Jürgen Reichling, Karl-Heinrich Horz
F > Fallopia > Fallopia multiflora (THUNB.) HARALDSON > Fallopia-multiflora-Rhizom
G Fallopia
A Fallopia japonica (HOUTT.) RONSEDECRAENE
A Fallopia multiflora (THUNB.) HARALDSON
Polygoni multiflori radix; Radix Polygoni multiflori
Chinesisch:He shou wu [6], [7].
Radix Polygoni Multiflori – ChinP IX
Die getrocknete Wurzelknolle ChinP IX bzw. das getrocknete Rhizom mit Wurzeln [6], [7].
Stammpflanzen: Fallopia multiflora (THUNB.) HARALDSON (als Polygonum multiflorum THUNB.).
Herkunft: Die Droge stammt u. a. aus Anbaugebieten in Japan [5].
Gewinnung: Das Rhizom wird im Herbst und Winter, wenn die Blätter verwelkt sind, ausgegraben, gewaschen, nach Entfernen der Endabschnitte in größere Stücke geschnitten und getrocknet [7].
Schnittdroge: Geschmack. Schwach bitter, herb und adstringierend [6], [7]. Geruch. Schwach. Aussehen.Klumpig bis unregelmäßig spindelförmige Stücke, 6 bis 15 cm lang und 4 bis 12 cm im Durchmesser. Oberfläche rotbraun oder dunkel rotbraun gefärbt, verrunzelt, uneben und mit seichten Rinnen, quergestellten länglichen Poren und Wurzelnarben besetzt. Droge von fester Konsistenz, schwer brechbar, die Bruchfläche blaß gelbbraun bis blaß rotbraun gefärbt und staubend. Im Rindenbereich 4 bis 11 exzentrische Leitbündelkreise, wodurch eine wolkenähnliche Musterung entsteht. Zentrales Xylem größer, gelegentlich auch als zentraler Holzkörper deutlich ausgeprägt [7].
Mikroskopisches Bild: Der Querschnitt durch die Droge zeigt außen eine mehrlagige Korkzellschicht, einzelne Zellen sind mit braunen Substanzen angefüllt. Relativ breites Phloem mit 4 bis 11 runden exzentrischen Leitbündelkreisen, kollaterale Leitbündel, sehr wenig Gefäße. Ringförmiges Zentralkambium; im Xylem finden sich relativ wenig Gefäße, diese sind von Tracheiden und Holzfasern umgeben. Parenchym mit Stärkekörnern und Calciumoxalatdrusen [7].
Pulverdroge: Mikroskopisches Bild. Pulver gelbbraun. Stärkekörner: Einzelkörner rund mit dreizackigen oder sternförmigen Luftrissen, im Durchmesser 4 bis 50 μm; größere Stärkekörner lassen andeutungsweise eine Schichtung erkennen. Teilkörner aus 2 bis 9 Teilen zusammengesetzt. Calciumoxalatdrusen, im Durchmesser 10 bis 160 μm, vereinzelt auch Drusen, die mit einem größeren, tetragonalen Solitärkristall verwachsen sind. Zellen mit Wandverdickungen, im Inneren mit hell- bis dunkelbraunen Substanzen angefüllt. Hoftüpfel, im Durchmesser 17 bis 178 μm [7].
Inhaltsstoffe: Anthrachinone. Chrysophanol, Emodin, Physcion, Rhapontin und Rhein [9]-[13]. Gerbstoffe und Gerbstoffbausteine. (+)-Catechin, (–)-Epicatechin, 3-O-Galloyl-(–)-catechin, 3-O-Galloyl-(–)-epicatechin, Gallussäure, 3-O-Galloylprocyanidin B-2, 3,3′-Di-O-galloylprocyanidin B-2 und polymere Procyanidine [14]. Stilbene. 2,3,5,4′-Tetrahydroxystilben-2-O-β-D-glucosid und dessen 2″-O- und 3″-O-monogalloylester [14], [15]. Der durchschnittliche Gehalt an Stilbenen in der Droge liegt bei 1 bis 3 % [16]. Weitere Inhaltsstoffe. Bis 6 % Stärke[17], 3,5 % Phospholipide [18].
Identitaet: 0,1 g gepulverte Droge werden mit 10 mL einer 10 %igen NaOH-Lösung versetzt, 3 min gekocht und nach dem Erkalten filtriert. Das Filtrat wird mit HCl angesäuert, mit dem gleichen Volumen Diethylether versetzt und geschüttelt. 4 mL der gelbgefärbten Etherphase werden mit 2 mL verdünnter Ammoniaklsg. versetzt und geschüttelt. Die wäßrige Phase färbt sich rot ChinP IX. 0,2 g gepulverte Droge werden mit 5 mL Ethanol versetzt, am Rückfluß 5 min gekocht, heiß filtriert und zum Abkühlen stehengelassen. 2 Tropfen des Filtrates werden in einem Uhrglas eingedampft und mit 2 Tropfen einer gesättigten Antimon(III)chloridlsg. in Chloroform versetzt. Es tritt eine rotbraune bis rotviolette Färbung auf ChinP IX.
