb der schmalen Kambiumzone liegende Holz ist locker. Es besteht aus unterbrochenen Reihen der in kleinen Gruppen oder einzeln angeordneten, im Längsschnitt unregelmäßig knorrigen, meist kurzgliedrigen, verholzten Gefäße von 25 bis 100 μm Weite, deren Wände netzartig verdickt sind. Das die Gefäße umgebende dünnwandige Parenchym besteht aus im Querschnitt rundlich-polygonalen Zellen und ist nur undeutlich gegen die mehrreihigen Parenchymstrahlen abgesetzt, die aus Zellen aufgebaut sind, die in radialer Richtung etwa 2- bis 3mal länger als breit sind. Im Holzteil kommen anastomosierende Gruppen in vertikaler Richtung gestreckter, derbwandiger, leer erscheinender kollabierter Zellen vor. Die meisten parenchymatischen Zellen enthalten unregelmäßig rundliche bis eiförmig-elliptische, manchmal kegelig unten abgestumpfte Stärkekörner von 10 bis 65, meist 15 bis 25 μm Durchmesser mit mehr oder weniger exzentrischen, spalten- oder schwingenförmigen Trocknungsrissen. Die Droge ist schleimhaltig [2].
Verfälschungen/Verwechslungen: Mit Wurzeln von Atropa belladonna, deren Alkaloidmuster ähnlich ist. Zum Unterschied dazu fehlen in Mandragorawurzeln die Fasern und das Xylem ist nicht verholzt, dafür sind Sklereiden vorhanden, und die Calciumoxalatkristalle liegen nicht als Sand, sondern als größere Prismen oder Drusen vor [5],[8].
Inhaltsstoffe: Bei älteren Untersuchungen zur Alkaloidführung der unterirdischen Organe wurde Mandragora officinalis als Stammpflanze genannt, also nicht zwischen M. autumnalis und M. officinarum unterschieden. Der Gesamtalkaloidgehalt von Rhizomen und Wurzeln wurde mit 0,2 bis 0,6 %, bezogen auf das Trockengewicht, angegeben. Als Einzelalkaloide wurden Atropin, Hyoscyamin, Scopolamin, Cuscohygrin, Apoatropin und die N-Oxide von Hyoscyamin und Scopolamin gefunden [7]. Die Wurzeln von M. autumnalis und M. officinarumunterscheiden sich jedoch weder im Gesamtgehalt noch in der qualitativen Zusammensetzung ihrer Alkaloide signifikant voneinander [6]. Die frischen und die getrockneten Wurzeln beider Arten enthalten zusätzlich zu den genannten Alkaloiden 3-Tigloyloxytropan und 3,6-Ditigloyloxytropan [6]. Belladonnin fand sich nur in den getrockneten, nicht jedoch in den frischen Wurzeln beider Arten [6].
Identitaet: s. → Mandragora autumnalis, äthanol. Decoctum.
Gehaltsbestimmung: s. → Mandragora autumnalis, äthanol. Decoctum.
Gesetzliche Bestimmungen: Ja. Stark giftig ++ [23].
Wirkungen: Das Wirkprofil der Droge wird im wesentlichen durch die anticholinerge Wirkung der Hauptalkaloide L-Hyoscyamin und L-Scopolamin bestimmt [10], [16]. Untersuchungen zu Drogenzubereitungen liegen aus neuerer Zeit nicht vor; s. a. → Atropa, Belladonnae folium [20].
Mandragora gehört zu den ältesten Arzneipflanzen; sie wird bereits im Papyrus Ebers unter den Arzneimitteln der Ägypter aufgeführt. In der Volksmedizin wurde eine Tinktur aus Mandragorawurzel gegen Magengeschwüre, Koliken, Dysmenorrhöe, Asthma, Heufieber und Keuchhusten verwendet [22]. Heute sind Mandragora und ihre Zubereitungen bedeutungslos.
Tox. Inhaltsstoffe und Prinzip: Die Toxizität der Droge ist auf die Alkaloide, speziell L-Hyoscyamin und L-Scopolamin zurückzuführen [10], [16].