Reinheit: Trocknungsverlust: Maximal 14 % in 6 h [7]. Aschegehalt: Höchstens 5 % [7].
Lagerung: Droge trocken lagern und vor Insektenfraß schützen ChinP IX.
Wirkungen: Ganzdroge. Der Droge werden lipidsenkende Wirkungen zugeschrieben. Nach Gabe von 3mal täglich 5 bis 6 Tabletten (à 0,89 g Droge) p. o. oder in besonderen Fällen 8 bis 10 Tabletten soll der Gehalt an Gesamtcholesterol im Serum gesenkt worden sein. Auf der Basis der mitgeteilten Werte ist es jedoch fraglich, welche Patienten in die Studie eingeschlossen wurden. Da darüber hinaus nähere Angaben, wie z. B. Gewicht, Begleittherapie, fehlen, sind die Ergebnisse nicht verwertbar [19]. Isolierte Einzelstoffe. Eine zweiwöchige Diät mit peroxidiertem Maisöl (10 mL/kg KG, p. o.) führt bei männlichen Wistar-Ratten zu einer Schädigung der Leber mit erhöhten Serumwerten für GOT (= Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) und GPT (= Glutamat-Pyruvat-Transaminase) sowie zur Entstehung einer Fettleber, wobei TC (= Totalcholesterol), TG (= Triglyceride) und LPO (= Lipidperoxide) in der Leber angereichert sind. Erhalten die gleichen Ratten über denselben Versuchszeitraum zusammen mit dem peroxidierten Maisöl das Stilbenderivat 2,3,5,4′-Tetrahydroxystilben-2-O-β-D-glucosid in Mengen von 50 bzw. 100 mg/kg KG p. o., dann reduzieren sich die Serumwerte für GOT (- 41 %) und GPT (- 72 %) sowie die Werte für die Leberlipide TG (- 15 %) und LPO (- 34 %) deutlich gegenüber der Kontrollgruppe, die nur das peroxidierte Maisöl erhalten hat [15]. Darüber hinaus konnte in einem In-vitro-Experiment gezeigt werden, daß das gleiche Stilbenderivat in einer Konzentration von 5 × 10–4 mol/L die durch ADP und NADPH induzierte Lipidperoxidation in Lebermikrosomen der Ratte komplett hemmt [15]. Emodin zeigt in vitro vasorelaxierende und immunsuppressive Aktivitäten [11]. In Konzentrationen von 10–6 bis 3 × 10–5 mol/L relaxiert Emodin dosisabhängig den isolierten Brust-Aortenring der Ratte, der zuvor durch Phenylephrin, ein Vasokonstringens, kontrahiert wurde. Der IC50-Wert (50 % Relaxation) beträgt für Emodin 14 ± 3 μmol/L (n = 8) [11]. Die immunsuppressive Aktivität von Emodin wurde in vitro an menschlichen peripheren mononuclearen Zellen (Lymphocyten, Monocyten bzw. Makrophagen) mit Phytohämagglutinin als Mitogen untersucht. Die Fähigkeit von Emodin, die durch das Mitogen ausgelöste Zellproliferation zu unterdrücken, wird in Prozent der Kontrolle gemessen. Emodin unterdrückt in einer Konzentration von 10–6 bis 10–4 mol/L dosisabhängig die Proliferation der mononuclearen Zellen. Der IC50-Wert (50 %ige Hemmung der Zellproliferation) beträgt für Emodin 7 ± 1 μmol/L (n = 5) [11].
In China werden Extrakte aus dem Rhizom in Kombination mit Extrakten aus der Süßholzwurzel gegen Keuchhusten und Malaria verwendet. Darüber hinaus wird die Droge in China, z. T. auch in Japan, bei Schwindel, Schlaflosigkeit, Impotenz, Verstopfung, Furunkel, verschiedenen Tumoren, Herzinfarkt, Hyperlipidämie, Röteln und lokalen Hautkrankheiten angewendet [6], [7], [15]. Die Wirksamkeit der Droge bzw. Drogenextrakte bei den genannten vielseitigen Anwendungsgebieten ist gegenwärtig nicht belegt. Die Droge wird alleine oder in Rezepturen mit anderen Drogen innerlich als Tee oder äußerlich verwendet. Tagesdosis: 9 bis 30 g als Tee [6].
Mutagen: Im Ames-Test erwies sich die Droge als nicht mutagen [20]. Zu Emodin s. → Fallopia-japonica-Rhizom.
1. Ronse Decraene LP, Akeroyd JR (1988) Botan J Linn Soc 98:321–371
2. Haraldson K (1978) Symb Bot Upsal 22:3–88
3. Bailey JP, Stace CA (1992) Plant Syst Evol 180:29–52
4. Chi HJ, Kim HS (1986) Saengyak Hakhoechi 17:73–77, zit. nach CA 105:139476q
5. Walker EH (1976) Flora of Okinawa and the Southern Ryukyu Islands, Smithsonian Institution, Washington (DC), S. 413
6. Paulus E, Ding YHE (1987) Handbuch der traditionellen chinesischen Heilpflanzen, Haug, Heidelberg, S. 259
7. Stöger EA (1991) Arzneibuch der chinesischen Medizin, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart
8. Yoshizaki M, Fujino H, Arise A, Ohmura K, Arisawa M, Morita N (1987) Planta Med 53:273–275 [PubMed]
9. Tang W, Eisenbrand G (1992) Chinese Drugs of Plant Origin, Springer, Berlin Heidelberg New York, S. 789
10. Zhang XQ, Xa LX (1984) Chin J Pharm Anal 4:347–350, zit. nach Lit. [9]
11. Huang HC, Chu SH, Lee Chao PD (1991) Eur J Pharmacol 198:211–213 [PubMed]
12. Chang CW, Huang HC, Chiu TH, Lee Chao PD (1990) J Clin Med 1:94
13. Chang HM, But P (1986) Pharmacology and Application of Chinese Materia Medica, World Scientific, Hong Kong, S. 620
14. Nonaka GJ, Miwa N, Nishioka J (1982) Phytochemistry 21:429–432
15. Kimura Y, Ohminami H, Okuda H, Baba K, Kozawa M, Arichi S (1983) Planta Med 49:51–54 [PubMed]
16. Yao GG, Sun XP, Zhou H, Qui ZL (1984) Chin J Pharm Anal 4:28–31, zit. nach Lit. [9]
17. Fijimoto S, Matumoto K, Yamnaka O, Suganuma T, Nagahama T (1990) Denpun Kagaku 37:7–11, zit. nach CA 113:208321q
18. Ma C, Wang J (1991) Chung Kuo Chung Yao Tsa Chih 16:622–644, 702, zit. nach Medine AN 92207342 (1991)
19. Coronary Disease Prevention and Treatment Group, Third People's Teaching Hospital of Shanghai Second Medical College (1973) Pharmaceutical Industry 7:23, zit. nach Lit. [13]
20. Kam JK (1981) Am J Chin Med 9:213–215, zit. nach Dimdi TO83253046 [PubMed]
21. Heg (1981) Bd. III, Teil 1, S. 432
22. Hag, Bd. V, S. 821
23. Wallwork JC, Pennock JF (1971) Progr Photosyn Res, Proc Int Congr 1:315–324, zit. nach CA 74:39192
24. Hänsel R, Hörhammer L (1954) Arch Pharm 287:189–198
25. Molnar B (1991) Gyogyszereszet 35:47–52, zit. nach CA 115:56999t
26. Horigome T, Kumar R, Okamoto K (1988) British J Nutr 60:275–285
27. Hörhammer L, Scherm A (1955) Arch Pharm 288:441–447
28. Jaretzky R, Heinemann G (1938) Arch Pharm 276:354–366
29. Tang W, Eisenbrand G (1992) Chinese Drugs of Plant Origin, Springer, Berlin Heidelberg New York, S. 787
30. Yeh SF, Chou TC, Liu TS (1988) Planta Med 54:413–414 [PubMed]
31. Murakami T, Ikeda K, Takido M (1968) Chem Pharm Bull 16:2.299–2.300
32. Kimura Y, Kozawa M, Baba K, Hata K (1983) Planta Med 48:164–168 [PubMed]
33. Yuchi S, Kimura Y (1986) Japan. Patentschrift, zit. nach CA 105:214090q
34. Arichi H, Kimura Y, Okuda H, Baba K, Kozawa M, Arichi S (1982) Chem Pharm Bull 30:1.766–1.770 [PubMed]
35. Luo SF, Yu CL, Zhang PW (1990) Chung-Kuo-Yao-Li-Hsueh-Pao 11:147–150, zit. nach Medline AN 91112404 (1990)
36. Kimura Y, Okuda H, Arichi S (1985) Biochim Biophys Acta 834:275–278 [PubMed]
37. Jayasuriya H, Koonchanok NM, Geahlen RL, McLaughlin JL, Chang CJ (1992) J Nat Prod 55:696–698 [PubMed]
38. Duke JA (1985) Handbook of Medicinal Herbs, CRC Press, Inc., Boca Raton (Florida), S. 391
39. Lee H, Chen S, Shiow SJ, Lin J (1989) J Chin Oncol Soc 5:86–99, zit. nach Lit. [40]
40. Lee H, Tsai SJ (1991) Food Chem Toxic 29:765–770 [PubMed]
41. Brown J, Brown R (1976) Mut Res 40:203–224 [PubMed]
42. Liberman DF, Fink RC, Schäfer FL, Mulcahy RJ, Stark AA (1982) Appl Environ Microbiol 43:1.354–1.359[PubMed]
43. Westendorf J, Marquardt H, Poginsky B, Dominiak M, Schmidt J (1990) Mut Res 240:1–12 [PubMed]
44. Masuda T, Haraikawa K, Morooka N, Nakana S, Ueno Y (1985) Mut Res 149:327–332 [PubMed]
45. Tanaka H, Morooka N, Haraikawa K, Ueno Y (1987) Mut Res 176:165–170 [PubMed]
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Springer Medizin Verlags GmbH, Berlin, Heidelberg, New York
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart
15.08.2010