Acute Toxizität:
Mensch. Akute Intoxikationen mit der Droge wurden in neuerer Literatur nicht mehr beschrieben, da die Droge praktisch nicht mehr verwendet wird. Nach älteren Quellen soll nach 0,5 g der Wurzel innerhalb von 12 h der Tod eingetreten sein [17]. Vergiftungen mit anderen Pflanzenteilen sind auch aus neuerer Zeit beschrieben [15], [18],[19]. Neben der akuten Symptomatik (vgl. → Mandragora-autumnalis-Blätter) sollen nach Intoxikationen auch metabolische Leberschäden und Nierenfunktionsstörungen auftreten [18].
Tier. Nach der Aufnahme von Blättern sollen bei Schafen, Ziegen und Pferden Todesfälle aufgetreten sein [4].
Therapie: Erbrechen auslösen, Gabe von Natriumsulfat und 10 g Medizinalkohle. Magenspülung, Gabe von Physostigmin i. m. oder langsam i. v.: Erwachsene 2 mg, Kinder 0,5 mg; Wiederholung bei Bedarf. Bei Krämpfen Diazepam unter Beachtung der Atemfunktion. Promethazin und Antihistaminica dürfen wegen ihrer anticholinergen Eigenschaften nicht zur Beruhigung gegeben werden. Bei Schock Gabe von Plasmaexpander; ggf. Intubation und Sauerstoffbeatmung. Bei Blasenlähmung muß ein Katheter gelegt werden [10].
1. Hawkes JG, Lester RN, Shelding AD (Hrsg.) (1979) The Biology and Taxonomy of the Solanaceae, Academic Press, London, S. 94, 505–512
2. HAB 1
3. Heywood VA (1972) Bot J Linn Soc 65:341–358
4. Bouquet J (1952) Bull Soc Sci Nat Tunisie 5:29–44
5. Staub H (1962) Helv Chim Acta 45:2.297–2.305
6. Jackson BP, Berry MJ (1973) Phytochemistry 12:1.165–1.166
7. Phillipson JD, Handa SS (1975) Phytochemistry 14:999–1.003
8. Berry M, Jackson BP (1976) Planta Med 30:281–290 [PubMed]
9. Peigen X, Liyi H (1983) J Ethnopharmacol 8:1–8 [PubMed]
10. ds. Hdb., 5. Aufl., Bd. 3, S. 763
11. BAz Nr. 199a vom 20.10.1989
12. BAz Nr. 29a vom 12.2.1986 in der Fassung von BAz Nr. 47 vom 08.03.1990
13. Flora Rei Publicae Sinicae (1978) Bd. 67, S.159
14. Notes from the Royal Botanical Garden Edinburgh (1978) 36:139–142
15. Jiminez-Mejias ME, Montano Diaz M, Lopez PF, Campos Jimenez E, Martin Cordero MC, Ayuso Gonzales MJ, Gonzales de la Fuente (1990) Med Clin (Barcelona) 95:689–692
16. ds. Hdb., 5. Aufl., Bd. 3, S. 1.073–1.075
17. Lewin L (1929) Gifte und Vergiftungen, G. Stilke, Berlin, S. 818
18. De Salvo R, Sinardi AU, Santamaria LB, Carfi V, Spada A, Pratico C, Falcone M (1980) Minerva Anestesiol 46:1.265–1.272 [PubMed]
19. Vlachos P, Poulos L (1982) J Toxicol Clin Toxicol 19:521–522 [PubMed]
20. ds. Hdb., Atropa
21. Berger F (1960) Handbuch der Drogenkunde, Bd. 5, Maudrich, Wien, S. 302–310
22. Madaus G (1938) Lehrbuch der Biolog. Heilmittel, Nachdruck 1989, Bd. 8 Mediamed Verlag, Ravensburg, S. 1.835–1.840
23. RoD
24. Font Quer P (1962) Plantas Medicinales, Editorial Labor, Barcelona, S. 591
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlags GmbH, Berlin, Heidelberg, New York
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart
15.08.2010